Schellen und Treicheln

Ein schöner Brauch auf Abwegen. Meint Tamedia zumindest.

Eigentlich muss man nur ein wenig ins Bildarchiv steigen, dann wird alles klar:

Ueli Maurer und der Gottseibeiuns aus Herrliberg.

Ist zwar ein rundes Dutzend Jahre her, aber man hätte es ahnen können: diese beiden Herren wollen harmlose Kuhglocken für üble politische Zwecke missbrauchen.

Es gibt ja noch ein weiteres Beweisfoto:

Christoph Blocher als Treichler.

Auch da konnte man schon ahnen, dass bei der Ablehnung des EWR-Beitritts 1992 die Glocken des Grauens nicht ihren letzten Auftritt hatten.

Wie aus dem Nichts sind nun die «Freiheitstrychler» aufgetaucht und bereiten vielen Journalisten Unbehagen. Auch solche, die mit dem schönen Brauch eigentlich nichts am Hut haben.

Die Welt der Treichler ist natürlich eine eigene, da muss man sich erst mal einlesen. «Die flachen Gotthard- und Prageltreicheln tönen anders als die bauchigen Froschmaultreicheln». Heisst es auf Wikipedia. Leider fielen die letzten «Eidgenössischen Scheller- und Trychlertreffen» der Pandemie zum Opfer.

Kleiner geht’s nicht: Landspalter Tamedia.

Nun konzentrieren sich die Hoffnungen der rund 3800 Treichler in der Schweiz auf Menzingen im Kanton Zug und das Jahr 2023. Hier amtet Stefan Keiser, und der Präsident der örtlichen Trychler habe «mit Freunden diskutiert, wie man damit umgehen soll, dass Freiheitstrychler das Image des Brauchtums zu schädigen drohen», wissen die Brauchtumsspezialisten David Sarasin und Andreas Tobler.

Expedition ins Geläut

Sie durften offenbar ihre Verrichtungsboxen im Newsroom kurz verlassen und berichten daher: «Stefan Keiser trägt seine beiden Treicheln auf einen der vielen Hügel von Menzingen. Hier oben kann man den Blick schweifen lassen. Keiser stellt die Glocken ins Gras

Jetzt kommt sicher was Weltbewegendes. Nun ja: Er zeige ins Tal hinunter, ««dort unten kommen in zwei Jahren die ganzen Trychler zusammen», sagt er.

Und alle sollen daran teilnehmen können, «auch die Freiheitstrychler», sagt Keiser.»

Ist natürlich blöd, dass er so versöhnlich spricht, wo doch «der Graben in der Trychlerszene derzeit auch durch die einzelnen Vereine» gehe, wissen die Autoren. Es herrschen Angst und Bangen unter den tapferen Mannen: «Es wäre «sozialer Selbstmord», wenn er sich in der aktuellen Situation öffentlich äussern würde, sagt ein Trychler-Präsident, der angesichts der hitzigen Diskussionen lieber anonym bleiben will.»

Ach, immer diese anonymen Quellen, als sei’s ein Stück der «Republik». Selbst ein angefragter «Freiheitstrychler» wolle «anonym» bleiben, bevor er sich zum gewagten Statement aufrafft: «Für ihn ist das Engagement der Trychlergruppen an den Demonstrationen der Massnahmenkritiker selbstverständlich. «Das Treicheln an Anlässen gehörte immer schon zu unserer Tradition», sagt er.»

Anonyme Quellen und gegenseitiges Abschreiben

Das mag ja so sein, aber neben dem Zitieren von anonymen Quellen betreiben die Tamedia-Journalisten auch noch die zweite moderne Lieblingsbeschäftigung: abschreiben. «Inzwischen gibt es Hinweise, dass zumindest einzelne Freiheitstrychler eine Nähe zu den extremen Rechten haben. So soll der Betreiber der Freiheitstrychler-Website eine Zeit lang auch eine rechtsextreme Seite gehostet haben, wie der «Sonntags-Blick» in seiner jüngsten Ausgabe schreibt.»

Durch Abschreiben eines Gerüchts zur Wahrheit veredelt; wie betreichelt ist das denn?

Es gab Zeiten, da wäre ein Journalist für so einen Satz zurechtgewiesen worden. Vielleicht hätte man sogar ein paar aus Blech gehämmerte Treicheln zum Einsatz gebracht. Oder gar Glocken. So eine schöne Treichel mit allem Drum und Dran kostet gerne mal 2000 Franken, das ist doch im Gegensatz zu den Gehältern einiger Tamedia-Journi gut angelegtes Geld.

Die Polizei sagt dies, «Megafon» sagt das

Nachdem die einen nicht vorhandenen Graben in der Trychler-Szene herbeigeschrieben haben, zeigen sie abschliessend noch, wie man objektiv mit Informationen umgeht, was Gewaltanwendung bei der Demo in Bern betrifft:

«Auch die Polizei spricht gegenüber der «SonntagsZeitung» von «gezielten Provokationen» auf der Seite der Gegendemonstrationen. Auf Twitter wird dies unter anderem vom «Megafon», der Zeitschrift der Berner Reitschule, angezweifelt und bestritten: Von Agents Provocateurs könne keine Rede sein.»

Leider gibt es keine empirischen Untersuchungen, welche Auswirkungen das Geläut einer Treichel auf die Gehirntätigkeit von Kühen hat. Bei Journalisten müssen wir aber bedenkliche Phänomene konstatieren.

Zum Beispiel eine glockenförmige Verengung des Gesichtsfelds. Denn, was den beiden Recherchier-Genies völlig entgeht, nicht nur die «Freiheitstrychler» spalten die Kuhglocke.

Karl «Kari» Mächler von den «Helvetia Trychler».

Fernsehen bildet. Das trifft hier für einmal zu. Denn auch das Schweizer Farbfernsehen widmet sich dem Phänomen, dass politisch und aufmüpfig getreichelt wird. Mächler kann sogar stolz behaupten, dass er bereits 1992 an der Seite von Blocher die Treicheln geschwenkt hat. Damals gab es die «Freiheitstrychler» noch gar nicht. Sarasin und Tobler als Journalisten auch nicht. Das waren noch Zeiten.

 

4 Kommentare
  1. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    «Megafon» als verlässliche Quelle erinnert an die «Antifa Zeckenbiss» mit ihrer behaupteten Hetze auf Ausländer in Chemnitz.
    Vielleicht wäre es besser, über den Schellenursli und den Glöckner von Notre-Dame zu schreiben. Hat auch was mit Schellen und Glocken zu tun.

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    • Sam Thaier
      Sam Thaier sagte:

      „Megafon“ wird bestimmt noch von der Stadt Bern finanziell unterstützt.

      Niemand zeichnet als Verantwortliche dort. Schreiben vielsagend: „Das megafon sind wir: Ein Kollektiv aus 18 Menschen, mal mehr, mal weniger“.

      Geheime Kontaktaufnahme dort mit folgenden Parametern:

      Kontakt: megafon (at) reitschule.ch
      GPG-verschlüsselt: megafon (at) immerda.ch (Key)
      Fingerprint: F59F 146D 26F8 73F3 EAE5 CABC 58A0 FDEC EB7C CAE8

      https://www.megafon.ch/

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      • Rolf Karrer
        Rolf Karrer sagte:

        Niemand in Person ist bei Megafon verantwortlich für den Inhalt dieser Plattform. Die Verschlüsselung zeigt doch nur, dass diese Megafon-Leute etwas zu verbergen haben. Ähnlich wie in Deutschland, wo die ultralinke Plattform Indymedia nach den linken Krawallen in Hamburg im Jahre 2017 verboten wurde, sollte die Stadt Bern dieser Organisation innerhalb der Reithalle endlich strenge Auflagen der Transparenz machen.

        Sollte sich die Stadt Bern nicht gewachsen fühlen dafür, so müsste das FEDPOL das Zepter übernehmen.

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