Ex-Press 2022

Neues Jahr, alter Wein in alten Schläuchen.

Sicher, diese Festtage sind alles andere als journalistenfreundlich gelegen. Der 31. ein Freitag, dann am 1. mit schwerem Kopf Content für die Sonntagsblätter produzieren, das ist hart.

Natürlich gab es jede Menge Vorgefertigtes, so ein ellenlanges Interview mit einem der beiden Hauptangeschuldigten im Raiffeisen-Prozess gegen Pierin Vincenz. Aber es blieb noch genügend Platz, um sich weiter vom Flüssigen ins Überflüssige zu schreiben.

Seitdem die Corona-Kreische Marc Brupbacher zwangsweise pausieren muss («Ich mag den fortwährenden Kreis der Idiotie nur nicht mehr kommentieren»), entdeckt die SoZ die positiven Seiten des Lebens und der Geschichten. Bild aus dem Gebiet Sauglattismus, eine richtig gute Nachricht daneben: die Alka Seltzer und Aspirin und Bloody Marys scheinen gewirkt zu haben.

Aber es muss auch ein Kollateralschaden gemeldet werden. Während die Triage auf IPS weiterhin im normalen Bereich stattfindet, ist die Jugendpsychiatrie offenbar völlig überlastet. Wer sich im Januar 2022 mit einem dringenden Problem dort meldet, ob als Betroffener oder als Eltern, kann 2023 mit einem Termin rechnen. Wenn’s dann überhaupt noch einen braucht.

Es gibt allerdings ein Thema, das Jahreswechsel, die Logik, gutes Zureden, Selbstreflexion und die Frage, wie viele Leser solches Geschwurbel interessiert, schadlos übersteht:

Nein, das muss man nicht verstehen, das sollte man auch nicht zu verstehen versuchen. Wenn die Verbissenheit einer der Rädelsführerinnen beim Protestschreiben von 78-Tamedia-Frauen nicht so beelendend wäre, wäre es erheiternd:

Aleksandra Hiltmann kommentiert: «Nur 0,4 Prozent der Befragten gaben in der neuen Sotomo-Studie zu Geschlecht und Identität an, explizit nonbinär zu sein.» Thema erledigt. Aber nein, denn es gibt ja das Patriarchat, diesen Schlingel:

«Dazu gehören auch jahrhundertelang vermittelte Normen der Heterosexualität und binären Vorstellung der Geschlechter. Diese einfach so abzuschütteln – schwierig, auch im vermeintlich woken Zeitalter.»

Was passiert daher Schreckliches mit uns? «Das Resultat: Wir haben Angst vor unseren eigenen Wünschen und Identitäten und sind eingeschränkt von der Gesellschaft, in der wir selbst leben. Wir alle

ZACKBUM ist nur ein Einzelner. Aber der hat keine Angst. Er will auch nichts abschütteln. Allerdings schüttelt es ihn. Es geht aber noch weiter:

Nicht nur Männer, vor allem alte und weisse, sind der Feind des Feminismus. Nein, noch schlimmer sind Frauen. Wie zum Beispiel Alice Schwarzer, die grosse Kämpferin für Feminismus und Emanzipation in Deutschland. Aber: sie hat sich nicht genügend für schwarze Frauen eingesetzt. Tatsache. Immerhin: in diesem Artikel ist die Autorin (!) in der Lage, die völlige Lächerlichkeit dieser Vorwürfe mit genügend Distanz darzustellen. Könnte sich Hiltmann ein oder zwei Scheibchen davon abschneiden.

Aber auch männliche Autoren müssen schwer unter einem Kater (männlich) gelitten haben. Anders ist dieses Stück Recherchierjournalismus über das neue Bundesratsfoto nicht zu erklären.

Nur das Kopfweh aller Beteiligten kann vielleicht verständlich machen, wie ein solcher Flachsinn ins Blatt kam. Rechter Fuss von Bundespräsident Cassis steht teilweise in Italien? Jessas, daraus lässt sich ein Scherz herausquetschen. Die Uhrzeit steht auf 1848? Grandios durchschaut, aber sollte sie stattdessen nicht besser auf 2022 (aktuell!) oder gar 2030 (Klimaziele!) stehen? Scherz lass nach.

Von der Beliebigkeit zur Überflüssigkeit und schliesslich zur Lächerlichkeit sind es nur kleine Schritte. Die geht mit grossen Fussstapfen der Chefredaktor des SoBli. Ist halt auch blöd, wenn er gerade schlaumeierisch einen Beitrag zur Annahme des Milliardensubventionsgesetzes im Februar leisten will:

Gut gegeben, auch nicht gerade staatstreue Medien wie WeWo oder «Schweizerzeit» hätten schon Subventionen kassiert – und seien dadurch ja wohl nicht zum Sprachrohr der Regierung geworden, merkt Gieri Cavelty an. Das stimmt; die haben halt auch nicht einen CEO wie Marc Walder, der das dekretiert, wie man inzwischen weiss.

Wie die SoZ in übellauniger Katerstimmung auch dem mässig interessierten Leser (ausser, der wäre Journalist) mitgibt: Ringier tut wirklich manches, um sich lächerlich zu machen. Nach grosser Lobesorgie und Staatsempfang für den ewigen Klatschreporter André Häfliger erfolgte die kalte Dusche: «freigestellt» eröffnete ihm der SI-Chefredaktor (inzwischen selber wegbefördert). Häfliger nimmt’s gelassen, da es so einen wie ihn in der Schweiz kein zweites Mal gibt. Und vermutet, dass er sich zu offen über die Unzulänglichkeiten des ehemaligen Ringier–Schlachtschiffs SI geäussert habe, dessen Auflage eher nach «Titanic» riecht.

Selbst die NZZaS ist vor Nachwirkungen froher Feiern nicht ganz gefeit. So fantasiert Aline Wanner in ihrer Medienkolumne von «Booster-Shots», die in Form von kleinen Gläsern, gefüllt mit Wodka, «um 4 Uhr früh (in einer Vollkontaktrunde in einer Bar)» serviert würden. Echt jetzt? Ein Shot ist durchaus gängige Währung in nicht gerade vornehmen Bars, aber ein Booster-Shot? Hat sich Wanner hiervon inspirieren lassen?

Das wird, Scherz lass auch hier nach, als Wodka-Booster-Shots angepriesen. Kleiner Inhalt, dafür sauglatt und schweineteuer.

1 Antwort
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Das Resultat: Wir haben Angst vor unseren eigenen Wünschen und Identitäten und sind eingeschränkt von der Gesellschaft, in der wir selbst leben. Wir alle.»

    Einmal mehr, Hiltmann total durchgeknallt, masst sich an für alle zu sprechen, dabei ist sie ziemlich alleine mit diesen Aussagen. Kompensiert fehlende Kompetenz, eigene Recherche und Differenzierungsvermögen mit Überheblichkeit. Hiltmann will über andere richten. Rollkofferbenützer (geschätzt mindestens die Hälfte aller Reisenden) sind bieder. Auszubildende die weisse Kopfhörer während der Arbeit tragen sind Zecken (dass diese sich nicht mit Hiltmann unterhalten wollen kommt ihr nicht in den Sinn).

    Aber bei TAmedia ist alles möglich. Von Publikumsbeschimpfung bis zum übelsten Opportunismus. Online ist der Artikel zu lesen:

    .Die besten Ferientipps
    Angesagte Reiseziele für 2022
    zugekauft von der Agentur «inwordswetrust», geschrieben von Brigitte Jurczyk. Im Artikel wird auch Saudiarabien als angesagte Destination 2022 in gefälligen Sätzen beschrieben. Das Land das Menschen unterdrückt wegen dem Geschlecht, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrer sexuellen Ausrichtung, das kritische Geister verfolgt und tötet, Jamal Khashoggi. Saudi-Arabien gehört zu den fünf Ländern weltweit mit den meisten inhaftierten Journalisten. Am Schluss des Artikels hat Jurczyk der Form geschuldet noch ein paar kritische Sätze angehängt.

    Ausgerechnet der TA der für LSBTIQ weibelt, den Feminismus und die Gleichstellung auf die Fahne geschrieben hat preist Saudiarabien, wo bleibt da der Aufschrei der ca 70 Nesthäckchen? Sie ducken sich weg!

    Was 2022 vom TA zu erwarten ist zeigen die Porträtseiten 22/23 im heutigen TA. International 10 MitarbeiterInnen, Leben 33 MitarbeiterInnen. Also weiterhin wenig global, dafür viel Mahnfinger-, Betroffenheits-, Vermutungs-, und Nabelschaujournalismus!

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