Wenn ein Fussballtrainer zum Virologen wird

Jürgen Klopp, Trainer des FC Liverpool, weiss, wie der Ball rollt. Da ist er Experte. Bis vor Kurzem hielt er sich bewusst aus allem andern raus. Jetzt nicht mehr – und nun stürzen sich alle auf ihn als «Fachmann».

Von Stefan Millius

Jürgen Klopp ist Kult. Nicht nur, weil er es nachweislich versteht, eine Fussballmannschaft auf Erfolg zu trimmen. Die Medien und das Publikum lieben ihn vor allem, weil er so herzlich unkonventionell ist. Seine Medienkonferenzen sind immer ein Ereignis, er liefert stets druckreife Schlagzeilen. Was danach passiert, scheint ihn nicht zu kümmern, um seine Aussenwirkung macht er sich keine Sorgen. Er ist, wie er ist, er ist authentisch, und das macht ihn zur Marke.

Früher hat er geschwiegen

Logisch, dass so jemand früher oder später auch gefragt wird, was er zu Corona zu sagen hat – in der Hoffnung auf markige Aussagen. Das mochte der Erfolgstrainer aber nicht tun. Sinngemäss gab er im März dieses Jahres zu Protokoll, wie peinlich er es findet, dass jeder, der in ganz anderem Zusammenhang prominent ist, nun auch noch seine Meinung zu einer wissenschaftlichen Frage abgibt.

Das war einmal. Inzwischen ist Klopp übergetreten. In die Liga der Leute, die sich bedenkenlos äussern zu Fragen, von denen sie keinen blassen Schimmer haben. Er tat das wie immer in einem ganz simplen Bild, einfach eben so, dass es auch die Leute verstehen, mit denen er es den ganzen Tag zu tun hat: Fussballern.

Klopps Aussage in Kürze: Ungeimpfte seien wie alkoholisierte Autofahrer, befand er. Sie gefährden andere Verkehrsteilnehmer, nur weil sie finden, sie könnten tun, was sie wollten. Wer sich impfen lässt, ist also ein nüchterner Lenker.

«Genialer Appell»

Die Analogie ist denkbar schief, wenn man bedenkt, dass auch geimpfte Leute das Virus einfangen, daran erkranken und es weitergeben können. Es ist auch kaum statthaft, den Verzicht auf eine freiwillige Impfung zu vergleichen mit einer Sauftour vor der Autofahrt.

Aber Klopp ist nicht irgendwer. Wenn er das verkündet, hat es Potenzial zur Weiterverbreitung. Der «Blick» kürte seine Aussage umgehend zum «genialen Appell an alle Impfspektiker». Wenige Tage danach zitierten sogar Experten des Bundesamts für Gesundheit den Liverpool-Trainer bei ihrer neuesten Informationsrunde.

Aber zur Erinnerung. Derselbe Jürgen Klopp befand noch vor einem halben Jahr auf eine entsprechende Journalistenfrage, er sei kaum die Instanz, die sich zu diesem Thema äussern könnte. Mehr noch, es nervte ihn, dass es jemand überhaupt versuchte. Er wollte partout nichts sagen dazu.

Klopp vorher – und nachher.

Was gab den Ausschlag für die Meinungsänderung? Warum befand Klopp aus dem Nichts heraus, er müsse nun doch noch seine Einschätzung zur Coronalage zum Besten geben? In den sozialen Medien gibt es viele Beobachter, die davon ausgehen, Klopp leiste damit gewissermassen Vorarbeit. Er wolle dereinst Trainer der deutschen Fussballnationalmannschaft werden, und da schade es nichts, wenn man sich gut stellt mit dem Establishment. Und das ruft aktuell nach impffreundlichen Voten.

Was Klopp tut, ist das eine. Er ist ja ohnehin eine Wunderkiste. Die andere Frage ist: Warum wird seine Aussage zu einer Frage, bei der weder ein Ball noch verschwitzte, hochgradig tätowierte und abenteuerlich frisierte junge Männer eine Rolle spielen, derart hoch gewertet? Weshalb macht man ihn kurzerhand zum «Genie» in einer virologischen Frage? Warum sind massnahmenkritische Wissenschaftler mit internationalem Leistungsausweis nicht der Rede wert, aber ein Fussballtrainer, der einen untauglichen Vergleich macht, wird zum Genie hochgejubelt?

Vermutlich einfach, weil es zum Konzept passt.

3 Kommentare
  1. Christoph Meier
    Christoph Meier sagte:

    Einfach ein ganz gemeiner und kommuner Propagandist. Wie einer, der volltrunken die Freiheit und deren Freunde überfährt (die Freundinnen der Freiheit erst recht).

    Antworten
  2. Eveline Maier
    Eveline Maier sagte:

    Die obenstehende Headline suggeriert etwas, das gar nicht ist. Ein Virologe ist Klopp bestimmt nicht; ein Fussballtrainer aber schon. Er weiss dies ganz bestimmt selber.

    Er hat den missbrauchten Freiheitsbegriff mit einem exemplarischen Beispiel zu deuten versucht. Denke, er hat damit etliche Mitbürgerinnen und Mitbürger nachdenklich gestimmt.

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu Tim Meier Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert