Plofessolales oder joulnalistisches Velsagen?

Auch die NZZ pflegt den modernen Recherchierjournalismus. Anfüttern lassen, draufhauen.

Die HSG hat ziemlich Pech mit ihrem Personal. Bis in die Führungsebene hinein sind die Professoren nicht gerade Lichtgestalten. Nebenjobs, Verwicklungen, Versagen. Alleine ein Johannes Rüegg-Stürm reicht aus, um das Image nachhaltig zu beschädigen.

Wohlbezahlter Vollversager als VR-Präsident bei Raiffeisen, wo er alle schummrigen Spesenabrechnungen von Pierin Vincenz durchwinkte – und gleichzeitig Direktor des HSG-Instituts für «Public Governance». Als VR-Präsident trat er mitten in der Krise zackig zurück, an seiner Professur hält er eisern fest.

Illustrierte Wirklichkeit in der NZZ. Bloss: reine Fiktion.

Nun noch das: «So weit reicht Chinas Einfluss auf Schweizer Hochschulen», titelt die NZZ ein Gewaltsstück mit republikanisch langen 20’000 Anschlägen. Die Story: ein Doktorand der HSG twittert Kritisches über die chinesische Regierung, daraufhin wird er um Ruhe gebeten – schliesslich als Doktorand rausgepfeffert.

In üblicher Manier aufbereitet und aufgepumpt

Toller Skandal, oder wie sich die NZZ mit einem szenischen Einstieg versucht: Als das Opfer vernimmt, «dass seine Tweets ihn seinen künftigen Doktortitel kosten könnten, sitzt er in seinem alten Kinderzimmer».

Er solle seine politische Ausdrucksweise auf den Social Media sofort mässigen, habe ihm seine HSG-Professorin geschrieben. Dabei hat der Student doch bloss getwittert:

«So handeln paranoide Feiglinge. Sie haben weder meinen Respekt noch meine Dankbarkeit verdient. #ChinaLiedPeopleDied»».

Wie auch immer, als ihn auch seine chinesische Freundin darum bittet, sich zu mässigen, zitiert die NZZ seine Reaktion: «Ich bin in der Schweiz, nicht in China», antwortet er. «Hier kann ich sagen, was ich will.»

Oder nicht? Nun, die NZZ weiss: «Die HSG hat fünfzehn Abkommen und damit fast doppelt so viele wie die ETH. An der HSG gibt es zudem seit acht Jahren ein «China Competence Center», dessen Ziel es ist, die «produktiven Beziehungen zu China zu stärken und zu vertiefen».»

Aha.

Dem Opfer wird dann noch sein HSG-Mail-Account gesperrt, die Professorin und die Uni will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er ist exmatrikuliert und wird auch nicht mehr an der HSG immatrikuliert, seine Doktorarbeit ist für die Katz, «es fühlte sich an, als sei ich über Nacht eliminiert worden», jammert das Opfer.

Eine fabelhafte Geschichte. Aber eine Fabel

Das ist eine fabelhafte Geschichte. Das ist eine Fabel, keine Geschichte. Denn eigentlich stimmt daran – nichts. Ausser, dass sie sich schon vor anderthalb Jahren zutrug und das Opfer sich erst lange danach entschloss, via NZZ Rache zu nehmen.

Natürlich rudert die übrige Medienmeute gleich hinterher:

«20 Minuten» im Streubereich der Wahrheit.

Die Fakten sind folgende. Das Opfer begann tatsächlich eine Doktorarbeit an der HSG. Gleichzeitig bekam es aber auch ein Dreijahresstipendium an einer chinesischen Uni.  Ausgerechnet in Wuhan. Es fliegt dorthin, verliebt sich und schreibt an seiner Doktorarbeit. Nebenbei reicht es ein Essay über chinesische Umerziehungslager ein – und wundert sich, dass es dafür die schlechteste Note bekommt.

Nun kann man nicht gleichzeitig an zwei Unis doktorieren, bzw. das wäre ein ziemlich komplizierter Prozess. Zudem gibt es an der HSG ein Zeitlimit für das Einreichen einer Dissertation. Also wird dem Opfer geraten, sich in St. Gallen zu exmatrikulieren – in erster Linie, damit diese Zeitlimite aufgehoben wird. Eine spätere Wiederimmatrikulierung sei möglich, wird dem Opfer bedeutet.

Wenn es keine Beziehung gibt, kann die auch nicht beendet werden …

Wohlgemerkt besteht also seit 2018 keinerlei offizielle Beziehung mehr zwischen dem Opfer und der HSG. Trotzdem wird aus Goodwill das Betreuungsverhältnis fortgesetzt und der Dokorand kann auch seinen E-Mail-Account an der Uni behalten.

Aber in der NZZ darf er der Uni vorwerfen, «dass sie ihn wegen seiner kritischen Tweets hinausgeworfen hat». Nicht mal Konjunktiv im Qualitätsblatt. Es behauptet zudem: «Der NZZ liegen Kopien dieser Tweets sowie Gerbers* Korrespondenz mit der Professorin und anderen HSG-Vertretern vor. Sie stützen weitgehend die Position des ehemaligen Doktoranden.» (*Pseudonym in der NZZ.)

Es darf noch einen draufsetzen:

««Ich kann nicht fassen, dass so etwas in der Schweiz passiert ist.» Sein dreijähriger Forschungsaufwand: zerstört wegen eines Tweets.»

Ist das so? Ist eine Schweizer Uni in vorauseilendem Gehorsam eingeknickt, schmeisst einen Doktoranden raus, bloss weil der sich in ein paar Tweets kritisch über die chinesische Regierung geäussert hat?

Ein Doktorand und sein Verhältnis zur Realität

So mag das der Doktorand sich schönreden, nur: ein exmatrikulierter Student kann nicht hinausgeschmissen werden. Er kann auch nicht doktorieren. Sein Problem ist nicht die HSG, sondern die Pandemie, wegen der er nach einem nur als Kurzurlaub geplanten Besuch in der Schweiz an Weihnachten 2019 nicht mehr nach Wuhan zurückkehren konnte. Deshalb hängt seine dortige Dissertation in der Luft, deshalb wollte er sich dann wieder zur HSG zurückorientieren.

Die müsste ihn dafür aber wieder immatrikulieren, wovon sie allerdings Abstand nimmt. Dumm gelaufen. Die Rückkehr an die HSG hat sich der Doktorand spätestens mit diesem Artikel in der NZZ endgültig verbaut. Das ist seine Entscheidung.

Wieso allerdings die NZZ auch damit anfängt, sich anfüttern zu lassen, Gegenmeinungen nur kursorisch und pro forma einzuholen – und auch wider besseres Wissen am Narrativ des Doktoranden festhält – das bleibt das süsse Geheimnis der Redaktion des Weltblatts.

Immer wiederAnlass zur Warnung: die gelbe Gefahr …

Der Prorektor der HSG darf zwar richtigstellen, dass es sich um einen anderen Tweet des Doktoranden gehandelt habe, der eindeutig als «rassistisch wahrgenommen wurde». Im Übrigen sei die Betreuung rein freiwillig erfolgt und «es sei «gutes Recht» der Professorin, diese jederzeit zu beenden, wenn das Vertrauensverhältnis gestört sei. Weiter habe Gerber kein vollständiges Gesuch zur erneuten Immatrikulation gestellt, sondern versucht, seine Reimmatrikulation zu erzwingen».

Aber macht ja nix, wieso soll man sich davon den schönen Titel über einen angeblichen chinesischen Einfluss auf Schweizer Hochschulen kaputt machen lassen. Der mag ja existieren. Aber dieses Beispiel zeichnet sich nur durch eines aus: seine Untauglichkeit.

 

 

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