Hier spricht der Besitzer

Wenn Michael Ringier sein Privileg ausnützt, ist Feuer im Dach.

Vorgestellt wird er bescheiden als «Präsident des VR der Ringier AG». Die Wahrheit wäre: Michael Ringier ist der Besitzer. Der Boss. The Man. Der Eigentümer. Der Mehrheitsaktionär. Die Wahrheit wäre: Er ist längst Juniorpartner von Axel Springer, und der Versicherungsgesellschaft Mobiliare gehört ein Viertel der Ringier AG.

So viel Transparenz müsste eigentlich sein. Sein CEO Marc Walder ist als erster Geschäftsführer überhaupt mit 10 Prozent am Unternehmen beteiligt. Dafür wurde ihm von Ringiers Hausbank, die auch im VR vertreten ist, ein Kredit gewährt. Alles keine Schande.

Der Herr eilt dem Knecht zu Hilfe

Nun hat sich Walder ohne Not vor laufender Kamera ins Elend geschwatzt. Dabei etwas gesagt, was als Binsenwahrheit gelten sollte: natürlich werden publizistische Leitlinien vorgegeben. Allgemeiner Art, das ist dann das Gesülze in jeweiligen «Code of Conduct». Und konkreter Art, wie ein Thema zu bewerten, gewichten, darzustellen ist. Sei das der EU-Beitritt, sei das die Abstimmung über das Mediengesetz, sei das die Behandlung der Pandemie. Sei das die Behandlung von Magistraten.

Seit den Männerfreundschaften des Hausgespensts Frank A. Meyer hat es eine Tradition bei Ringier, dass Bundesräte gelobt oder kritisiert werden. Je nach persönlichen Präferenzen der Entscheider im Hause. Auch das ist keine Schande.

Nun versucht Ringier, selbst ein nicht unbegabter Schreiber, seinen CEO aus der Feuerlinie zu nehmen, bevor sich der Ausdruck Waldergate einbürgert. Das ist ehrenhaft, wenn auch nicht ganz uneigennützig. Vorbildlich der Aufbau seiner Verteidigungsschrift, in der für den «Blick» nötigen Kürze.

Ein beispielhaftes Stück Kommentar

Zuerst eine rhetorische Frage, wie sie auch Meyer in jahrelanger Übung perfektioniert hat: «Worum geht es eigentlich?» Dann die Einordnung. Nur am Rande um CEO Walder, «der selbst am besten weiss, dass seine Formulierungen während einer Managementkonferenz vor einem Jahr nicht zu den Sternstunden einer sonst unglaublich erfolgreichen Karriere gehören».

Ein kleiner Nasenstüber, aber mit dem Schaumgummihammer. Dann verwandelt sich der gütig strafende Vater in den zürnenden Rachegott: «Aber eines kann ich als Verleger von über 100 Redaktionen in 18 Ländern und Tausenden Journalisten nicht einfach stehen lassen. Denn die Unterstellung, dass hier Journalismus nach Weisung betrieben wird, ist eine absolut böswillige Diffamierung der täglichen Arbeit …»

Dann zeigt Ringier, dass er Boulevard besser beherrscht als die meisten überlebenden «Blick»-Journalisten: «Mit Entsetzen erinnere ich mich immer noch daran, dass einer unserer Kollegen und dessen Lebenspartnerin in der Slowakei vor wenigen Jahren ihr Leben lassen mussten, weil er mit seinen Recherchen einem Mächtigen zu nahe gekommen war.»

Michael Ringier. (Screenshot «Blick»).
Das Foto wurde hier um ca. 70 Prozent verkleinert …

Klassischer Dreisprung, dann Zieleinlauf

Schon ist er auf der Zielgeraden. «Einordnung, Erklärung, Hilfestellung, Diagnose, Analyse nach bestem Wissen und Gewissen.»  Dazu noch «Respekt und Augenmass», wir überqueren die Ziellinie:

«Machen Sie, geschätzte Ringier-Journalistinnen und -Journalisten, einfach so erfolgreich weiter wie bisher.»

Das ist ein rhetorisch gelungener Rettungsversuch. Sauberer Aufbau, einfache und verständliche Worte, keine Längen, ohne Rumpler auf die Schlusspointe zugeschrieben. Kann man in jeder Journalistenschule als Anschauungsmaterial verwenden.

Nur: Was hat das mit der täglichen Realität der Kindersoldaten in ihren Verrichtungsboxen in der Hölle des Newsrooms zu tun? Wo Klicks zur einzig harten Währung geworden sind, wo Impfkritiker verunglimpft und beschimpft werden, ein amoklaufender Chefredaktor sogar vor Faschismusvorwürfen und Nazivergleichen nicht zurückschreckt?

Eigentlich nichts. Von «erfolgreich» zu schreiben, das ist zudem nassforsch, angesichts der Entwicklung der Auflage.

Daher ist das kein Kommentar, sondern ein schönes Stück Prosa. Eine Kurzgeschichte. Von gewissem literarischen Wert, aber ohne jeden Realitätsbezug.

 

 

4 Kommentare
  1. Edwin Hunggeler
    Edwin Hunggeler sagte:

    Dass Michael Ringier mit der Ermordung des Journalisten Ján Kuciak und dessen Partnerin die staatskritische Berichterstattung seiner Medien belegen will, ist an Erbärmlichkeit kaum noch zu überbieten. Und dann meldet sich heute auch noch Dorer zu Wort und besteht darauf, dass Blick und Co sachlich berichten würden. Was war da mit den vielen unkommentierten Preprints und dem Geschrei wegen des angeblichen Wundermittel Echinacea?

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  2. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Michael Ringier als den „Good Guy“ einzuschätzen, tut diesem Medien-Bonzen zuviel der Ehre an. Die mafiöse Kumpanei zwischen Ringier in Person des Marc Walder und dem krankhaft eitlen Berset konnte nur mit Zustimmung von Michael Ringier erblühen. Diese drei Männer haben dem Journalismus in der Schweiz schwersten Schaden zugefügt. Im Übrigen sollte Bundesrat Berset wegen charakterlichen Mängeln endlich seinen Rücktritt geben.

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  3. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Fakt ist, Walder hat die brisanten Worte gesprochen und bei den Anwesenden Vertraulichkeit angemahnt. Warum verlangt er Vertraulichkeit? Weil er sich der Brisanz der Worte bewusst war, die vielen nicht nebenbei, sondern waren Hinweis für die journalistische Strategie während Corona.

    Wenn Walder sich entschuldigt und verwässert ist das peinlich. Er ist Journalist und Medienprofi, es war ein Maulkorb, wahrscheinlich um die guten Beziehungen zu Berset, BAG (früher war es Doris Leuthard) oder Berset zu Ringier nicht gefährden. Diese guten Beziehungen werden in einer unglaublichen Obszönität dokumentiert, in der Zeitschrift «Interview», Das Magazin für gute Gespräche. Der Artikel war Schützenhilfe pur für den BR!
    Michael Ringier nimmt den in der Slowakei ermordeten Journalisten und dessen Partnerin als Beispiel für unabhängigen Journalismus im Konzern. Der Ermorderte kann sich nicht wehren, er wird instrumentalisiert. Was er zu den Forderungen von Walder gemeint hätte? Da fehlt Ringier jedes Gespür für Einordnungen?

    Auch die Chefredaktion der BLICK-Gruppe, Dorer, Buchli, Cavelty, Dietrich, Inguscio, Jeanneret, Sigrist wehrt sich und singt das Lied des unabhängigen Journalismus mit der gewagten Aussage: «Journalismus, wie Blick ihn macht, ist unabhängig von Einmischungen, von Regierungen, von Direktiven und selbst vom CEO. Nur von einem nicht: von gesellschaftlicher Verantwortung».
    Was folgt als Nächstes? Eine Einordnung von Flavia Schlittler auf BLICK-TV, ein Gastkommentar von Irina Beller,

    Eine Aussage von Ringier an die JournalistenInnen lässt hoffen: «Machen Sie, geschätzte Ringier-Journalistinnen und -Journalisten, einfach so erfolgreich weiter wie bisher.» Heisst das der Konzern verzichtet auf die Mio aus der Medienförderung für die andere arbeiten mussten?

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