Bern bewegt sich
Tamedia baut ab, das Projekt «Neuer Berner Journalismus» kommt auf Touren.
Es war schon lange klar: wenn Tamedia darauf besteht, dass keine Zusammenlegung von «Bund» und «Berner Zeitung» geplant sei, dann wird nur noch an den letzten Details davon gefeilt. Im Herbst 2020 war es dann so weit; Fusion, Abbau, Blabla. Das Übliche halt.
Dagegen formierte sich Widerstand – mit Berner Geschwindigkeit. Vor wenigen Tagen gab es den ersten Newsletter eines Projekts, über das schon länger nachgedacht wird:
««Neuer Berner Journalismus» ist so weit fortgeschritten und erhält so viel Zuspruch, dass wir alles daran setzen, als Start-up wirklich an den Start zu gehen.»
Womit? Mit «einem Beitrag zur Medienvielfalt in Bern», sagt Jürg Steiner, Mitglied im Gründer- und Organisationskomitee. Der altgediente Journalist wird von Marina Bolzli, Joël Widmer und Jessica King im Bemühen unterstützt, gegen den Tamedia-Einheitsbrei ein Gegenmittel zu entwickeln.
Die Ambitionen sind hochgesteckt, das Ziel immerhin klar definiert: «Ein neues unabhängiges Online-Medium. Von Bern für Bern. Engagiert. Professionell. Gemeinnützig.»
Eine ausgeprägte Kopfgeburt
Unterwegs dorthin hat man sich einiges auf die Schultern geladen: Man will «lokal, transparent, empathisch, gemeinnützig, divers, kooperativ, konstruktiv, experimentell» und erst noch «bodenständig» sein.
Eine Gruppe von rund 15 Leuten arbeite an der Konkretisierung, sagt Steiner. Sehr konkret kann er aber nicht werden; ausser, dass es ein Online-Medium mit einem «kuratierten NL» werden will und sich demnächst in die Phase des Crowdfundings stürzt, vermag er sich nicht wirklich festlegen. Zahlen, Bezahler, genaue Finanzierungsmodelle, Marketing, USP, Zielpublikum, Finanzflussplanung?
Schweben im Ungefähren
Da zeigt er eine sympathische Unentschiedenheit. Lokaljournalismus soll’s werden, das ist immerhin eine klare Aussage im Berner Allerlei. Etwas konkreter wird’s im ersten NL des NBJ: «Eben haben wir unsere Projektwebsite aktualisiert. Und ab sofort bereiten wir uns darauf vor, im Herbst dieses Jahres mit einem Crowdfunding die wichtigste Frage für ein neues Medium zu beantworten: Gibt es genügend Menschen in Bern, die unsere Arbeit so wichtig und richtig finden, dass sie uns unterstützen werden?»
Jürg Steiner, Mitinitiator des Projekts NBJ.
Richtig starten soll das Medium im ersten Quartal 2022, verrät Steiner noch. Vielleicht liegt es an der eher vagen Anmutung, dass sich die Medienresonanz in einem überschaubaren Rahmen hielt, bislang.
Wer da Zürcher Geschwindigkeit vermisst, dem kann NJB immerhin entgegenhalten, dass es auch eine andere Berner Erfolgsstory gibt, die sogar beeindruckend nach Zürich expandierte. Es ist richtig, dass sich tatsächlich auch Zürcher ohne Murren in die Warteschlangen einreihen, die es auszuhalten gilt, wenn man schliesslich an eine Glace der Gelateria di Berna gelangen will.
Nun schmelzen aber News (und neue Projekte) so schnell wie Glace an der Sonne. Daher ist zu hoffen, dass die 15 Köpfe eher schnell als langsam mit klaren Konturen, Inhalten und Strukturen an die Öffentlichkeit treten. Denn bei aller Sympathie einem Projekt gegenüber, das eine Alternative zum Elendsjournalismus aus dem Hause Tamedia bieten will, und das immerhin in der Bundeshauptstadt: damit das Crowdfunding ein Erfolg wird, muss der Zahlungswillige schon etwas mehr wissen, worin er sein Geld verlochen soll.
Lokaljournalismus kann ein Erfolgsmodell sein
Der Charme des Amateurhaften bringt sicherlich Pluspunkte, über die Ziellinie trägt er allerdings nicht. Dabei wäre es so dringlich geboten, dass das Erfolgsmodell «Die Ostschweiz» auch westlich von Zürich eine Ergänzung findet. Denn Lokaljournalismus als Basis, das ist eine der wenigen Chancen auf Erfolg.
Denn die beiden Konzerne, die sich in einem Duopol beinahe alle früheren kantonal oder lokal tätigen Medien unter den Nagel gerissen haben, behaupten nur noch, Lokaljournalismus zu betreiben. Hier hat sich eine Lücke aufgetan, wo eindeutig Nachfrage vorhanden ist.
Also viel Glück beim langsamen Verfestigen der Ideen. Aber bitte, gebt Gas, sonst wird das nix.
Engagiert. Professionell. Gemeinnützig.
Fehlen einzig Mäzene wie sie Bajour und die Republik vorweisen können. Im Kanton BE gibt’s ja einige Medtech- Milliardäre. Worauf warten?
Die Krux ist dann immer dieselbe: ohne wirtschaftlichen Druck ziehen die altbekannten Selbstverwirklicher in die Redaktionsstuben ein.
Crowdfunding, man wird also zum «Verleger». Auf den Punkt gebracht und zusammengefasst. Man wird «Republik», einfach in Bern statt Zürich.
Positiv, man finanziert mit seinen Devotionalien garantiert keine üppige Verlegervilla im Seefeld.
Oje. Die Berner. Bei dem Tempo wird das nichts. Gäng e chli lamaaschig.