Es darf gelacht werden: schallend
Eine Sumpfblütenlese der besonderen Art. Ausgewählte Knaller in jeder Niedrigschreibklasse.
Zugegeben, damit setzen wir ein Niveau, das anspruchsvoll tief ist. Aber es ist halt unser Liebling dieses verregneten Sommers:
Der Ruf der Natur …
Zugegeben. selten so gerührt gewesen, seit wir das Lied «Mein Freund, der Baum ist tot» von Alexandra gehört haben, und das war immerhin schon 1968. Das wäre wohl nicht geschehen, wenn schon damals diese Hammeridee von Markus Schärli in der «Republik» zum Tragen gekommen wäre:
«Ein Fluss, der mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet wird, kann seine Interessen vertreten und dazu sämtliche rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, die der Staat mit seiner Rechtsordnung zur Verfügung stellt.»
Nun stehen uns zweifellos Primaten näher als Flüsse, da sind wir aber auch schon ein paar Schritte weiter, zumindest in Argentinien:
«Richterin María Alejandra Mauricio entschied 2016, dass die Schimpansin keine Sache sei, die der Zoo besitzen könne, sondern ein Rechtssubjekt mit eigenen Ansprüchen an ein artgerechtes Leben. Cecilia ist kein Einzelfall. Dass nichtmenschliche Wesen als Teil unserer Gesellschaft über Grundrechte verfügen müssten, versucht die Initiative «Grundrechte für Primaten» im Kanton Basel-Stadt durchzusetzen.»
Wenn Tiere und Natur mehr Rechte hätten …
Leider kommen diese edlen Versuche für den Makaken Naruto zu spät:
Das war ein Selfie mit Folgen.
(Bildzitat mit Erlaubnis des Affen)
Der Tierfotograf David Slater hatte im indonesischen Dschungel seine Kamera so vorbereitet, dass Tiere sich damit knipsen konnten. Das hat ihn weitgehend ruiniert. Denn zunächst wurde sein Copyright an diesem Schnappschuss nicht anerkannt und das Bild millionenfach verbreitet. Damit nicht genug des Ungemachs. Die US-Tierschutzorganisation PETA klagte im Namen des Affen darauf, dass ihm selbst allfällige Einnahmen zustehen würden.
Zermürbt durch die Gerichtskosten hatte sich der Affe, Pardon, der Fotograf, bereits auf einen Deal mit den Tierschützern eingelassen und ihnen zugesagt, 25 Prozent allfälliger Einnahmen dem Affen zu spenden, bzw. für äffische Angelegenheiten. Die zogen daraufhin ihre Klage zurück. Aber ein Berufungsgericht entschied rechtsgültig, dass dieser Vergleich unzulässig sei.
Das Urheberrecht wurde endgültig dem Fotografen zugesprochen. Zum einen, weil der Affe keine Rechts- und Prozessfähigkeit besitzt. Zum zweiten, weil PETA nur aus Eigeninteresse und nicht für den Affen gehandelt habe. Und zum dritten, weil der schöpferische Akt vom Fotografen stammt, der überhaupt die Voraussetzungen dafür schuf, dass sich der Affe fotografieren konnte.
Aber ein Essay von sagenhaften 20’000 Anschlägen darüber, ohne dass erkennbar wäre, dass sich der Autor über das Thema oder die Leser lustig machen wollte. Man kann es nur hoffen.
Unbedachte Folgewirkungen
Eines der vielen Probleme, die sich mit der Forderung nach Rechtspersönlichkeit für Natur und Tiere stellt: wer weiss denn wirklich, was der Fluss will? Oder das Schwein? Will der Fluss überschwemmen? Empfände er es als Eingriff in seine persönliche Freiheit, gestaut, gebändigt, kanalisiert zu werden? Was sagt das Schwein dazu, dass seine Koteletts geliebt werden? Werden Schlachthöfe als Orte eines schrecklichen Massenmords geschlossen und in Gedenkstätten verwandelt?
Wie sieht es mit den Rechten von Stechmücken, Lawinen oder Bergen aus, die vielleicht gar nicht bestiegen werden wollen? Wir sehen, da sind noch grosse Felder des Unwissens zu beackern. Apropos, will die Erde eigentlich beackert werden? Hat sie schon jemals einer um Erlaubnis gefragt? Ihre Antwort gehört?
Es geht auch mit anderem geliehenem Blödsinn
Knapp gefolgt wird das Naturrecht von einer zweiten «Republik»-Story. Gleich 28’000 Anschläge versammeln sich unter diesem knackigen Titel:
Angriffiger Titel, dummdreister Text.
Zunächst muss man hier der «Republik» als mildernden Umstand anrechnen, dass der Text eingekauft und übersetzt ist. Dazu sollte man vielleicht wissen, dass «Tribune» eine grosse Tradition als sozialistische Stimme gegen den aufkommenden Faschismus in Europa hatte. 1937 gegründet, versammelte sie Schreibgrössen wie George Orwell, Upton Sinclair, HG Wells, Doris Lessing oder George Bernard Shaw unter ihren Autoren. Long, long ago, dann wurde sie 2018 aus dem Grab gehoben und beschämt nun die ehemaligen Schreibkräfte, die sich nicht mehr dagegen wehren können.
Hier hat also ein Quinn Slobodian eine Kampfschrift veröffentlicht, mit der er die Wurzeln der populistischen Bewegungen im Neoliberalismus freilegen möchte. Den er wiederum mit den Schriften von Friedrich Hayek gleichsetzt. Dazu befähigt ihn seine Tätigkeit als Geschichtslehrer am Wellesley College in Massachusetts. Für läppische 50’000 Dollar Studiengebühren werden hier ausschliesslich Frauen unterrichtet.
Eine These, ein Gedanke, viele, viele Buchstaben
Slobodian möchte damit punkten, dass seiner Meinung nach populistische Parteien sich als Globalisierungsgegner verstehen, daher auch Globalisierungsverlierer um sich scharen und somit den Welthandelsideen des Neoliberalismus kritisch gegenüberstünden. Populisten setzen auf Nationalismus, auf einen Volksbegriff, unantastbare Souveränität, gemeinsame kulturelle Werte. Während die Wirtschaftseliten der neoliberalen Hayek-Weltordnung transnational, weder kulturell noch sonst wie heimatverbunden seien.
Aber:
«Wenn wir genauer hinschauen, sehen wir, dass wichtige Gruppierungen der neu entstehenden Rechten in Wirklichkeit Abwandlungen des Neoliberalismus sind.»
Damit ist seine Idee eigentlich schon auserzählt, das haben kurze Gedanken so an sich. Aber die Kunst eines guten Schreibers besteht natürlich darin, einen solchen Gedankenblitz in ein anhaltendes Gewitter mit Donner, Paukenschlägen und viel, viel Regentropfen zu verwandeln. Da trifft es sich gut, dass bei der «Republik» die Kenntnisse der Schriften von Friedrich Hayek sich höchstens auf den Titel seines Buchs «Der Weg zur Knechtschaft» beschränken, mit dem Hayek die zentrale Wirtschaftsplanung unter staatlicher Kontrolle als Ursprung von Tyrannei und Misswirtschaft sah, während Freiheit und Rechtsstaat nur in einer Markwirtschaft möglich seien.
Das sind natürlich ganz üble Gedanken für einen strammen «Republik»-Redaktor, der selbst in höchster Gefahr und Not und bei Androhung des kollektiven Selbstmords, sollten nicht mal wieder ein paar Millionen rumkommen, niemals auch nur auf einen Rappen seines üppigen Lohnes verzichtet hat. Dass sich sein Organ am Markt behaupten müsste, das ist für ihn sowohl neoliberal wie populistisch wie Hayek oder könnte gleich vom Gottseibeiuns Christoph Blocher stammen.
Der «Republik»-Redaktor ist der festen Überzeugung, dass er sein Unternehmertum (so die Selbstdefinition) nur mit Fixlohn leben kann, denn Unternehmerrisiko, das sei auch so ein ideologischer Kampfbegriff aus dem Arsenal der Rechtspopulisten.
Also darf sich hier der begabte Kleindenker Slobodian ein Weltbild zusammenzimmern, das ungefähr so sinnvoll ist, wie wenn man Adolf Hitler als verkappten Sozialisten bezeichnen würde, nur weil dessen Partei das Wort «sozialistisch» in ihrem Namen missbrauchte. Oder Hitler als Arbeiterführer zu charakterisieren, nur weil dieses Wort auch in NSDAP vorkommt.
Gegen diesen Ausflug ins Legoland des Zusammensteckens ideologischer Bausteine ohne Sinn und Verstand ist der Naturrechts-Artikel immerhin originell.
Letztlich widerspiegeln beide den Zustand einer Redaktion, die völlig aus dem Leim gegangen ist und sich zunehmend mit Beiträgen von Fremdautoren behilft. Wie diesen beiden hier. Denn 50 Nasen wäre es sonst nicht möglich, dem zahlenden Leser einen Output zu servieren, der nicht grösser ist als der einer gewissen One-man-Show.
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