Wo einer recht hat, hat er Recht
Selten, aber möglich: Der Chefredaktor der NZZ spricht wahre Worte.
Es gibt noch verschiedene Strategien im Medienzirkus. Während Tamedia von Deutschland das Korrespondentennetz für die Auslandberichterstattung übernimmt, expandiert die NZZ nach Deutschland.
In Österreich zog die alte Tante zwar einen Stiefel voll raus, trennte sich dann immerhin von ihrem österreichischen CEO, der das Schlamassel mit nzz.at angerichtet hatte. Deutschland ist nun Chefsache von Eric Gujer.
Der scheint mit seiner Strategie Erfolg zu haben; die NZZ wird in Deutschland als valable Alternative zur FAZ wahrgenommen, man schätzt auch den weniger kreischigen, schweizerisch zurückhaltenden Ton.
Zudem beschallt Gujer einmal in der Woche vornehmlich sein deutsches Publikum mit dem «anderen Blick». Am liebsten vergleicht er die Schweiz und Deutschland – natürlich eindeutig mit Vorteil Schweiz.
Locker im Gelenk formuliert Gujer:
«Auch in der akuten Infektionswelle findet daher wieder ein grosser Feldversuch statt, wer besser abschneidet: das Team Etatismus oder das Team Liberalismus.»
Angetreten seien die beiden Mannschaften im Kampf um die Impfpflicht. Gleich die rote Karte kassiert Bayerns Ministerpräsident: «Dass jemand seine Rolle als gestrenger Pandemie-Vogt so lustvoll zelebriert wie der bayrische Chefpopulist Markus Söder, wäre unter Eidgenossen undenkbar. Die einen lieben eben ihre Obrigkeit, die anderen nicht.»
Dann wird Gujer kurz grundsätzlich: «Wenn die Parteien in Berlin jetzt über weitere Restriktionen bis hin zur Impfpflicht diskutieren, sollten sie ausnahmsweise die Kosten-Nutzen-Relation bedenken. Zu oft ist der Staat der Versuchung erlegen, mit Freiheitsbeschränkungen Handlungsfähigkeit zu suggerieren, obwohl die Wirkung überschaubar blieb.»
Dann ruht Gujers Blick wohlwollend auf seiner Heimat, der er aber gleichwohl einen väterlichen Ratschlag auf den Weg gibt: «Aus Schweizer Perspektive gilt, dass auch in der gegenwärtigen Welle der deutsche Weg kein Vorbild sein kann. Panikmache und Hysterie sind das falsche Rezept.»
Man muss zugeben: einen so staatstragenden Ton kriegt seit Helmut Schmidt selig keiner mehr hin.
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