Kühne Konstruktion

Die Wächtermedien hängen in den Seilen. Brauchen Staatsinfusion. Wieso eigentlich?

Die Beherrscher des Tageszeitungsmarkts in der Schweiz führen ein marktwirtschaftliches Wunderwerk vor. Sie verlangen für entschieden weniger Content gleich viel Geld von ihren Kunden. Das ist so, wie wenn ein Detailhändler für einen halben Liter Milch gleichviel wie für früher einen ganzen verlangte. Sorry, aber diese Milch schmeckt viel konzentrierter.

Geschrumpfte Umfänge, gefeuerte Journalisten, zusammengestrichene Budgets, zusammengelegte Redaktionen: eine Agonie, ein Trauerspiel.

Erschwerend kommt hinzu, dass die (noch) überlebenden Mitarbeiter ihren Bedeutungsverlust mit lautstarker Kommentierung der Weltläufe kompensieren. Plus liebedienerische Übernahme der offiziellen Positionen in der Bekämpfung der Pandemie.

Damit ist das Elend noch nicht ausreichend beschrieben. Denn inzwischen sind Tamedia, CH Media und Ringier von Medienhäusern zu Gemischtwarenhändlern denaturiert. Verkaufsplattformen, Eventveranstalter, Betreiber von TV- und Radiostationen, Anbieter von Handelsplattformen, Internetaktivitäten allgemeiner Art, usw.

Ein moderner Medienkonzern.

Nur die NZZ setzt tapfer auf ihr Kerngeschäft: journalistischer Inhalt, möglichst hochstehend.

Wie jammern, ohne zu leiden?

Nun stecken die drei Grossverlage etwas in der Bredouille, wie sie denn eigentlich nachvollziehbar um weitere Staatsknete jammern können. Durch die gegenseitige Abhängigkeit unterstützt, ist es ihnen gelungen, ein zusätzliches Hilfspaket von einer satten Milliarde Steuergelder durchs Parlament zu bugsieren.

Dagegen wurde aber, dumm gelaufen, das Referendum ergriffen. Nach anfänglich überheblichem Ignorieren nehmen die Verlage nun Anlauf, Stimmung für ihr Anliegen zu machen: wir brauchen die Kohle, um weiterhin unsere Wächterfunktion in der Demokratie ausüben zu können. Denn Medien sind ja keine Joghurts; sie haben staatstragende Aufgaben, wird getrötet.

Das sei dahingestellt. Aber wieso sollte eigentlich der Steuerzahler eine ganze Milliarde locker machen, wo sich die grossen Medienhäuser in den letzten zehn Jahren im Milliardenbereich dumm und krumm verdient haben? Wo sie doch auch in der fürchterlichen und angeblich existenzbedrohenden Pandemie fröhlich Gewinne einfuhren?

Wo doch alleine durch die Ankündigung der Fusion der Handelsplattformen von Tamedia und Ringier der Aktienkurs zur Freude des Coninx-Clans durch die Decke schoss und alleine das neue Konglomerat locker einen Wert von über 3 Milliarden Franken hat?

Besonders bei diesen Plattformen ist es klar, dass ihr Erfolg im Print begann. Der «Stellenanzeiger» von Tamedia war legendär dick. Ebenso die Immobilien-, Auto- und sonstigen Anzeigenplantagen. Da musste kaum gewässert oder gedüngt werden, nur die Banknoten von den in den Himmel spriessenden Bäumen gepflückt.

Die Zauberformel gefunden?

Das marschierte alles ins Internet ab. Schliesslich krallte sich Tamedia den einzigen erfolgreichen Versuch eines Gratisblatts. Man hatte sogar als Drohkulisse die Lancierung eines eigenen Konkurrenzprodukts vorangetrieben, bis die Mannschaft kurz vor der ersten Publikation erfuhr, dass der Stecker rausgezogen wurde. Ziel erreicht, «20 Minuten» gehörte nun Tamedia.

Seither ist das Pendlerblatt weiterhin erfolgreich und profitabel. Kann aber bei den Subventionen nicht berücksichtigt werden. Das alles ist also etwas kompliziert. Jedoch nicht für Pietro Supino. Der hat nicht nur für Beschäftigung bei den Herstellern von Aussenbeschriftungen gesorgt. Sondern den Tamedia-Konzern so umgebaut, dass das mit der Steuermilliarde klappen sollte.

Kühne Konstruktionen.

Unabhängige Profitcenter ohne Quersubventionen, heisst die Zauberformel. Ringier sieht das übrigens ähnlich. Dass dem Profitcenter Tamedia die Einnahmen der Anzeiger fehlen, die mit den Printausgaben überhaupt erst gross wurden? Schon, na und?

Dass «20 Minuten» immer noch nett Kohle verdient, so what? Gehört nicht zu Tamedia, sondern ist ein eigenes Profitcenter. Und obwohl redaktionell und auch sonst durchaus Synergien genützt werden, für Tamedias Zentralredaktion und die am Hungertuch nagenden Ruinen der Redaktionen der Kopfblätter heisst es: Finger ab de Röschti.

Etwas sauberer aufgestellt ist das Wanner-Imperium. Der Geldschlucker «watson» wurde nicht in das Joint Venture mit der NZZ aufgenommen. Wahrscheinlich, weil die NZZ das nicht geduldet hätte.

Nicht nur Papier kann man aus Holz machen.

Keine Konzessionen, keine Finanzspritzen aus eigenem Sack

Ringier macht bei der «Blick»-Familie oder bei den überlebenden Medienprodukten auch keine grossen Konzessionen, was Finanzspritzen aus einkommensstärkeren Konzernbereichen betrifft. Selbst beim Lieblingsprojekt «Interview by Ringier» zählt man mehr auf «eine Partnerschaft mit Credit Suisse (Schweiz), IWC Schaffhausen und Volvo Car Switzerland» als auf völlige Unabhängigkeit.

Das alles macht die kühne Behauptung: wir brauchen Steuerkohle, sonst geht der Ofen aus, recht zweifelhaft. Nach einem Fehlstart darf man gespannt sein, was da den versammelten Schreibkräften und Schönschreibern und Konzernjournalisten so alles einfällt, um die Position ihrer Verlage zu verteidigen: Wir verdienen zwar super, aber jammern kann man immer.

Auch so kann ein Mediacenter aussehen. In Peking.

 

2 Kommentare
  1. Karl Vögeli
    Karl Vögeli sagte:

    Mit dem ersten Teil des Kommentars von Jürg Streuli bin ich einverstanden. Was allerdings Trump und Corona mit der Mediensituation in der Schweiz zu tun haben, verstehe ich nicht. Hier wird einfach alles zusammengepanscht und umgerührt, dann kann man seine eigenen Vorurteile ohne Nachdenken behalten. Man macht. nun die «Grossen» verantwortlich – sie sind es teilweise auch. Aber auch kleine Verlage und Lokalradios profitieren von der neuen Gesetzgebung. Differenzieren wäre nötig und haben früher die Journalisten auch gelernt. Bitte erinnert Euch daran: Schlagworte bringen nichts, Argumente sind nötig!

    Antworten
  2. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Man wähnt sich in einem Mafia-Film. Die Clans der Medien-Paten leben mit ihren Milliarden in Saus und Braus. Doch verlangen diese unersättlichen Zyniker nach mehr. Dies sollte die unappetitliche Verfilzung mit der Politik schaffen. Das ist einfach nur widerlich. Hinzu kommt der miserable journalistische Leistungsausweis von Ringier über Tamedia bis zur SRG. Zunächst jahrelanges Kotzen über Donald Trump und seit März 2020 die tägliche Corona-Panikmache, um das Wohlgefallen der Politik zu erlangen. Damit als Gegenleistung die gewünschte Kohle eingefahren werden kann. Zum Glück wurde das Referendum ergriffen.

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert