Es darf gelacht werden: dumm gelaufen

Man muss Marc Walder dankbar sein.

Es ist kein Anlass für Häme oder Triumphgeheul. Es ist Anlass für tiefe Dankbarkeit. Es ist Anlass, drei Sätze des CEO und Miteigentümers der Ringier AG in Stein zu meisseln:

«Wir hatten in allen Ländern, wo wir tätig sind – und da wäre ich froh, wenn das in diesem Kreis bleibt – auf meine Initiative hin gesagt: ‹Wir wollen die Regierung unterstützen durch unsere mediale Berichterstattung, dass wir alle gut durch die Krise kommen.›»

«Auch die Blick-Gruppe, die jetzt in der Schweiz sehr prägend ist in der Covid-Berichterstattung, könnte deutlich härter – und vielleicht sagen einige von Ihnen: ‹Ja, macht’s doch bitte, die schlafen alle, die packen’s nicht› – sein.»

Die Medien hätten in der Corona-Krise «eine zusätzliche Dimension an Verantwortung, so würde ich das framen».

Natürlich kann und muss das von Ringier Kommunikation umgedeutet, relativiert, beschönigt, zugequatscht («aus dem Zusammenhang gerissen») werden, das gehört zum Geschäft.

Das alles ändert nichts daran, dass die Sätze so gefallen sind, dokumentiert wurden und ihre Authentizität nicht bestritten wird.

Sätze mit bleischwerer Wirkung

Das alles ändert nichts daran, dass auf Initiative eines CEO ein Medienkonzern weltweit sich der Direktive verschrieben hat, die jeweiligen Regierungen bei ihren Corona-Massnahmen zu unterstützen.

Das ist das bewiesene Gegenteil einer unabhängigen Presse, die sich als kontrollierende, vierte Gewalt versteht und ihre vornehmste Aufgabe darin sieht, Mächtigen – und vor allem dem Staat in all seinen Ausformungen – auf die Finger zu schauen.

Auszuleuchten, was lieber im Dunkeln bleiben sollte, aufzudecken, was an Schweinereien am liebsten zugedeckt bliebe. Kritisch zu hinterfragen, ob alle Massnahmen, alles Handeln, alle Entscheide von Staatsbeamten, von sogenannten Dienern des Volkes auch tatsächlich der Überprüfung standhalten.

Auch wenn Medien dazu neigen, ihre Bedeutung zu überschätzen und unter Verlustängsten leidende Journalisten dazu neigen, ungefragt Ratschläge oder sogar Forderungen zu publizieren: das mag der zunehmend lächerliche Teil sein. Aber den Teil von Begleitung, Kontrolle, Offenlegung und Kritik, den braucht jede Demokratie wie die Luft zum Atmen.

Medien haben eine Funktion und Möglichkeiten

Denn Wahlen oder auch Abstimmungen wie in der Schweiz üben eine Kontrollfunktion aus. Aber im daily business, in der Komplexität heutiger Staatsentscheidungen braucht es dringend einen Wächter, der wenigsten Alarm schreien kann, wenn seiner Meinung nach etwas schief läuft, was letztlich alle Staatsbürger, also uns, betrifft.

Nur Medien können Politiker sofort haftbar machen für ihr Tun. Nur Medien haben die Ressourcen, deren Handeln genau anzuschauen. Nur die Medien haben die Energie, bürokratisch-verborgene Entscheidungen aufzudecken und nötigenfalls zu kritisieren.

Dafür müssen die Medien, was Wunder, so staatsfern wie möglich sein. Auch hier gibt es kein Schwarzweiss wie beim traditionellen Drucken von Zeitungen. Natürlich ist es übertrieben, Schweizer Medien mit Staatsorganen wie «Neues Deutschland», «Pravda» oder «Granma» in einen Topf zu werfen, die seit Gründung immerhin klar etikettierten, dass sie keine unabhängigen Kontrollorgane seien, sondern Sprachrohre der herrschenden kommunistischen Partei.

Wie unabhängig darf’s denn sein?

Aber die Schweizer Medien legen grossen Wert auf die Bezeichnung «unabhängig». Also nicht weisungsgebunden, keinerlei Beschränkungen unterworfen, die über die Grenzen des rechtlich Erlaubten hinausgehen.

Insbesondere unabhängig von Inserenten oder von Zuwendungen Dritter. Schliesslich auch unabhängig vom jeweiligen Verlag, der sich niemals in die Ausrichtung, den Inhalt, die Auswahl der Berichterstattung einmischt.

So ist das Image. Auch das ist nicht Schwarzweiss. Aber jeder, der im Journalismus tätig ist, weiss, dass es nicht so läuft, dass ein täglicher Befehlsempfang stattfindet, bei dem ein Supino, ein Walder oder ein Wanner bekannt gibt, wie welche Themen wie zu behandeln seien.

Jeder weiss auch, dass jeder Chefredaktor, der seine Stelle behalten will, sich daran hält, was seine Arbeitgeber und was die Besitzer seines Organs möglichst beiläufig wünschen. Auch das wird natürlich abgestritten.

Genau deshalb ist es so wertvoll und bedeutend, dass im Falle von CEO Walder dokumentiert wurde, wie’s läuft.

Was mögen Walders Motive gewesen sein?

Da Walder alles andere als dumm ist, bleibt höchstens die Frage, wieso er sich dazu entschloss, das so offen auf den Tisch zu legen. Denn sein Einschub, dass seine Aussage «in diesem Kreis bleiben» solle – er wäre niemals CEO von Ringier geworden, wenn er so naiv wäre, darin mehr als einen frommen Wunsch zu sehen.

Im Gegenteil, das war eine nicht sehr versteckte Aufforderung, das zu streuen. Es hat zwar ein Weilchen gedauert, aber funktioniert. Es hat wohl etwas Machiavellistisches, vom Abstreiten solcher Vorgaben zur offenen, unversteckten Ankündigung überzugehen. Nach der Devise:

natürlich befiehlt der, der bezahlt und besitzt.

Sonst noch Fragen? Also, dann immer schön horchen, was aus der Chefetage zum Fussvolk durchsickert. Macht’s doch einfacher, als regelmässig den Chefredaktor briefen, der dann die Direktiven an seine Mannschaft weiterleitet, verkleidet als «sehe ich so».

1 Antwort
  1. Gallus Schlegel
    Gallus Schlegel sagte:

    Die MM, als «vierte Gewalt», sollten eigentlich der Wachhund der Politik sein: Knurren, wenn etwas auffällig ist oder stinkt, losrennen und sich auch mal festbeissen, wenn gelogen oder unter den Teppich gekehrt wird. Aber der Wachhund ist leider in den letzten Jahren zum Schosshündchen mutiert.

    Antworten

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