Wieso kann das in der Schweiz keiner?

Credit Suisse hat ein paar Probleme. Im Milliardenbereich. Na und, sagen die CH-Medien.

Die Credit Suisse hat nur noch Swissness im Namen. Ihre grössten Aktionäre sind Ölscheichs und US-Hedgefonds. Ihr Business ist weltweit, von Asien bis USA. Der einzige sichere Gewinnbringer ist die Schweizer Einheit. Alles andere …

Mit einem Doppelschlag, vielleicht folgen noch weitere, zeigte die CS, dass sie den heutzutage wichtigsten Kontrollposten nicht im Griff hat: das Risk Management. Also die Abteilung, die bestimmen sollte, welche Risiken für die Bank akzeptabel sind – und welche nicht. Natürlich gibt es dabei immer Auseinandersetzungen mit bonushungrigen Bankern, für die das Risk Management einfach nur ein Spielverderber ist.

Bis hierher sind die Schweizer Medien vorgedrungen, das war’s dann aber auch. Keine abgemagerte Wirtschaftsredaktion der sogenannten Qualitätsmedien war in der Lage, den Ursachen für dieses Disaster weiter auf den Grund zu gehen. Auch keine Wirtschaftsfachzeitschrift. Wie beim Wirecard-Skandal in Deutschland gibt es auch hier eine Zeitung, die schmerzlich den Niveauunterschied deutlich macht.

Auch damals schon: Nur die FT recherchierte weiter.

Richtig, natürlich die «Financial Times» (FT). Vier Journalisten rollen auf, wie die CS «beim Risikomanagement gewürfelt – und verloren hat». Ausser «Inside Paradeplatz» hält es – nebenbei – kein anderes Schweizer Medium für nötig, wenigstens auf den Inhalt des Artikels einzugehen.

Denn er belegt, dass alles noch viel schlimmer war und ist, als man bei zwei Multimilliardenschäden annehmen muss. Denn es war offensichtlich nicht einfach Versagen durch Fehleinschätzung – es war absehbar und fahrlässig.

Nur fünf Monate vor dem Zusammenbruch von Greensill Capital präsentierte die CS ihren Topleuten in Asien einen mutigen Unternehmer, ein gefeiertes Beispiel dafür, mit wem man Geschäfte machen will: Lex Greensill.  Helman Sitohang, Asien-Chef der CS, hatte ihn eingeladen, um seinen Managing Directors zu zeigen: solche Partner brauchen wir, holt mehr davon.

Auf Watchlist, aber was soll’s

Nur zwei Monate vorher war Greensill auf eine Beobachtungsliste der CS-Risikomanager in Asien geraten, schreibt FT.

«Die Greensill-Explosion ist nur ein Glied in einer langen Kette von Risikomanagementfehlern bei der Credit Suisse.»

Abgewatscht mit immer neuen Bussen, versuchte die CS eine Kehrtwende mit dem Fischen in gefährlichen Gewässern, oder wie das ein Manager ausdrückt: «Die Credit Suisse schwamm am tiefen Ende des Teichs mit den Haien, tat dies jedoch mit einer Private-Banking-Denkweise. Deshalb würde sie immer gefressen werden.»

Das Problem personifizierte die Risk- und dann auch noch Compliance-Chefin Lara Warner. Die zweite Funktion war ihr von Thomas Gottstein übertragen worden, der damit durch das Ausmerzen von Doppelspurigkeiten 500 Millionen einsparen wollte. Damit hatte eine Person diese beiden Schalthebel in der Hand ­ – die über keine adäquate Ausbildung in diesen Bereichen verfügte. Sondern die Devise umsetzte, dass man mehr Gas geben soll, «kommerzieller» denken, nicht immer die Risiken in den Vordergrund schieben. Das führte dann unter anderem dazu, dass Warner ihre Risikomanager überstimmte, als die vor dem Gewähren eines weiteren Kredits in der Höhe von 160 Millionen Dollar an Greensill warnten.

Asien entwickelte sogar ein eigenes Risiko-Tool

Es wird noch aberwitziger: «Im Jahr 2016 begann das Asiengeschäft mit der Entwicklung eines Tools zur Abbildung der Risiken eines Kunden bei der Suche nach Problemen zweiter Ordnung, die sich auf die Bank auswirken könnten.» Wäre das nicht irgendwo im Gestrüpp der Bürokratie verschwunden, hätte die CS dieses Disaster vermeiden können.

Und auch das in den USA: «Es gab systematische Unempfindlichkeit auf allen Ebenen», zitiert die FT,  «wenn Sie der Risikoleiter sind und einen Verlust von 60 Mio. USD vorbeigehen lassen, dann einen Verlust von 200 Mio. USD, und Sie fragen nicht, was zum Teufel hier passiert, was machen Sie dann eigentlich?»

Vermächtnis des scheidenden VR-Präsidenten Urs Rohner

Was die FT hier glasklar aufzeigt: es ist nicht das übliche «shit happens» im Bankgeschäft. Es ist auch nicht das übliche «untere Chargen übertraten interne Vorschriften und bewirkten damit». Nein, diese Risikokultur, diese Fahrlässigkeit beginnt ganz oben in der CS. Sie ist das schlimmste Vermächtnis des scheidenden VR-Präsidenten Urs Rohner. Nicht nur die CS-Aktionäre mussten seit seinem Amtsantritt einen Verlust von 70 Prozent hinnehmen.

2,6 Milliarden für Beihilfe zur Steuerhinterziehung. 154 Millionen, um die Untersuchung von Manipulationen in einem Dark Pool beizulegen. Milliarden-Kredit an Mosambik, der zum Staatsbankrott führte und bis heute untersucht wird. Zahlung von 5,28 Milliarden, um einer Untersuchung wegen Fehlverkäufen von Hypopapieren vor der Finanzkrise eins zu entkommen. Verkauft für 900 Millionen Dollar Wandelanleihen von Wirecard. Kündigt an, dass es bis zu 680 Millionen Verluste geben könnte, durch einen US-Gerichtsfall wegen RMBS-Verkäufen 2007. Plus wohl 3 Milliarden durch Greensill, plus 4,7 Milliarden bei Archegos Capital. Die Liste ist nicht vollständig.

Will da noch jemand behaupten, dass diese Bank nicht systemisch krank ist? Dass das Feuern von ein paar Managern ausreicht? Solange die Schweizer Medien Gewehr bei Fuss stehen, könnte sich die CS-Führung in dieser Illusion wiegen. Wie auch Wirecard dachte, Reportagen von FT einfach aussitzen zu können.

7 Kommentare
  1. Dario
    Dario sagte:

    Sehr geehrter Herr Zeyer, mit allem Respekt aber die Frage ist falsch gestellt. Es ist nicht so, dass es in der Schweiz es keiner kann. Wir haben gut ausgebildete Leute, die aber nicht an die entscheidenden Stellen herangelassen werden.
    Schwierigkeiten haben in der Regel die börsenkotierten Finanz-Unternehmen, denn die Menschen die gerade führen, haften ja nicht mit ihren eigenen Vermögen. Sie bereichern sich nur aus dem Cash-Flow.
    Unabhängig vom Leistungsausweis.
    Es werden ja keine KPI’s angewendet.
    Es gibt einen kleinen Zirkel von Menschen die das Spiel der Kapital-Macht eben erkannt haben. Schauen sie sich an, wie der VR und Geschäftsleitung zusammengestellt werden. Schauen sie sich an, wie die Aktienverteilung aussieht und wie lange diese Aktienblöcke von wem gehalten wird. Bei der Zusammensetzung der GL ist nicht Meritokratie das Kriterium. Die Stellen werden ja nepotistisch besetzt. Oder glauben Sie, dass es ein Zufall war dass eine Person compliance Officer wird ohne Jus- Studium und gleichzeitig Risk Manager ist ohne etwas von Mathematik zu verstehen?
    Die Frage lautet wie lange geht das? Bei einer solchen Situation müsste die Bank unter Staatsaufsicht gestellt , oder die Staatsgarantie aufgehoben werden.

    Antworten
  2. Rolf Karrer
    Rolf Karrer sagte:

    Ausgezeichnete Frage: «Weshalb kann das in der Schweiz keiner?»

    Wir haben schlicht und einfach in der Ausbildung von CH-Leuten total versagt. Seit Jahren ist ein Job in den MINT – Ausbildungsrichtungen nicht mehr interessant gemacht worden. Diese Leute müssten schon lange echt gefördert werden und nicht die Banker, mit ihrem enormen Ego und aber meistens desolatem volkswirtschaftlichen Leistungsausweis. Wir sollten uns somit selber an der Nase nehmen, weil wir in vielen Gebieten auf ausländische Fachkräfte angewiesen sind.

    Erschreckend auch, dass Studiengänge im unproduktiven dritten Segment (Psychologie, Ethnologie, Soziologie, Jurisprudenz) auch jetzt noch wie Pilze aus dem Boden schiessen. Diese Studienrichtungen werden abgöttisch gefördert und gehypet. Viele dieser Studiengebiete sind eigentlich eher «nice to have» und aber in erster Linie unnützes Spielzeug……..

    Die Lonza in Visp braucht dringend Fachpersonal, um den Covid-Wirkstoff herzustellen. Einen überflüssigen Bankangestellten wird man dafür kaum umschulen können……

    Antworten
  3. Christoph Müller
    Christoph Müller sagte:

    Das Top-Management (und hier meine ich vor allem Geschäftsleitung und Verwaltungsrat) handelt grundsätzlich rational, weil

    a) die erwarteten Nettoerträge für die Bank (~ Potential für Boni!) mit dem eingegangenen Risiko typischerweise steigen und

    b) die Vergütungen für jedes Jahr ohne «Unfall» grandios sind und

    c) man im Falles eines «Unfalls» zwar vielleicht den Sessel räumen muss, aber die in der Vergangenheit erhaltenen Vergütungen müssen ja nicht zurückgegeben werden. Wenn man Glück hat, so kann man das Spiel sogar weiterspielen, einfach bei einer anderen Bank.

    Was wir also bei der CS (und anderen Finanzinstituten) mit schöner Regelmässigkeit beobachten, muss uns nicht wirklich überraschen. Überraschend ist, dass die Aktionäre (und die Steuerzahler bei den «too big to fail»-Instituten) diesem Treiben mehr oder weniger tatenlos zuschauen.

    Antworten
  4. .Victor Brunner
    .Victor Brunner sagte:

    CS VRP Urs Rohner ist wahrscheinlich die grösste Fehlbesetzung die es je in einem SMI Unternehmen gegeben hat. Weder als Jurist noch als Verwaltungsratpräsident hat er getaugt. CEO Dougan im Rückblick ein Debakel, Thiam ebenso. Auch Gottstein scheint ein Debakel zu sein. Unerklärlich dass die grossen Shareholder über Jahre auf die Phrasen von Rohner reingefallen sind.

    Rohner mag das egal sein, ab Mai ist er als VRP Geschichte mit Dutzenden von Millionen auf der Seite, trotz seiner Hinterlassenschaft, eine sanierungsbedürftige CS:

    Antworten
    • Mario Sacco
      Mario Sacco sagte:

      In England und den USA wäre dieser unfähige Hürdenläufer bereits nach zwei Jahren im Amt geflogen.

      Die beschämenden Schweizer Medien haben sich nie getraut klare Worte zu finden, gegenüber diesem Versager.

      Antworten
      • Guido Maier
        Guido Maier sagte:

        Absolut einverstanden Mario Sacco!
        Aalglatter Jurist, der schon als Leiter Rechtsdienst bei der CS versagt hat. Vermutlich sehen wir ihn mit seiner Liebsten (ex-ex-ex Miss Schweiz) im Herbst auf dem grünen Tepich – mir grauts schon jetzt!

        Antworten
  5. Sam Thaier
    Sam Thaier sagte:

    Die Credit Suisse wollte gar das kleine Portal «Inside Paradeplatz» Ende März 2021 mit einer Drohkulisse mundtot machen. Zwei Wochen danach, ist allerdings der ganze Laden der Misswirtschaft an die Oberfläche gekommen. Absage dieser Drohkulisse erfolgte umgehend.

    https://insideparadeplatz.ch/2021/03/26/cs-droht-mit-klage-damit-ip-kampagne-stoppt/

    Nehme nicht an, dass CS eine ähnliche Drohgebärde mit der «Financial Times» gemacht hätte. FT bleibt die einzige Autorität in diesem Dschungel von wahnwitzigen Akteuren der Gier und Destruktion.

    All die Storytellers in den Schweizer Wirtschaftsredaktionen können bloss neidisch in diese Publikation schauen – und beschämend abkupfern aus dieser Premiumquelle………

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu Dario Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert