Elendsjournalismus à la «Blick»

Null Vorbereitung, Interview zum Erschrecken, aschgraues Niveau.

Die Corona-Kreischen sind langsam durch. Nur im harten Notfall, kein Aufreger weit und breit zu sehen, greifen die Schweizer Qualitätsmedien noch zum «Experten, Virologen, Forscher», der warnt, unkt, den Teufel an die Wand und Leichenberge vor die Intensivstationen malt.

Auch die neue Todeswelle mit der Variante Delta ist eher abgenudelt. Was tun? In der Verzweiflung zeigt das Organ mit dem Abflussrohr im Titel, was dumpfbackiger Journalismus alles kann.

Dazu hat der «Blick» den «Verhaltensökonom Gerhard Fehr» ausgegraben. Gerhard who? Na, der andere Fehr. Der Bruder des ziemlich prominenten Ernst Fehr, in der Schweiz als Ökonom und Glücksforscher sehr bekannt. Damit hat es sich allerdings auch schon mit der Qualifikation des «Verhaltensökonomen».

Auf seiner eigenen Webseite weltberühmt …

Besonders bekannt ist er auch nicht, wie er auf seiner Webseite selbst bekannt gibt:

Aber in den Weiten des Web eher weniger …

Wie auch immer, keiner zu klein, um Interviewpartner zu sein. Denn der «Behavioral Designer» (what the f*** das auch immer sein mag) weiss natürlich, dass man ein knackiges Quote abzuliefern hat, wenn man schon mal die Chance dazu bekommt. Also sagt er:

«Wir überzeugen nur mit Diskriminierung».

Was meint er denn damit?

Zum Beispiel das: «Nur noch diejenigen, die geimpft sind, dürfen ins Restaurant oder in ein Konzert gehen. Systematische Diskriminierung ist nichts Neues, sie begegnet uns dauernd im Alltag. Beispielsweise können sich die meisten Leute nicht jeden Tag einen Restaurantbesuch leisten und sind dementsprechend wegen ihres Lohns davon ausgeschlossen.»

Ein beknackter Ratschlag nach dem anderen

Ausserdem rät er zur Aufforderung mit Termin, sich impfen zu lassen. Wer schwänzt, bekommt eine Busse. Schon nach diesem Blödsinn beginnt man, sich Sorgen um die Zukunft von Firmen zu machen, die sich allenfalls von diesem «Designer» beraten lassen. Denn den Ausschluss von einem Restaurantbesuch damit zu legitimeren, dass es schliesslich auch genügend Leute gäbe, die ihn sich nicht jeden Tag leisten könnten, das ist schon Gaga-Logik.

Aber hat Fehr wenigstens ein paar Zahlen im Griff? «Alle Nichtgeimpften sind jederzeit bereit, an einem Virus zu erkranken, an dem sie mit 0,5-prozentiger Wahrscheinlichkeit sterben werden.» Stimmt das?

Das ist absoluter, relativer und unwissenschaftlicher Quatsch. Die Schweiz zählt offiziell rund 700’000 Fälle von an Corona Erkrankten. Davon sind knapp 11’000 verstorben. Das wären 1,57 Prozent. Also falsche Zahl. Nun ist es aber so, dass es eine unbekannte, sehr hohe Dunkelziffer gibt. Also Menschen, die symptomlos infiziert sind und das auch nicht testen liessen.

Daher ist es wohl sinnvoller – und wird deshalb auch so gemacht –, sich mit der sogenannten Übersterblichkeit zu befassen. Das wiederum bedeutet: sterben aktuell mehr Menschen als in einem gemittelten Vergleichzeitraum in der Vergangenheit? Da ist die Antwort: nein, es existiert sogar eine Untersterblichkeit in der Schweiz.

Schliesslich wäre es noch sinnvoll, die Altersverteilung der Todesfälle in Betracht zu ziehen:

Hohe Sterblichkeit über 80, kaum je ohne Vorerkrankung …

Oder den Medianwert des Alters der an Corona Verstorbenen zu ermitteln. Der liegt mit rund 85 sogar leicht oberhalb der durchschnittlichen Lebenserwartung in der Schweiz. Also mit anderen Worten: der «Behavioral Designer» designt im luftleeren Raum, basierend auf Quatschzahlen, ein Vorgehen, das an Untauglichkeit nicht zu überbieten ist. Solche «Diskriminierungen» sind weder durchsetzbar, noch hätten sie einen nennenswerten Einfluss auf die Impfbereitschaft.

Ein Windmacher, vor dem gewarnt werden müsste

Das spielt aber gar keine Rolle, weil schon die Zahlen, die der Dampfplauderer verwendet, keinem zweiten Blick standhalten. Also mit anderen Worten ein Windmacher, vor dem ein seriöses Blatt seine Leser warnen müsste. Statt ihm widerspruchslos an den Lippen zu hängen. Ob das an der Qualifikation der Journalistin liegt?

Wir wollen uns weder über abbiegende Köchinnen, noch über Jungjournalistinnen wie Rachel Hämmerli lustig machen. Ganz im Gegenteil, solche Entscheidungen wollen wir mit Applaus begleiten. Aber: dass es beim «Blick» keinerlei Kontrollinstanzen mehr gibt, die einen solchen Unsinn dem Leser ersparen, das ist in Wirklichkeit Ausdruck des Elends des modernen Magerspar-Skelett-Koma-Journalismus.

Die Qualitätskontrolle beim «Blick», in flagranti ertappt.

 

4 Kommentare
  1. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Bravo alles voll zutreffend auf den Punkt gebracht!
    Ach ja, von wegen Recherchieren bei Blick und Co.
    Die machen das durchaus, 😊😂🤣🤣🤣😜 im Netz!
    Gar nicht so selten findet man Meldungen von Zb.—–?——- nachträglich im Blick oder 20 Min.
    Damit das keinem auffällt wird zusätzlich eine Breitseite gegen einen gewissen—?— abgefeuert.
    Die sorte Recherche kann nun wirklich, jeder der will selber.
    Fazit: Der Blick ist flüssiger als Wasser, überflüssiger Witzfiguren-Quark.
    Für so etwas auch noch bezahlen?🤦‍♀️🤦‍♂️

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  2. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    Der «Behavioral Designer» kommt gefühlt nach dem «Sozialingenieur» und dem «Sozialtechniker». Tönt so richtig geschwollen und mag Unbedarfte beeindrucken.
    Der erwähnte Protagonist scheint ein China-Fan zu sein. Dort werden Social Credit Points vergeben und Underperformer sanktioniert und diskriminiert.

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  3. Beat Reichen
    Beat Reichen sagte:

    Wenn Sie René Zeyer morgen eine Tageszeitung oder eine Wochenzeitung mit Ihren Recherchen herausgeben, kaufe ich ein Abo.

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    • Robert Holzer
      Robert Holzer sagte:

      Geben Sie dem älteren Herrn Zeyer etwas mehr Zeit. In nur einem Tag stampft keiner eine Zeitung aus dem Boden.
      Für das Onlineprotal können sie spenden, sogar heute schon.

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