45 Nieten

Wenn CH Media 50 Intellektuelle sucht, als wären es Ostereier.

Listicals, Rankings, die 50 dümmsten Ausreden, die 30 schönsten Ferienfotos, die 20 hässlichsten Hunde – im Elendsjournalismus ist eine Reihenfolge von irgendwas immer ein Spaltenfüller.

Nun hat sich CH Media an ein ganz grosses Thema gewagt: die 50 wichtigsten Intellektuellen der Schweiz. Suchten sie nach Geistegrössen im Sinne von Karl Mannheim oder mehr in Richtung von Antonio Gramsci? Hä? Ach, lassen wir das, wahrscheinlich zu intellektuell.

Intellektuell ist ja auch nur so ein Adjektiv. Hä? Eine Zuschreibung. Aber ein Ranking braucht natürlich eine Methode. Bitte sehr:

«Mit einer grossen Datenanalyse haben wir die wichtigsten Denkerinnen und Denker des Landes gesucht. Schriftstellerinnen und Künstler, die sich in die politische Debatte einmischen.»

Hä?

CH Media: Brille kaputt?

Leider ging dieser grossen Analyse keine kleine Definition der Begrifflichkeiten voraus. Sind nun Intellektuelle gesucht, Denker oder Meinungsführer in der öffentlichen Debatte? Ach, das ist irgendwie auch zu verkopft, sagen wir mal so: CH Media habe den «Intellektuelle-Index entwickelt. Er fusst auf einer wissenschaftlichen Datenanalyse im Web und einem Jury-Urteil der Kulturredaktion».

Worauf wiederum die «wissenschaftliche Datenanalyse» fusst – oder gar das «Urteil der Kulturredaktion», auch da sollte man nicht zu tief grübeln. Wir sind nun natürlich alle gespannt, wer denn die drei wichtigsten Intellektuellen der Schweiz sind, wer die ersten drei Plätze belegt.

Trommelwirbel, wer ist auf den Podestplätzen?

Der Enthüllung möchten wir noch einen kleinen, wissenschaftlichen, intellektuellen Intelligenztest vorausschicken: Welches Geschlecht hat der wichtigste Intellektuelle der Schweiz? Na? Kann doch nicht so schwer sein. Nein, non-binär oder divers könnte es sein, ist es aber nicht.

Wir verabschieden uns hier von allen Lesern, die nicht «weiblich» gesagt haben; sorry, zu tiefes intellektuelles Niveau zum Weiterlesen.

Für die wenigen anderen: Trommelwirbel, die wichtigste Intellektuelle der Schweiz ist – Sibylle Berg. Nun sagen Sie ja nicht: Sibylle wer? DIE Kolumnistin auf «Spiegel online». Ausserdem: «Auf Wikipedia wird ihr Eintrag am häufigsten aufgerufen und ist am besten mit anderen relevanten Einträgen verlinkt. Ausserdem gehört sie zu den meistgesuchten Intellektuellen auf Google und den meistzitierten in den traditionellen Medien.»

Geben Sie zu: wären Sie nie drauf gekommen. ZACKBUM auch nicht. Wir sind einfach zu blöd für so Sachen. Geistiges Hochreck, ganz dünne Luft, grosse Köpfe, tiefes Grübeln, nix für Normalos. Zudem wurde Sibylle Berg hier noch nie zitiert, wahrscheinlich deshalb sind wir kein «traditionelles Medium».

Nur für Hirnis am Hochreck geeignet.

Aber wir wollen noch die nächsten zwei Plätze verraten. Da kommen nun, keine Überraschung, zwei Männer. Auf Platz vier, Ladies first, steht dann schon Hazel Brugger, die man ja nicht mehr als Comedian missverstehen sollte. Auf Platz sechs Regula Stämpfli, eigentlich «Blick»-Kolumnistin und sich nie für ein Holzhammer-Argument zu schade. Aber nun eine ganz wichtige Meinungsmacherin.

Platz zwei: Milo Rau. Jetzt sagen Sie vielleicht schon zum zweiten Mal: Milo wer? Also bitte: «Dass er sich neben seinem Aktivismus auch als Kolumnist für Zeitungen und Literaturkritiker im Schweizer Fernsehen zu Wort meldet, macht ihn zu einem der sichtbarsten Intellektuellen der mittleren Generation.»

Zum sichtbarsten unsichtbaren Intellektuellen, wollen wir hinzufügen. Und bitten um Einsendungen, wann um Himmels willen Rau mal etwas Intelleles gesagt hat.

Auf Platz drei hätte jeder kommen können

Platz drei, da hätte man nun wirklich drauf kommen können, ist der Sprachwürger, Geröllspucker, Dumm-Provokateur und Büchnerpreisträger Lukas Bärfuss. Gut, eigentlich sollte jeder Intellektuelle, der Wert auf seinen Ruf legt, die sofortige Streichung aus dieser Muppetshow verlangen. Noch ein paar Müsterchen: Mario Botta. Ein Intellektueller, doch kein Architekt? Sophie Hunger. Singt intellektuelles Zeugs? Und nichts gegen Blödelbarden, aber Peach Weber, echt jetzt? Zora del Buono, Manuel Stahlberger; who the f… ist denn das?

ZACKBUM empfiehlt der Kulturredaktion von CH Media dringend, sich bei «watson» ein Beispiel zu nehmen, wie man harmlose Listicals bastelt. «Nach diesen 11 besten Filmreden wird es dir besser gehen», «Kennst du die 50 wertvollsten Firmen der Welt?», «Nachhaltig leben mit Kindern, geht das? 6 Punkte im Check». Oder, unser Geheimfavorit:

«Mit diesen Hausmitteln ist dein WC schwupdiwup sauber.»

Das ist Nutzwert, das ist Unterhaltung, das hat Niveau, da spielen die Journalisten in ihrer Liga, wagen sich nicht in die Todeszone ganz oben – mit dünner Luft und ohne Sauerstoffflasche.

Bis da nicht Remedur geschaffen wird, die «Kulturredaktion» sich öffentlich entschuldigt, führt sie unsere Liste der peinlichsten Denker und Denkerinnen des Landes an. Falls es auch noch Transgender, divers oder non-Binäre darunter haben sollte, fühlen die sich bitte inkludiert. Zudem gratulieren wir: so zeigt man, dass man die totale Resilienz gegen jeden ernsthaften Gedankengang erreicht hat.

Damit verabschieden wir uns bis auf Weiteres von dieser «Kulturredaktion», sie hat den Bereich des Ernstzunehmenden, Seriösen, Relevanten, Intellektuellen verlassen – mit unbekanntem Ziel.

5 Kommentare
  1. Bubi Peking
    Bubi Peking sagte:

    ….schmerzlich vermisst auf der Liste habe ich auch Franka Meyer, die Ringiertante vom Dienst. Hat nichts verstanden, doch zu allem eine Meinung.

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  2. Beth Sager
    Beth Sager sagte:

    Verdammt nochmals……jetzt haben die dreisten Datenfriseusen die Laura de Weck vergessen.

    Diese Liste scheint eine Parodie zu sein; eine komisch-spöttische Parodie.

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    • Rolf Karrer
      Rolf Karrer sagte:

      Die Laura de Weck bekommt dannzumal für ihre szenischen Kolumnen einen Ehrenpreis für ihr Lebenswerk.

      Unglaublich, wie sich die Kunstschaffenden mangels Resonanz und Klasse gegenseitig feiern müssen. CH Media bietet dafür die Plattform dazu.

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  3. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    Unter «grosser Datenanalyse» wird sicher Data-Mining verstanden. Damit sollen die goldenen Nuggets im riesigen Datenhaufen gefunden werden. Ein Ranking basierend auf der Anzahl Links scheint doch etwas banal zu sein. Aus den goldenen Nuggets wurden Chicken-Nuggets. Aussen irgendwie knusprig und der Inhalt, nun ja, irgendwas ist drin.

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