Lachappelle und die Medienwüste
Er geht in die Wüste, die wüsten Medien bleiben. Eine Bilanz der Armseligkeit.
Am Freitag ergibt die Suche nach dem Stichwort Lachappelle 106 Treffer in der SMD. Ohne Duplikate schrumpft das auf 36 zusammen, und dahinter steht: es berichten Tamedia, CH Media, Ringier, NZZ und SRF. Plus ein paar kleine, versprengte Organe.
«Inside Paradeplatz», dann der Einheitsbrei …
Viele, darunter der «Blick», übernehmen einfach die SDA-Meldung; sicher ist sicher. Denn im Vorfeld des Rücktritts des VR-Präsidenten von Raiffeisen setzte er via Anwalt den Schutz seiner Privatsphäre unter Einsatz von superprovisorischen Verfügungen ernsthaft durch.
Die SDA-Meldung, zwei Fotos dazu, fertig ist der kostenpflichtige Inhalt.
Lediglich «Inside Paradeplatz» liess tapfer Berichte über die fatale Liebesaffaire von Lachappelle im Netz. Aber Ringier, die Ex-Geliebte und auch ZACKBUM durften sich zum Fall nicht mehr äussern. Bzw. dürfen rechtlich gesehen auch heute nicht das berichten, was Lachappelle inzwischen selbst eingeräumt hat.
Ein richtiges und vollständiges Desaster
Aber wichtiger ist das gesamte Schlamassel, das sich hier abgespielt hat. Es ist ein Controlling-Desaster bei Raiffeisen. Der Verwaltungsrat dürfte seit August letzten Jahres, als Lachappelle die Veröffentlichung einer Broschüre seiner Ex-Geliebten verbieten liess, über die Affäre informiert sein. Ebenso die staatliche Aufsichtsbehörde Finma. Erkennbare Reaktion? Null.
Spätestens seit dem Beschwerde-Artikel im «SonntagsBlick» von vorletztem Wochenende dürften überall die Alarmsirenen erschallt sein. Äusserlich erkennbare Reaktion? Null. Bei Raiffeisen übernimmt Pascal Gantenbein interimistisch die Führung. Darin hat er Erfahrung, auch nach dem abrupten Abgang des HSG-Professors Rüegg-Stürm (der hatte seinen Abgang mitten in einer Raiffeisen-Krisen-PK verkündet, wobei er den damaligen CEO Gisel mit offenem Mund zurückliess) war er schon mal zwischenzeitlich am Gerät.
Das ist Desaster Nummer eins; die drittgrösste Bank der Schweiz führt sich auf, als sei sie ein Tollhaus-KMU mit lauter Dilettanten am Gerät. Dabei haben diese Versager die Verantwortung für 11’000 Mitarbeiter und für die grösste Hypothekenbank der Schweiz.
Statt still und leise seinen Rücktritt verkünden zu lassen, mutete Lachappelle sich und allen anderen eine tränenerstickte Pressekonferenz zu, auf der er ausführlich sein Leid klagte und seine Sicht der Dinge darstellte – nachdem er das zuvor in jeder Form durch seinen Anwalt verhindern liess. Bei aller menschlichen Tragik: was für ein unheimlich schwacher Abgang. Das ist Desaster Nummer zwei.
Am schlimmsten geht’s aber bei den Medien zu und her
Das grösste Desaster ereignet sich aber medial. Die überlebenden Konzerne, die sich gerade wegen ihrer staatstragende Funktion eine Extra-Milliarde Staats-Subventionen erbettelten, werden immer häufiger zu willfährigen Helfershelfern für Rachefeldzüge. CH Media mit seiner Berichterstattung über einen Badener Stadtammann, dem es gefiel, Fotos seines Gemächts aus den Amtsräumen an seine Geliebte zu schicken. Die damit, nachdem er sie abserviert hatte, an die Öffentlichkeit ging.
Die gebrannten Kindersoldaten von Ringier (Borer-Affäre) wollten sich auch bei Lachappelle weit aus dem Fenster lehnen – und stellten sich dabei so tölpelhaft an, dass sie eine Superprovisorische einfingen. Auch beim Meckern darüber waren sie nicht viel geschickter; der Ringier-Verlag himself musste den «SonntagsBlick» in den Senkel und den Regen stellen. Bereits am Montag entschuldigte sich Ringier für einen am Sonntag erschienen Report über die angeblich fiesen Methoden des Raiffeisen-Bosses; gelöscht, sorry, tun wir nie wieder, ist das Abflussrohr hinuntergespült. Unheimlich motivierend für den SoBli.
Die NZZ hatte seriös die Hintergründe zum Überwachungsskandal bei der Credit Suisse recherchiert, natürlich auch aufgrund von zugesteckten Informationen aus dem Umfeld der Gegner des damaligen CS-CEO.
Schliesslich Tamedia, die Mutter aller angefütterten Organe. Ein Wiederholungstäter in jeder Form. Im Reigen der sogenannten Leaks und Papers – von unbekannter Hand gestohlene Datenbänke von vorher unbescholtenen Firmen auf der ganzen Welt – war Tamedia immer vorne dabei und beteiligte sich am Tanz um angebliche Abgründe, Hintergründe, Riesenschweinereien in der internationalen Finanzwelt. Insbesondere, was das skrupellose, verantwortungslose Verstecken von Vermögenswerten reicher Säcke betrifft. Nur: die gross angeprangerten Fälle mit Schweizer Bezug verröchelten jämmerlich. Der Ruf der Betroffenen war zwar – auch posthum – völlig ruiniert, aber was soll’s man hatte ja nur berichtet.
Eine jahrelange Verfolgung des gleichen Zielobjekts
Geradezu obsessiv muss man aber die Verfolgung einzelner Exponenten von Raiffeisen duirch den Oberchefredaktor Arthur Rutishauser nennen. Nachdem der Finanzblog «Inside Paradeplatz» zuerst – und längere Zeit alleine – über merkwürdige Geldtransfers von Pierin Vincenz berichtet hatte, übernahm dann Tamedia. In der sich über Jahre hinquälenden Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft veröffentlichte Rutishauser ein delikates und strikt vertrauliches Dokument nach dem anderen. Und hielt die Öffentlichkeit über die angeblich demnächst bevorstehende Anklageerhebung auf dem Laufenden.
Um als krönenden Höhepunkt aus der ihm offenbar vollständig vorliegenden, 368 Seiten umfassenden Anklageschrift die saftigsten Stellen über das angebliche Spesengebaren von Vincenz zu zitieren. Zuvor hatte er schon durch die Publikation einer Indiskretion aus dem Privatleben des damaligen CEO dafür gesorgt, dass der, als langjähriger Weggefährte von Vincenz offenbar störend, holterdipolter zurücktreten musste.
Bahn frei für Guy Lachappelle. Dass der zumindest am Rande noch mit der Altlast ASE-Skandal der Basler Kantonalbank verbunden war, was soll’s; niemand ist ganz ohne Fehl und Tadel. Aber, alte Weisheit auch in Hollywood-Schinken, wo Schatten ist, muss auch Licht sein, sonst wird’s zu trübe oder einfach eine Serie noir. Also wurde Lachappelle gelobt, der Aufräumer, energisch, plant die Zukunft, bringt wieder Zug in den Sauhaufen zu St. Gallen.
Nur leise wurde kritisch angemerkt, dass 900’000 Franken für einen Nebenjob schon ziemlich viel Geld ist. Sein Vorgänger, der gerade ins Zielfernrohr von Rutishauser gerückt war, musste sich noch mit etwas mehr als der Hälfte zufrieden geben. Der Oberchefredaktor, wie immer aus internen Unterlagen fröhlich zitierend, warf ihm schwere Versäumnisse vor. Die er mit dem Witzsatz abschloss, dass Rüegg-Stürm nicht Teil der Anklage in Sachen Vincenz sei und daher die Unschuldsvermutung für ihn gelte – wie übrigens für Vincenz auch. Ein echter Schenkelklopfer.
Steigerungen sind immer möglich
Aber die aktuelle Entwicklung schlägt alles Vorherige. Offensichtlich fütterte die rachsüchtige Ex-Geliebte diverse Medien mit dem Inhalt ihrer Strafanzeige gegen Lachappelle. Gegenstand ist ein Mail von ihm, in dem er ihr von seinem privaten Account offenbar auf ihren Wunsch ein völlig belangloses internes Papier zuhielt, das aber, wie er selbst einräumte «potenziell börsenrelevante Infos» enthielt. Was Lachappelle nicht abhielt, im Liebesrausch fortzufahren:
«Aber meine (geschwärzt) bekommt es natürlich. Du bist wunderbar.» Unterzeichnet mit «in grosser Sehnsucht».
Gehört es wirklich zur Berichterstatterpflicht, ein im November 2017 abgeschicktes Mail der öffentlichen Betrachtung – und den Absender der Lächerlichkeit – preiszugeben? Offenbar haben andere Medien, die diese Racheaktion ebenfalls zugestellt bekamen, darauf verzichtet. Damit bleiben mal wieder nur Verlierer auf dem Platz.
Volle Breitseite in Tamedia.
Der nächste gefallene Raiffeisen-Star. Alle Kontroll- und Aufsichtsbehörden, die in diesen Fall verwickelt sind und mal wieder so tun, als ginge sie das nichts an. Die Mitarbeiter von Raiffeisen, die hofften, endlich die Affäre Vincenz hinter sich lassen zu können und mit solchen Themen von ihrer Führungsmannschaft nicht mehr behelligt zu werden. Schliesslich die Justiz, konkreter das Zivilgericht Basel Stadt, das offenbar Superprovisorische am Laufmeter ausstellt.
CH Media, hier das St. Galler «Tagblatt», käut wieder.
Und nicht zuletzt das Publikum, die Leser von sogenannten Qualitätsmedien, die ohne lange Motivforschung skandalisieren, was ihnen zugesteckt wird. Sowohl SoBli wie nun auch Tamedia liessen sich offensichtlich von einer Beteiligten an einer fatalen Affäre instrumentalisieren. So wie es schon Claudia Blumer in ihrem fatal falschen Bericht über einen hässlichen Sorgerechtsstreit widerfuhr.
Dass der von Rutishauser durch alle Böden verteidigt wurde, Tamedia sich bis heute weigert, wenigstens eine sachliche Richtigstellung zu publizieren, macht das Vorgehen im Fall Lachappelle notorisch. Und lässt den Konsumenten mit der immer drängenderen Frage zurück, wieso er dafür eigentlich noch etwas bezahlen soll.
Die NZZ erinnert sich an einen Filmtitel.
Nachdem CH Media bislang zur ganzen Affäre geschwiegen hat, gelüstete es offenbar die journalistische Leiter nach unten, sich auch einzumischen. Unter anderem im Qualitätsmedium «watson» meldet sich Pascal Hollenstein, zusammen mit Florence Vuichard zum ersten Mal zu Wort.
Wer dreht woran weiter?
Wir begeben uns in die unterste Schublade des Journalismus
Zunächst erwähnt das Duo, von wem es angefüttert wurde:
«Dieser Zeitung liegt sowohl die Klage Lachappelles vor als auch die Klageantwort seiner Ex-Partnerin.»
Man hat sich also im Sinne der political correctness – nicht umsonst ist Hollenstein ehrenamtlich Lautsprecher für Jolanda Spiess-Hegglin – für die Seite der verschmähten Geliebten entschieden. Nun wird es einen Moment lang eher schmierig:
«Trennung von der Ehefrau, Zusammenzug, öffentliche Auftritte als Paar. Was stimmt? Die Fragen sind persönlich und gehen die Öffentlichkeit im Grunde nichts an. Doch Lachappelle selber war es, der am Donnerstag Intimes an die Öffentlichkeit trug.» Das ist unterste Schublade nach der Devise: Ich sage ja gar nicht, dass mein Nachbar seine Frau schlägt, aber er selbst redet doch drüber.
Aber nur die Einleitung zum neuerlichen Blattschuss, denn nun wird fröhlich weiter Internes und Intimes lustvoll preisgegeben, so heisse es in der Rechtsschrift der Ex-Geliebten:
«Lachappelle selber sei es gewesen, der sich als «Joe » geoutet habe. Zum Beispiel indem er dem Verwaltungsrat des Arbeitgebers seiner Ex-Partnerin ein «diffamierendes Schreiben schickte und vorgab, er selbst sei ‹Joe›». Damit sei der Name Lachappelle erst ins Spiel gekommen.
Es sei Lachappelle selber gewesen, «der quasi die Figur des Joe für sich annektiert hatte und sich völlig unmotiviert gegenüber mehreren Personen in seinem Umfeld dahingehend geäussert» habe, heisst es in der Klageantwort der Ex-Partnerin. Es sei davon auszugehen, dass es Lachappelle darum gegangen sei, seine Ex-Partnerin «insbesondere an ihrem Arbeitsplatz in Misskredit zu bringen und beruflich und privat zu verunglimpfen und finanziell zu schädigen»».
So stelle das der «renommierte Luzerner Medienanwalt Rudolf Mayr von Baldegg in der Klageantwort der Ex-Partnerin ganz anders dar», als Lachappelle an seiner Pressekonferenz behauptet habe.
Wir haben also einen «renommierten Medienanwalt», jede Menge schmutzige Unterwäsche, die von der Ex-Geliebten gewaschen wird, wir haben keine Erklärung, wieso ihr erst nach Jahren in den Sinn kam, ein Mail vom November 2017 zur Grundlage einer Strafanzeige zu machen. Wir haben aber vor allem eines nicht, was Hollenstein ein weiteres Mal als publizistischen Leiter völlig disqualifiziert. Wir haben nicht mal die Erwähnung eines Versuchs, Lachappelle Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Audiatur et altera pars? Hollenstein kann kein Latein
Bekam er die? Reagierte er nicht darauf: Störte sein Reaktion? Das ist nun – unabhängig von «she said, he said» – die allerunterste Schublade im Journalismus. Partei ergreifen, Angefüttertes wiedergeben, aber dem Angegriffenen nicht das Wort erteilen. Selbst Claudia Blumer von Tamedia, ähnlich unterwegs, unternahm zumindest einen untauglichen Versuch, der anderen Seite in ihrem parteiischen und vor Fehlern strotzenden Bericht über einen hässliche Sorgerechtstreit die Gelegenheit zum Beantworten von Fragen zu geben.
Es erhebt sich zum wiederholten Mal die Frage: Wie lange wird der Wanner-Clan, Besitzer von CH Media, dieser Rufschädigung durch einen hochrangigen Mitarbeiter noch zuschauen? Ist wirklich gewollt, dass die wenigen verbleibenden Journalisten diesem Beispiel folgen sollten?
Selbst Tamedia, auch nicht gerade zimperlich im Umgang mit Raiffeisen im Allgemeinen und Lachappelle im Speziellen, erwähnt in ihrem Nachzug-Artikel eine Erklärung, wieso Lachappelle in seiner Pressekonferenz nicht auf diese Vorwürfe einging:
«Uns liegt die Strafanzeige nicht vor», begründet dies Lachappelles Anwalt, Jascha Schneider-Marfels. Darum habe sein Mandant am Donnerstag nichts dazu sagen können.»
Das hätte einiges an heisser Luft aus Hollensteins Schmierenstück rausgelassen, also besser nicht mal nachfragen.
Ich denke, Lachappelle selber ist sein grösstes Problem. Ein «Leader» sollte wissen, wann er besser den Mund halten sollte. Selten so ein planloses Gegacker um rein gar nichts erlebt. Hätte der Mann Eier, wäre er hingestanden und hätte irgenwas gesagt wie «so what – next please». Seine ganze Kommunikation in dieser Sache ist ein Zeichen von menschlicher Schwäche. An dem will und darf ich gar nichts aussetzen, ABER Narzisten wie er nun einer ist, überschätzen sich selbst laufend, er ist da absolut kein Einzelfall sondern eher die Normalität, leider. Unsere Wirtschaft, Politik und Administration sind mit solchen Flachpreiffen (gen. Maskulin!) durchsetzt. Ich hoffe, dagegen gibt es bald ein Medikament.
Was ich nicht verstehe ist die Frömmigkeit aller Journalisten inkl. Zeyer hinsichtlich des Namens der Frau, die private Mails von Lachappelle den Medien zuspielte, offenbar Lachappelle jahrelang nachstellte und sogar eine Publikation «Toxic Leaders» schrieb mit welcher sie ihn unter Druck setzte.
Dieser VR von Raiffeisen Schweiz wird von den Medien grösser gemacht, als er in Wirklichkeit ist. Er ist keineswegs verantwortlich für 11’000 Mitarbeiter, zum Glück! Die ca. 300 Raiffeisenbanken sind rechtlich und organisatorisch selbständige Genossenschaften mit je eigenem Verwaltungsrat. Zusammengenommen sind sie zwar die drittgrösste Schweizer Bank, aber die Organisation (und damit Risiko und Reputation) ist völlig anders als bei der Konkurrenz. Zu einer seriösen Berichterstattung würde ein solcher Hinweis gehören – das betrifft in erster Linie die grossen Medien.
Wirklich Neues und Wichtiges wusste nur das Trash-und Abschreibeportal Nau, hat mehr als 50 Leute auf der Payroll die sich ReporterInnen, JournalistInnen nennen, zu berichten. Die in erster Linie aber trotz Leseschwäche abschreiben und «Gesichter & Geschichten», (ex Glanz & Gloria) schauen.
Nau über Lachappelle: Seine Eheprobleme habe er inzwischen aufgearbeitet, er und seine Frau seien «ein starkes Team». Die Investigativkoryphäen von Nau werden sich an die Hacken von Lachappelle heften und prüfen ob dem so ist. Damit ist dem Mann auch weiterhin publizischtische Aufmerksamkeit sicher. Unter der Rubrik «People», zwischen dem inzwischen auseindergedrifteten Bescheuertenduo
Glauser, he/him, she/her, und Rinderknecht, he/him, she/her.