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Wenn das Neue uralt ist: «Interview by Ringier», die Greisengeburt.

Andy Warhol war ein genialer Selbstvermarkter. Davon zeugt auch die 1969 von ihm gegründete Zeitschrift «Interview». Damals ein Wurf, die Urzelle aller Zeitgeist- und Lifestyle-Magazine.

Die heutige Version des Geniestreichs von Warhol vor mehr als 50 Jahren.

Inzwischen eher ermattet gibt es das Blatt noch heute, in einer Schrumpfauflage von knapp 40’000 verkauften Exemplaren. Es gibt auch zum Beispiel «The Talks», rein virtuell gemacht.

Eine Interview-Plattform unter vielen im angelsächsischen Raum.

Die Idee, Interviews und nichts als Interviews zu bringen, ist uralt. Das ist natürlich noch kein Grund, sie nicht zu kopieren. Man wird dann sehen, ob «Interview by Ringier» allfällige Namensklagen abwehren kann.

Leichtes Gedrängel in der IGE-Datenbank, die geistiges Eigentum verwaltet und schützt.

Mehr als die üblichen Vorschusslorbeeren

«Dieses neue Magazin ist eine Herzensangelegenheit von Verleger Michael Ringier, Ringier CEO Marc Walder und mir»,

sagt Alexander Theobald, CEO Ringier Axel Springer Schweiz AG. Bei Herzensangelegenheiten ist es immer so eine Sache; ein weiches Herz kann leicht zu einer weichen Birne führen, wie man weiss.

Das erste Cover mit unserem Lieblings-Balljungen.

Absolut eine Herzensangelegenheit ist es mal für Marc Walder. Denn Susanne Walder – Qualifikation: unbekannt – ist neben dem alten Kämpfer Werner de Schepper die Chefin des Blatts. De Schepper wurde dafür extra von der serbelnden «Schweizer Illustrierte» abgezogen.

Links verhaltenes, rechts breites Lächeln.

Nun also der Wurf mitsamt allen Geburtswehen, die Schlimmes ahnen lassen. «Print only, 148 Seiten für die besten Köpfe der Schweiz». Auflage satte 130’000 Exemplare, die den Abonnenten von «Bilanz» und «SI» zugehalten werden – oder für 12 Franken am Kiosk erworben werden können.

Die beiden Magazine verfügen über insgesamt 94’500 Abonnenten, laut WEMF. Also träumt Ringier davon, 35’500 Exemplare am Kiosk abzusetzen. Oder wie das Susanne Walder formuliert: «In einer Zeit, in der Social Media viel Raum einnimmt, und die Digitalisierung alles beschleunigt, dürfte dieses Bekenntnis zu Print & Tiefe seinen Platz finden.»

Was können wir erwarten?

ZACKBUM ist immer und prinzipiell begeistert, wenn in diesen elenden Zeiten des Sparjournalismus ein neues Produkt auf den Markt geworfen wird. ZACKBUM gesteht, dass ihm kein Vorabexemplar zugehalten wurde, die Meinungsbildung also alleine aufgrund der Medienmitteilung und des bereits bekannten Inhalts erfolgt.

Allerdings wird es ZACKBUM eher schummrig dadurch.

«Das Heftkonzept und die hochstehende künstlerische Gestaltung von «Interview by Ringier» stammen vom international bekannten Kreativdirektor Beda Achermann, der exklusiv für «Interview by Ringier» das Design und die Fotosprache entwickelt und seine Kontakte zu den Weltbesten in Kunst und Fotografie in die Realisation dieses Heftes eingebracht hat.»

Achermann ist zweifellos ein begabter Altmeister des Magazindesigns und wir halten grösste Stücke auf ihn. Allerdings: billig liegt ihm nicht so. Und den «Weltbesten» in Kunst und Fotografie auch nicht. Eine Annie Leibovitz zum Beispiel muss man sich leisten können, das kann nicht jeder.

Teuer, teurer, am teuersten: Interview mit Maja Hoffmann.

Dass Achermann seinem alten Hang zu Handschrift-Typo und -Titel nachlebt, nun gut, die Räder sind hier bereits mehrfach erfunden worden. Aber das sind ja sozusagen die Formalien, wie steht es denn um den Inhalt?

Welche Talking Heads werden denn dem staunenden Publikum vorgeführt?

Peter Sloterdijk ist bekanntlich in der Lage, aus dem Stand tief Philosophisches zu eigentlich jedem Thema zu sagen. Frank A. Meyer ist bekanntlich immer auf der Suche nach einer hochstehenden Plattform, die dann in den Orkus fährt. Wie «Die Woche», wie «Cicero». Denn «Kolumnist SonntagsBlick», das entspricht schon nicht seinem Selbstverständnis.

Kann man so machen, muss man nicht so machen.

Unser Kulturminister Alain Berset, der Musik bekanntlich besonders zugetan, führt ein Gespräch mit Stephan Eicher, «exklusiv für «Interview by Ringier»». Interessant, wofür unser Gesundheitsminister Zeit findet während der Corona-Pandemie. Es dürfte wohl auch eine Premiere sein, dass ein amtierender Bundesrat sich als Mitarbeiter eines Magazins verdingt.

Links breites Lächeln, rechts auch: Feier zur Lancierung.

Nomen est omen:

«Ein anderes Highlight ist die Begegnung von Verleger und Kunstsammler Michael Ringier mit dem Künstler Urs Fischer in dessen Atelier in New York, fotografiert von Roe Etheridge.»

Immerhin, zwei von drei Namen sind richtig geschrieben, und wer kennt denn auch Roe Ethridge. Allerdings wollen wir von ZACKBUM uns bei korrekter Schreibung von Namen nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

Nur die hellsten Köpfe der Schweiz

Auf dem Cover schliesslich prangt unser aller Roger Federer, sicher auch einer der hellsten Köpfe der Schweiz, dessen Ansichten mindestens so interessant sind wie die von Martina Hingis. Aber die war schon vergeben.

 

Die Bälle sind hell, der Kopf auch?

Sobald der Inhalt dem Pleps zugänglich ist, werden wir uns gerne nochmals drüberbeugen – in der wildentschlossenen Hoffnung, dass all diese Warnsignale sich in Wohlgefallen auflösen werden. Denn es sei dem Ringier-Verlag, also dem Schweizer Kleinpartner des grossen Axel Springer Verlags, gegönnt, endlich einmal, zum ersten Mal überhaupt, ein hochklassiges Produkt nicht nur auf den Markt zu werfen, sondern nicht gleich dem frühen Kindstod beiwohnen zu müssen.

Wie heisst’s doch so richtig: die Hoffnung stirbt zuletzt.

Vielleicht ist es uns noch vergönnt zu erfahren, was diese beiden sprechenden Pudel als Icon im Logo der neu-alten Zeitschrift bedeuten sollen:

Pudelwohl? Des Pudels Kern? Pudeltanz?

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