Wie man eine Kommentar-Kopie versemmelt

Tamedia macht nicht vollständig copy/paste von der SZ. Leider.

Das oberste Gericht Russlands hat die Auflösung der NGO Memorial beschlossen. Unter fadenscheinigen Vorwänden. Das kann und sollte man kritisieren und kommentieren.

Das tut der SZ-Redaktor Frank Nienhuysen mit schneidig-deutscher Schärfe. Allerdings ist da zwischen Original und Kopie ein kleiner Unfall namens Auslandredaktion Tamedia passiert. Deren unseliges Wirken bekommt aber der Schweizer Leser gar nicht mit, weil er ja nur seine Kohle für Tamedia rausballert und nicht auch noch das Original abonniert hat.

So sieht nämlich das Original aus:

Klarer Titel, starkes Foto.

Der Lead dazu: «Das Verbot von «Memorial» zeigt, was der Kreml von einer Zivilgesellschaft hält: nichts.»

Der anschliessende Lauftext wurde von Tamedia unbeschädigt übernommen. Aber offensichtlich leidet die noch existierende Auslandredaktion unter zuviel Freizeit. Oder Blähungen. Oder Covid-19. Denn das machte sie draus:

Ein Text, zwei völlig verschiedene Deutungen.

Kann man denn über den gleichen Kommentar zwei völlig verschiedene Titel und Einleitungen schreiben? Ist der anschliessende Text so beliebig ausdeutbar, umdeutbar?

Eigentlich nicht. Denn im Text steht kein Wort davon, dass der Kreml stalinistische Verbrechen schönreden wolle.

Auch das Foto in der Tamedia-Kopie ist schwächer, beliebiger.

Aber was so ein Text eigentlich sagen will, das bestimmt bei Tamedia nicht der Autor – oder der Inhalt des Textes. Sondern ein überforderter Blattmacher, der den ursprünglichen Titel offenbar viel zu schlapp fand und noch etwas Guzzi geben wollte.

Wobei ein geschichtsbewusster deutscher Redakteur einen solchen Titel wohl eher nicht setzen würde, weil er sonst darauf hinweisen müsste, dass es nicht zu den stalinistischen Verbrechen gehörte, dass die Sowjetunion den grössten Blutzoll dafür leistete, nach dem deutschen Überfall und dem barbarischen Vernichtungsfeldzug gegen die bolschewistischen Untermenschen Europa vom Hitler-Faschismus zu befreien.

Bei solchem Unvermögen kann man nur froh sein, dass eigene Texte nicht in diesen Fleischwolf geraten. Tamedia, das Qualitätsprodukt aus dem Hause Tx. Wenn die einen Kommentar übernehmen, erkennt ihn der Autor nicht mehr wieder.

4 Kommentare
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Das ist bei TAmedia «daily business». Titel ändern und Eigenleistung vortäuschen. Diese Redaktion ist nur noch ein Graus. Verständlich bei diesen profillosen Chefredaktoren. Auch der Verantwortliche für die Auslandberichterstattung, Münger, ist nur noch eine Nullnummer, profillos. Abhängig von Abfallprodukten der SZ, er sollte mit der Chefredaktion den Hut nehmen, mit der Erkenntnis «Wir können Blabla, aber nicht Zeitung».

    Beispiel, auf den südpazifischen Inseln findet ein Umbruch statt. Unruhen auf den Salomon Inseln, unter anderem weil die dortige Regierung immer mehr in den Einfluss Chinas gerät und Taiwan nicht mehr als Staat anerkennt, sondern China. War da etwas im TA zu lesen? Nichts, weil auch die SZ den pazifischen Raum nicht mehr im Fokus hat! TA ist nur noch grottenpeinlich, dank Annabelisierung, Genderwahn. Letztes Beispiel ein Artikel von Vielschreiber und Wenigversteher Benini der mit falschen Zahlen operiert, Geschlechter und Geschlechteranerkennung.

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    • Sam Thaier
      Sam Thaier sagte:

      Ein ausgezeichnetes Beispiel mit dem Konflikt auf den Salomon Inseln. Habe kürzlich einige Ausgaben der «Bangkok Post» lesen können. Inlandteil mies und zensuriert. Auslandteil aber sehr beachtlich. Beziehen dort ihren Auslandteil (täglich mindestens 5 Seiten) von den Agenturen AFP, Reuters, AP, Bloomberg, New York Times und Nikkei Asia. Die Salomon Islands gingen in der Bangkok Post nicht vergessen. Die AFP berichtete gut über die wesentlichen Vorkommnisse auf dieser Südpazifik-Insel.

      Entweder werden die Artikel im Tagesanzeiger umständlich breit ausgewalzt, wie es etwa der Italien-Korrespondent Oliver Meiler pflegt – oder dann vergisst man noch und noch bedeutsame Ereignisse, die nicht in die festgezurrte Annabellisierungs™-Schablone dieser Zeitung reinpassen. Essenz ist ein Fremdwort geworden beim Tagesanzeiger; stattdessen ein selbstverliebtes Rudern um umständliche Worte in einer Endlosschlaufe.

      Auch der ganz dünne Wirtschaftsteil des TA fällt auf, mit aufgeblähten Artikeln mit viel Gähnfaktor. Denke, die Zeitung müssten einige toughe, durchsetzungskräftige Produzenten und Produzentinnen anstellen mit Befugnissen. Diese könnten tagtäglich Zeilenvorgaben verteilen – und durchsetzen. Früher wurden auch viele Artikel «gestorben» vor der Veröffentlichung. Magere, uninteressante Kost wurde im Vorzeitalter der Annabellisierung™ im Keime erstickt.

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      • Mario Sacco
        Mario Sacco sagte:

        Richtig erkannt. Der Tagesanzeiger würde mit der Abdeckung durch erwähnte Agenturen an Statur gewinnen. Gerade die AFP hat über Afghanistan hervorragende Arbeit geleistet. Die oft überforderten Korrespondenten der Süddeutschen könnten somit überflüssig werden.

        Sparen am richtigen Ort. Alte Gewohnheiten überdenken.

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  2. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Eine Schande für den Tagi statt Eigenleistung die Ausland-Berichterstattung von der Süddeutschen Zeitung zu importieren. Einzig die Titel und der Lead dürfen, wie im Beispiel der russischen Memorial, in Zürich noch verschlimmbessert werden. Als Kai Strittmatter kürzlich behauptete im schwedischen ÖV bestünde die Maskenpflicht, wurde dieser Fehler in Zürich nicht erkannt und der Hinweis darauf nicht beantwortet. Soviel zum Tagi als selbsternannte „Qualitätszeitung“.

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