Ex-Press XLVIII: Titel

Blasen aus dem Mediensumpf. Heute das, was oben drüber steht.

Früher, ja früher war Titelsetzung eine Kunst für sich. Da wurde geschwitzt, geschraubt, gekünstelt, gescherzt und geliefert. Heute muss der Autor alles selber machen. Das merkt man. Ein Marsch durchs Titeltal der Qual.

Wir beginnen mit einem dunklen Titel, dessen Aussage sich dem Leser nur schwer erschliesst, obwohl  nau.ch doch Kurzfutter bieten will:

Abstimmung über oder Wahl von. Oder halt beides.

Sauer macht lustig.

Wir gehen in den Wilden Osten, zum St. Galler «Tagblatt». Wie bei allen Kopfblättern im Reiche CH Media darf der Chefredaktor eigentlich nix mehr. Ausser kommentieren. Das tut er dann auch fleissig. Eine verfängliche Lage ist bitter, da muss gehandelt werden. Rätselauflösungen bitte an ZACKBUM.

Bitter, verfänglich, aber es muss.

Auch die vereinte Kopfblattsauce aus Aarau lässt in verschiedener Hinsicht einiges zu wünschen übrig. Dativ ist inzwischen etwas für Könner, denn er geht den Weg des Genitivs … Am Aussterben, und wenn er schon mal angewendet werden muss, dann geht’s bei CH Media in die Hose.

Dem Vize eilt ein was voraus?

Der «Blick» hingegen weiss, was Zahlen wollen. Was sie brauchen, wie sie sich wohlfühlen, worunter sie leiden.

 

Oder brauchen nationale Massnahmen steigende Corona-Zahlen?

Regenrohr, sinnloser Strich, hochgestellt und drangeklebt. Der Logo-Unfall.

Die Dame unter dem Logo tut etwas Sinnvolles. Sie übersetzt eine Ansprache in Taubstummensprache. Aber was tut dieses völlig verunglückte Logo obendrüber? Man muss doch loslassen können, auch wenn’s schweineteuer war.

Auch die NZZ betreibt Titelsetzung nicht mehr als höhere Kunst. Aber immerhin wird der Begriff «blutter Oberschenkel» weiträumig umfahren.

Rocklänge als Konjunkturbarometer. Der Yeti der Wirtschaftsberichterstattung.

Überbordende Metaphern gefährden meistens die Sinnhaftigkeit eines Titels.

Wankende Riesen, Leuchttürme und Lokomotiven belasten die Aussage.

In erkenntnistheoretische Höhen begibt sich für einmal der «Tages-Anzeiger». Wie sehr wünschte man sich, dass der Titel eine selbsterfüllende Prophezeiung wäre. Denn wenn man schon nicht aufhören soll, wenn es am schönsten ist, was die Autorin als «schlechtes Rezept» paraphrasiert, womit sie wohl eigentlich Ratschlag meint: Wie wär’s mit Aufhören, wenn’s am schlimmsten ist?

Wohin besteht philosophisch gesehen der Unterschied zwischen Rezept und Rat?

Zugegeben, das zum Abschluss ist kein Titel, aber ein Foto, das durchaus eine Erklärung verdient hätte, was Tamedia leider unterlässt. Das Setting, wie man so schön sagt, ist klar. Links, das ist unser Aussenminister. Um ihn herum ist der absolut geschmacklose Prunk der Villa von Prinz Mansour bin Nasser bin Abdulaziz al-Saud. Rechts sitzt der Prinz mehr schlecht als recht auf seinem Stuhl. Aber: man beachte das, was unten unter dem Rock herauslugt.

Hatte der Prinz nur eine Socke zur Hand?

Oder plagen ihn Schweissfüsse? Gar die Gicht?

Verbittet er sich hier gerade einen lockeren Scherz von Cassis zu seinem Schuhwerk?

 

 

3 Kommentare
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Pascal Blum im Tages-Anzeiger.
    Hauptitel:Ist ein Opfer, wer am Black Friday einkauft?
    Im Lead schon die Antwort: Nein. Denn unsere Fantasien enden bei den Rabattaktionen.

    Das ganze Geschwurbel als Essay . Hilfe holt sich Blum beim «Guardian», er kann englisch, den britischen Kulturwissenschafter Mark Fisher RIP, den Theoretiker Herbert Marcuse, den Schweizer Historiker Philipp Sarasin, Gelernt hat er wenig, der Schlussatz in seinem Elaborat: «Wer bis dahin beim Black Friday zugreift, ist kein Opfer, sondern lebt einfach in der Vorstellungswelt, die wir alle teilen». Marcuse würde Blum vierteln wenn er diesen Satz lesen müsste in einem Artikel der sich in Teilen HM bedient.

    Schluss des Artikels, die übliche Lobpreisung des Autors:
    Pascal Blum hat Soziologie und Geschichte studiert und ist seit 2014 Kulturredaktor. Er hat ein Buchkapitel über Heidi im Film geschrieben.
    Er gehört zu den vielen Tausenden die Soziologie, Wegelagererwissenschaft, «studiert» haben aber nicht alles verstanden. Beispielsweise dass es nicht «die Vorstellungswelt» gibt, sondern Mia von Vorstellungswelten!

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  2. Franco Zeller
    Franco Zeller sagte:

    Geschmack ist Geschmackssache. Also ich hätte nichts gegen etwas von dem «absolut geschmacklosen Prunk» in meinem Hause, aber eben, ich bin kein Prinz sondern nur ein bescheidener (Ausland-)Schweizer.

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