Eine Meldung und ihre Geschichte
Es gibt Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Mosambik und der Schweiz. Ein Bindeglied heisst Credit Suisse.
Die wie immer sehr kompetente Qualitätspresse ist froh, dass es noch die Nachrichtenagentur SDA gibt. Die erspart eigene Bemühungen, dem Leser die Welt verständlicher zu machen.
«CS muss vor Gericht
Der Credit Suisse droht offenbar weiteres juristisches Ungemach. Wie die britische «Financial Times» (FT) am Dienstag schrieb, muss sich die Schweizer Grossbank wegen ihrer Rolle im 2-Milliarden-Dollar-Skandal um sogenannte Thunfischanleihen in Mosambik vor Gericht verantworten.
Der Richter am Londoner High Court, der einer Klage von Gläubigern gegen die Credit Suisse vorsteht, habe im vergangenen Monat einen Termin für eine 13-wöchige Verhandlung im September 2023 festgelegt, so die FT, die sich auf mit der Angelegenheit vertraute Personen bezieht.
Der Fall geht auf das Jahr 2013 zurück und ist ziemlich kompliziert. Im Prinzip geht es um Kredite in Höhe von über 2 Milliarden US-Dollar – unter anderem von der Credit Suisse – an den Staat Mosambik, die ohne Wissen des dortigen Parlaments und des Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgenommen wurden. (SDA)»
Alles klar, alles verstanden? Eigentlich nicht? Nun, warum sollten sich unsere kompetenten Wirtschaftsjournalisten, Journalistinnen sowie Journalist*Innen* um so einen Pipifax kümmern. Ist doch nur ein Land tief unten in Afrika, das unter freundlicher Beteiligung der Credit Suisse in eine Finanzklemme und dann in den Staatsbankrott geriet. Genauer: mal wieder hatten einige Mitarbeiter interne Kontrollen ausgetrickst und Dinge getan, die die CS natürlich nie tun würde.
Was kümmert eine solche Schweinerei die Klimajugend?
Dabei ist die Sache weder sonderlich kompliziert noch harrte sie der Aufarbeitung. Sie wurde bereits mehrfach in aller Ausführlichkeit untersucht. Es gibt einen von Schweden finanzierten Untersuchungsbericht der Firma Kroll und neuerdings einen von Norwegen bezahlten Studie über die Kostenfolgen dieses Skandals. Schliesslich gibt es Thomas Kesselring, der jahrelang an einer Uni in Mosambik unterrichtete und seit 2016 unermüdlich über diesen Skandal berichtet. Allerdings auf der gerade nicht zum Mainstream gehörenden Plattform «Infosperber».
Unermüdlich: Kesselring auf «Infosperber».
Wer also wollte, könnte mit wenigen Strichen den Umriss einer der grössten Schweinereien zeichnen, die sich in den letzten Jahren in Sachen Korruption und Leiden in Afrika abgespielt haben. Allerdings haben hier linke NGO eine gewisse Beisshemmung, die sonst immer schnell bei der Hand sind, Schweizer Banken an den Pranger zu stellen. So wie vor Kurzem auf dem Paradeplatz Zürich mit einem dümmlichen Happening. Von Mosambik war dabei allerdings nicht die Rede.
Denn hier herrscht seit der Unabhängigkeit von Portugal die ursprünglich linksrevolutionäre Frelimo. Der erste Präsident Samora Machel war noch ein charismatischer Führer; er kam unter ungeklärten Umständen 1986 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Seither ging’s mit Mosambik und der Frelimo steil bergab. Korruption bis in die höchsten Ämter hinein, Misswirtschaft, Staatsversagen, ein weiteres Trauerspiel.
Immer tiefer im Korruptions- und Kreditsumpf
Seit 2013 beschaffte sich Mosambik Kredite in Multimillionenhöhe, über deren Verwendung niemals Rechenschaft abgelegt wurde. Während das Land dem IMF gegenüber behauptete, keine weiteren Gelder geheim geliehen zu haben, kam heraus, dass dennoch über 2 Milliarden Dollar in fragwürdige Projekte per Kredit geflossen waren. Über eine Milliarde davon wurden von der Credit Suisse beschafft, die andere Hälfte von der russischen Bank VTB.
Als das im April 2016 bekannt wurde, sistierten der IMF und weitere Geberländer ihre Zahlungen an Mosambik, es folgte der Staatsbankrott. Die Aufarbeitung dieses Skandals beschäftigt seither die Gerichte in fünf verschiedenen Ländern. Mitarbeiter der CS haben sich in diesem Zusammenhang bereits für schuldig erklärt und wurden abgeurteilt, die Bank selbst bestreitet jegliche Verwicklung oder Verantwortung. Selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung.
Der neuste Bericht aus Norwegen zeigt exemplarisch auf, welche Folgekosten eine solche Kreditaufnahme, vorbei am Parlament und an allen Kontrollinstanzen, für ein armes Land haben kann. Kesselring fasst hier die Katastrophe zusammen:
«Bis Ende 2019 ist trotz bisher erfolgter Tilgungs- und Zinszahlungen von 674,2 Millionen Dollar eine Schuld von 2031 Millionen Dollar aufgelaufen. Dieser Betrag liegt höher als die Summe der Ausgaben in Höhe von 2007 Millionen.
Berechnet man die Zinsen bis zum vertraglich vorgesehenen letzten Rückzahlungsdatum im Jahr 2031 mit ein, so wird sich die Gesamtschuld auf 3‘930 Millionen Dollar summieren. Zusammen mit den erfolgten Tilgungszahlungen kommt man auf 4‘619 Millionen Dollar. Das ist mehr als das Doppelte der ursprünglichen Kreditsumme.»
Der norwegische Bericht kommt zum verheerenden Schluss:
«Zählt man die Direktzahlungen infolge der geheimen Kredite, die Kosten für die Bewältigung des Debakels und die verheerenden Auswirkungen auf die Wirtschaft zusammen, so haben die Mosambikaner zwischen 2016 und 2019 über 11 Milliarden US-Dollar oder 403 US-Dollar pro Kopf bezahlt. Weitere 4 Milliarden US-Dollar werden sie für den noch bevorstehenden Schuldendienst leisten müssen.»
Eine Schlussbemerkung in eigener Sache. Als die BaZ noch nicht zum Qualitätsverbund Tamedia gehörte, beziehungsweise als letztes Lebenszeichen der früheren Liberalität und Angriffigkeit, konnte ich noch im Januar 2019 einen Bericht veröffentlichen, der die Bank zur Weissgult brachte. Aber mehr als eine schlappe «Stellungnahme» schaffte sie nicht. Das wäre heute undenkbar. Denn ein solcher Artikel würde erst gar nicht publiziert werden; juristisches Risiko viel zu hoch.
Rabenschwarze Kritik: Brachte die Bank zur Weissglut.
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