Bankergequatsche

Was die Qualitätsmedien kritiklos publizieren und die Credit Suisse rausbläst.

Dieser Rückgriff in dunkle Zeiten muss sein. Es war ein genialer Propagandakniff, dass der deutsche Landser im Zweiten Weltkrieg in den Nazi-Wochenschauen immer von links nach rechts durchs Bild marschierte. Immer.

Daher konnte der Zuschauer nicht beurteilen, ob es vorwärts oder rückwärts ging. Ob triumphal erobert oder kläglich zurückgezogen wurde. Nach dem grossartigen Slogan: «Vorwärts, wir ziehen uns zurück».

Allerdings merkte selbst der blödeste Reichsbürger, dass die grossartigen Erfolge und vernichtenden Abwehrschlachten sich immer mehr den Reichsgrenzen näherten. Die der Feind aber nie überschreiten werde. Bis er es dann doch tat.

Leider liegt diese Analogie – natürlich nur in Bezug auf die Propaganda – mit den jüngsten Ankündigungen der Credit Suisse auf der Hand. Die «Financial Times» hat im Zusammenhang mit der Riesenschweinerei Milliardenkredit an Mosambik die Untaten der letzten zehn Jahre grafisch aufbereitet. Entlang des sich im stetigen Niedergang befindlichen Aktienkurses. Der niemals unter 10 Franken fallen werde, bis er es dann doch tat.

Die Rohner-Strecke der CS.

Und jedes Mal, wenn er auch nur kurz die Schwelle von einstellig zu zweistellig überspringt, gibt’s Jubelchöre zu hören. Die sollen das Heulen und Zähneklappern der Aktionäre übertönen, die in den letzten zehn  Jahren Milliardenverluste ans Bein streichen mussten.

Ausser, sie gehörten zu erlesenen Kreis arabischer Investoren, die das Geld von der CS geliehen bekamen, das sie in die Bank investierten, und bis zu 9,5 Prozent Zinsen obendrauf. Aber dafür konnte die CS damals verkünden, dass sie im Gegensatz zur UBS keine Staatshilfe brauche.

Also war vor zehn Jahren die Ausgangslage doch besser für die eine der beiden Schweizer Grossbanken. Too big to fail, also mit Staatsgarantie, langer Tradition (Alfred Escher, you know) und dem Wort Suisse im Namen, immer noch mit Strahlkraft (Matterhorn, you know).

Nun aber klare Signale – oder nicht

Aber in Wirklichkeit taumelt die Bank von einer Peinlichkeit zur nächsten, ist so ziemlich an allen internationalen Skandalen beteiligt, schafft es sogar, im Doppelpack Milliardenverluste zu kassieren. Ist zum Schnäppchen geworden, das nur deswegen nicht aus der Portokasse aufgekauft wird, weil alle potenziellen Käufer Schiss haben, welche Leichen im Keller sie einkaufen würden.

Also höchste Zeit für klare Signale, einen «Big Bank», wie Lukas Hässig auf «Inside Paradeplatz» kalauert. Schliesslich ist doch mal wieder ein neues Dreamteam angetreten, auch wenn das nicht wirklich so wirkt.

Zwei strahlende Siegertypen: Thomas Gottstein (l.) und António Horta-Osório.

Nein, die beiden sehen nur so aus, als könnten sie sich nicht ausstehen und wären schwer angegurkt von ihrer Aufgabe. Der Schweizer CEO hat den letzten Milliardenflop überstanden und ist bereit für neue. Der neue VR-Präsident hat vom Vorgänger die weisse Weste geerbt und wurde als Sanierer, Ruderrumwerfer, neue Kraft mit Vorschusslorbeeren überschüttet.

Nun brütet man heutzutage, das ist ja nicht schlecht, ein Weilchen darüber, wie man neue Akzente setzt, das Steuer rumreisst, die Bank aus den Sandbänken der ständigen Bussen und Verluste befreit, wieder Wind in die Segel des verunglückten Banklogos pustet. Zum Beispiel, indem man sich vom Investment-Banking trennt, das seit dem Ankauf von Donaldson, Lufkin & Jenrette (DLJ) unter dem Allfinanz-Versager Lukas Mühlemann für garantierte Verluste und Probleme sorgt. 20 Milliarden kostete damals der Ankauf der US-Investmentbude, als die Schnarchschweizer meinten, da ginge die Post ab und sich von aalglatt dampfschwätzenden Amis über den Tisch ziehen liessen.

First Boston, second flop, last survival.

Die 20 Milliarden lösten sich in Luft auf. Allerdings nicht ganz, ein guter Happen Goodwill wurde in den Büchern mitgeschleppt und konnte bis heute nicht abgeschrieben werden; die Zahlen sahen meistens auch ohne sehr trübe aus.

Aber nun, aber jetzt, nach mehrmonatigem Brüten, jetzt kommt die neue Strategie, der Ansatz, the winner, das Ergebnis scharfen Nachdenkens, von bis zur Kernschmelze getriebenen Computern, unter Verwewndung von Formeln und Algorithmen, die sich dreimal um den Paradeplatz schlängeln, so lang sind die.

Frischer Wind in die Segel der Bank der Seefahrernation Schweiz?

Was verkündet die Schweizer Wirtschaftspresse mit offenem Mund? Auch wenn’s weckert, das muss in (fast) vollständiger Länge zitiert werden:

Hier sprechen die Chefs 

Verwaltungsratspräsident António Horta-Osório: «In den vergangenen Monaten haben der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung gemeinsam unermüdlich an der Gestaltung der neuen Strategie gearbeitet, die uns künftig als Kompass dienen wird. Die heute bekannt gegebenen Massnahmen bilden den Rahmen für eine deutlich stärkere, kundenorientiertere Bank mit führenden Geschäftsbereichen und regionalen Angeboten. Das Risikomanagement, das alle unsere Handlungen prägt und stets von grösster Wichtigkeit ist, wird zur Förderung einer Unternehmenskultur beitragen, welche die Bedeutung von Rechenschaftspflicht und Verantwortung weiter stärkt.» Daher «ist die Credit Suisse gut positioniert, um auf den Stärken ihrer hervorragenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ihrer Geschäftsbereiche aufzubauen.»

Nein, nicht um Gnade winseln, das war erst die Hälfte:

Gruppen CEO Thomas Gottstein: «Dank dieser strategischen Überprüfung haben wir eine klare und überzeugende Stossrichtung festgelegt, die auf bestehenden Stärken aufbaut und das Wachstum in wesentlichen strategischen Geschäftsbereichen beschleunigt. Wir werden zu einer effizienteren Bank mit voraussichtlich geringerer Volatilität der Erträge und einer verstärkten Ausrichtung auf die Märkte, in denen wir tätig sind. Wir wollen unsere Position als einer der führenden Anbieter in der Vermögensverwaltung weiter ausbauen und werden verstärkt in Bereiche investieren, in denen wir über Wettbewerbsvorteile verfügen: in unserer fokussierteren und weniger kapitalintensiven Investment Bank, in unserer führenden, kundenorientierten Swiss Bank sowie in unserem Asset Management mit Mehrfachspezialisierung.»

Das ist Banglish. das ist die ausführliche Fassung von: «Vorwärts, wir ziehen uns zurück.» Denn nun müssen wieder viele, viele neue Organigramme gepinselt werden, Schnittstellen, Raportwege, Rhomben und Quadrate, kreuzende Linien und überspringende Linien. The Works, wie der Banker sagt.

Dieses Dampfgeplauder muss jedem CS-Mitarbeiter echt Schiss machen. Von Kunden und Aktionären ganz zu schweigen. Denn wenn man die heisse Luft aus den Ballons lässt, bleibt – nichts. Nichts Neues. Das ist so, wie wenn man einen Rosthaufen mit defektem Motor, platten Reifen und knirschendem Getriebe mit Wasserfarbe abduscht und sagt: et voilà, wie neu. Läuft wieder spitze, bald kommt noch ein Elektromotor rein.

Was ist betrüblicher? Solches Dampfplaudern oder seine weitgehend kritiklose Abbildung in den Medien? Schwer zu sagen. Immerhin gibt es eine einzige Ausnahme. Hässig titelt frech: «Das Ende der Credit Suisse».

1 Antwort
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Der Bundesrat sollte offiziell erklären dass er die CS nicht mehr für «too big to fail» hält. Seit Mühlemann, McKinsey-Mann, Abzocke und Skandale. Dass die CS noch heute für das DLJ Desaster abstottern muss ist nur noch peinlich. Die einzigen die seit Jahren von der CS profitieren sind die Scheichs und McKinsey.

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