Zigeuner! Zigeunerschnitzel, Gefahr!

Wie sagt man richtig? Wenn das so einfach wäre. Nicht nur beim Gendern.

Selbst die Verwendung des Wortes «Fräulein» für eine Servicekraft, eine Servierende, eine Serviceangestellte gibt nicht so viel Ärger wie eine Bezeichnung für, nun ja, in der Schweiz lebende Menschen mit speziellem Migrationshintergrund und -wunsch.

Es geht um das Z-Wort. Also um das Wort an sich und um seine Ableitungen und Verwendungen. Jedes Mal, wenn darüber debattiert wird, findet sich mindestens einer, der sich diskriminiert und verletzt sieht:

Der «Comedian» Gianni Jovanovic, aus einer Roma-Familie stammend, macht auf seine persönliche und die Betroffenheit einer ganzen Ethnie aufmerksam: diese Sendung sei «einfach traumatisierend für die Menschen dieser Gruppe der Sinti und Roma und auch für mich persönlich sehr verletzend gewesen».

Z*** unterwegs.

Der WDR hatte es gewagt, ein paar alte, weisse Männer darüber sinnieren zu lassen, wie sie denn eigentlich mit der sprachlichen Korrektheit umgehen, welche Begriffe rassistisch sind und welche nicht. Das sorgte für grosses Hallo und gewaltige Aufregung natürlich auch im Blatt der korrekten Lebensart, dem «Tages-Anzeiger».

Glücklicherweise legen sich solche Aufregungen so schnell, wie sie sich aufblasen. Besonders putzig war es hier,  dass die Oberaufgeregten es im Beschwerdeartikel nicht einmal übers Herz brachten, dieses Unwort selbst in Zitaten auszuschreiben.

Das sah dann so aus: «bei Z******-Schnitzel habe ich doch nicht an Diskriminierung gedacht», zitieren sie entrüstet einen damaligen Talkshow-Teilnehmer. Aber der Mensch ist eben widersprüchlich, das gilt auch für die Autorin Aleksandra Hiltmann. Hier konnte sie das Z-Wort nicht einmal dem Leser zumuten, allerdings hatte sie ein paar Monate zuvor den Grossneffen des Gitarristen Django Reinhard interviewt. Und machte dessen Aussage – Achtung, empfindsame Gemüter müssen nun ganz tapfer sein – sogar zum Titel des Interviews:

«Zigeuner ist die richtige Bezeichnung für mich.»

«Ich führte ein Zigeunerleben», sagt Johnny Depp ohne rot zu werden.

Aber nun kommt es gleich knüppeldick. Denn Fahrende, Jenische, Sinti und Roma laden ein. Zu den, nochmal ist Tapferkeit gefordert, «Zigeunerkulturtagen». Schlimmer noch, die Veranstalter behaupten: «Es ist sehr schwierig, eine einfache, nicht-rassistische und nicht-aussschliessende Bezeichnung für diese verschiedenen Völkergruppen zu benützen. Die mitorganisierenden Jenischen und auch manche Roma und Sinti verwenden den Begriff «Zigeuner» durchaus mit Stolz und positivem Selbstverständnis.»

Hinzu kommt noch der Begriff «Fahrende», der auch so oder so gesehen werden kann: «Diese Diskussion wird zusätzlich erschwert, wenn von Fahrenden und Sesshaften gesprochen wird, weil die Mehrheit der Roma und Jenischen sesshaft ist und – gleichzeitig – die Nicht-Zigeuner als «Sesshafte» bezeichnet werden. Trotzdem spielt das «Fahren», (eine traditionelle, aber auch heute noch praktizierte mobile Lebensweise), immer noch eine wichtige Rolle im Selbstverständnis.»

Hingehen, statt drüber reden.

Organisiert wird der Event in Zusammenarbeit mit der Genossenschaft Fahrendes Zigeuner-Kulturzentrum. 1985 gegründet, «macht sie sich stark sowohl für die Lebensweise der Fahrenden als auch für die Anerkennung von Jenischen, Sinti und Roma in der Schweiz».

Gibt es Vorurteile gegen Zigeuner? Natürlich, so wie gegen Schwarze, Juden, Ausländer, Frauen, Kleinwüchsige, Bartträger oder weisse, alte Männer. Wie begegnet man denen am besten? Wenn man wie Hiltmann vom Redaktionspult aus abledert? Sich dabei in Widersprüche verwickelt und das Thema theoretisch abhandelt? Das ist die Methode Tagi. Einfallslos, wirkungslos, eher schädlich denn nützlich.

Scherenschleifen. Vorurteil oder Realität?

ZACKBUM empfiehlt hingegen: wenn’s die Zigeuner selbst sagen, darf man zu Zigeunern auch Zigeuner sagen. Wem’s beliebt, der darf auch Jenische, Sinti, Roma verwenden. Aber bitte jeweils für die richtigen Vertreter, denn ein Sinti findet es nicht so lustig, als Jenischer bezeichnet zu werden. Ist etwa so schlimm, wie zu einem Zürcher du Basler zu sagen. Oder umgekehrt.

Wichtiger als diese Wortklaubereien im Völlegefühl der politischen Korrektheit ist aber etwas ganz anderes. Wer sich wirklich für das Thema interessiert, sollte nächste Woche diese «Zigeunerkulturtage» besuchen. Könnte helfen, und ist erst noch gratis. Hiltmann, wir erwarten Ihren Bericht.

2 Kommentare
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Sonntagszeitung, 8. August 2021, Füllerbeitrag von AH, «Plötzlich Tante».
    «Die Autorin ist gern mit ihrem kleinen Neffen unterwegs. Gleichzeitig überfordert sie das regelmässig. Vor allem auf dem Spielplatz, musste Aleksandra Hiltmann erfahren».

    Tatsächlich, Hiltmann ist regelmässig überfordert, nicht nur auf dem Spielplatz. Sie ist überfordert, wenn sie über Reisegepäck schreibt und ihr Ego in den Vordergrund stellt, aber nicht realisiert dass sie Millionen von Reisenden verhöhnt, (witzig im Brief der Nesthäkchengruppe fordert sie mehr Respekt). Wenn sie über Zigeuner schreibt möchte sie denen noch vorschreiben wie die sich bezeichnen dürfen. In ihrer kranken Denkweise ist Zigeuner nicht gut. Sie beweist sie dass sie von den Menschen wenig Ahnung, sich nicht wirklich für sie interessiert, ausser sie muss termingerecht Füller liefern.

    «Für mich aber gilt: Zeig mir dein Bündeli, und ich sag dir, wer du bist. Und seien wir doch alle mehr wie schön geschnürte Bündeli zueinander».
    Aleksandra Hiltmann über Altkarton als Spiegel unserer Gesellschaft. Vermutlich wollte Hiltmann da witzig sein. Wollte sie bei den Zigeuner auch witzig sein?

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