So viel Licht, so wenig Schatten

Der grosse Schauspieler Jean-Paul Belmondo ist tot. Ach, Bébel.

Er spielte auch, das muss gesagt werden, richtig blöde Blödelrollen. Aber was kann man einem Schauspieler nicht verzeihen, der aus einem so hässlichen Gesicht mit einer vom Boxen verunstalteten Nase so ein Lächeln aufblitzen lassen konnte?

Jean-Paul Belmondo (1933 – 2021)  spielte den jugendliche Filou, den Kleinkriminellen in «À bout de souffle», das stilprägend für die ganze «Nouvelle Vague» war. Er spielte an der Seite von Lino Ventura in «Classe tous risques», einem der dunkelsten Serie-Noir-Filme Frankreichs. Er spielte auch unter der Regie von Jean-Pierre MelvilleDer eiskalte Engel»), dem Grossmeister des existenzialistischen Kriminalfilms. Der war über Bébel begeistert: «Der kann alles.»

«Borsalino», der Ausstattungsfilm über das Gangstermilieu in Marseille an der Seite von Alain Delon, ein Traumpaar des Films war geboren. «Stavisky» über den gleichnamigen Betrüger, «Angst über der Stadt», Belmondo etablierte sich als Charakter- und als Action-Schauspieler auf anspruchsvollem Niveau.

Als man ihn im Kino nicht mehr so wirklich wollte, kehrte er zu seiner ewigen Liebe zurück: dem Theater. Dafür kaufte er sich sogar 1992 das Théatre des Varietés in Paris. «Un homme et son chien» war 2008 sein Abschied vom Kino. 2001 hatte er einen Schlaganfall erlitten, von dem er sich mit grosser Energie und Disziplin erholte und allen nochmals beweisen wollte, welch ein gigantischer Schauspieler er eigentlich war.

Seine Rollen als Kraftprotz, sein sehr französisches Beziehungsleben standen vielleicht im Wege, damit er als das respektiert wurde, was er eigentlich war: neben Lino Ventura und Alain Delon der wohl grösste Schauspieler seiner Generation. Er war kein Naturtalent, sondern erarbeitete sich seine Fähigkeiten:

«Schauspielen muss man lernen», meinte er. «Es ist nicht allzu schwer, aber man muss es lernen.»

Was man nicht lernen kann, ist in diese Klasse von Schauspielergesichtern zu gehören, die eine Grossaufnahme vertragen und dominieren. Wie alle wirklich Grossen hatte es Belmondo nicht nötig, seine Rollen zu überspielen. Zumindest in seinen vielen guten Filmen. In seinen vielen schlechten war er sich aber nicht zu schade, bis zum Slapstick zu sinken.

Aber wie er in «Stavisky» den ganzen Film trägt, aus diesem durchtriebenen Betrüger eine sympathische, fast tragische Gestalt macht, wie er in seinen Kriminalfilmen den abgebrühten Gangster, aber mit Herz gibt, wie er zusammen mit Alain Delon in «Borsalino» einen Kultfilm prägt, wie er bei Melville durch zart angedeutete Gefühle komplettere Rollen abliefert als Delon, der in «Le Samuraï» zwar das wohl kälteste Porträt eines Gangsters spielte, das aber nur regungs- und gefühlslos, das war schon grosse Schauspielkunst von Belmondo.

Daher kam es auch nur zu zwei gemeinsamen Auftritten der beiden Stars; da sich Delon nie in drittklassigen Rollen verausgabt hatte, war sein Ruf zwar grösser, aber Belmondo dominierte in «Borsalino» sicherlich bis zur Eifersucht seines Kollegen den Film.

20 Jahre nach einem Schlaganfall sind eine lange Zeit, in der Belmondo wie in einem langen Fade-out am Schluss eines grossartigen Films aus dem Leben verschwand. Aber dennoch in so vielen guten und erinnerungswerten Rollen erhalten bleibt. Mit einem Lächeln, das einen ganzen, dunklen Kinosaal erhellen konnte. Kann.

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