Um Mitarbeit wird gebeten

Da soll noch einer sagen, kostenlose Medien seien kostenlos. Nicht ganz: Man soll bitte sehr wenigstens am Resultat mitschuften, wenn man schon nichts bezahlt.

Von Stefan Millius

Am Anfang stand der Leserreporter. Den gab es eigentlich schon immer. Er wurde einfach nicht so bezeichnet. Dass man die Zeitung anruft, wenn man nicht zufrieden ist mit dem Gemeindepräsidenten, wenn die 30er-Zone vor dem Haus zur Rennstrecke wird oder wenn die Quartierbeiz verschimmelten Fleischkäse serviert: Es ist ein altes Phänomen. Später wurde es von blick.ch, 20min.ch und anderen professionalisiert mit entsprechenden Aufrufen, das Autowrack auf dem Pannenstreifen doch bitte unauffällig zu fotografieren und die Bankangaben gleich mitzusenden.

Zurschausteller gesucht

Inzwischen wurde eine neue Stufe erreicht: Es muss gar nichts passieren, um vom Leser zum Autor zu werden. Alles, was man tun muss: Sich selbst in Szene zu setzen und kostenlosen Stoff zu liefern.

Heute beispielsweise im Angebot:

  • – «20 Minuten» sucht Leute, die ein «Horrordate» hatten. Es kommt einem leicht bekannt vor. Hat das watson schon mal gemacht? Oder nau.ch? Oder eben doch der «Blick»? Egal, die Show muss weitergehen. Die Leser sollen also ihre Story vom missglückten Date senden, und 20min.ch liefert zur Sicherheit mögliche Beispiele. Darunter dieses: «Hast du dich auf ein gemütliches Abendessen mit deinem Date gefreut, doch dieser mischte Abführmittel in dein Essen?» Vielleicht müsste sich ein Redaktor, der auf eine solche Idee kommt, einige Fragen gefallen lassen. Oder das Abführmittel läuft unter dem zweiten Beispiel der Redaktion, die da lautet: «Hatte sie einen Fetisch?»

  • blick.ch will wissen: «Was nervt euch an Velofahrern?» Die einfache Antwort wäre natürlich: dass es sie gibt und sie sich auf der Strasse fortbewegen. Aber vielleicht kommen ja auch komplexere Rückmeldungen. Übrigens will die Zeitung mit der Leseraktion «Frieden stiften» und «Verständnis schaffen». Heisst es, bevor es dann doch ehrlich wird: «Okay, vielleicht haben wir auch einfach Lust auf einen kleinen Catfight.» Na eben, geht doch mit der Wahrheit.
  • – Und noch einmal 20min.ch, das am selben Tag wirklich alles gibt: «Kennst du eine besonders gefährliche Strassenecke?» Mal überlegen, vielleicht jede, die auch von Velofahrern benützt wird? Aber die Community kennt sicher noch viel krassere Todesecken in der Schweiz, die trotz Leichenbergen am Strassenrand der Polizei noch immer nicht aufgefallen sind.

Ostereier und Schneemänner

Gemessen an vergangenen Aufrufen sind diese drei Beispiele übrigens schon fast raffiniert. Vor wenigen Wochen suchte zueriost.ch das schönste Osterei, die «Augsburger Allgemeine» rief im Januar zu Einsendungen mit den lustigsten Schneemännern auf, und «Bild» wollte von ihren Lesern verzweifelt Impressionen vom selbst gebauten Partykeller. Man sieht, wer zwei linke Hände hat, ist bei Leseraktionen oft aufgeschmissen.

Aber: Es funktioniert. Für die Zeitung jedenfalls. Zumindest, wenn man ein paar Leser hat, sonst wird das Ganze mangels Teilnahme schnell zum Rohrkrepierer. Aber wenn was reinkommt: Es gibt nichts Leichteres, als aus den Einsendungen eine Bildergalerie zu machen (beliebter Stoff für Praktikanten) und damit eine Lücke auf der Startseite zu füllen. Zum zweiten Mal übrigens, die Vorankündigung war ja auch schon ein grosser Beitrag. Kommt dazu: Die Zeitung spart sich die Recherche. Man stelle sich vor, eine Redaktion müsste aus eigener Kraft herausfinden, wo die gefährlichsten Strassenecken des Landes liegen – in Zeiten der heruntergesparten Ressourcen!

Gleichzeitig sagt ein Medium mit solchen Aktionen: «Hey, Leser, wir interessieren uns echt für euch und euer Leben!» Tut die Zeitung natürlich nicht wirklich, sie giert nach kostenlosem Stoff, der – und da liegt die Tragik – vermutlich auch fleissig angeklickt wird. Von allen, die was geschickt haben. Aber auch von denen, die sehen wollen, dass es Leute mit einem noch armseligeren Schneemann als dem im eigenen Garten gibt.

2 Kommentare
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Kein Problem es gibt genügend Leute auf der Strasse die telefonieren und schreiben können, dazu nebenbei gerne ein paar Fränkli verdienen. Da stehen sie den bescheuerten „JournalistenInnen“ von BLICK, Nau, 20 Minuten in nichts nach!

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  2. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Noch und noch halbgares, dazu wird miserabel recherchiert Zb. im Sonntags-ßlick.
    Warum Fahren die Britten links?
    Das hat einen handfesten Grund aus dem Fahrverkehr mit Pferdefuhrwerken, in den beengten Strassen im London des 18 + 19.Jahrhunderts.
    Beim Fahren, UND reiten, werden die Züge! LINKS gehalten, rechts wird nebst anderem die Peitsche geführt. Die meisten Menschen sind Rechtshändig anspruchvollers wird mit rechts ausgeführt.
    Der kultivierte Fahrer haut nicht drauf, sondern „kitzelt“ das Handpferd von rechts unter die Flanke.
    Das geht schlecht müsste LOGO sein auf engen Strassen, rechts hart am Bürgersteig
    auf der rechten Seite. Die Peitsche war für die Pferde und nicht für die feinen Herrschaften auf dem Bürgersteig bestimmt.
    Die Einführung des Automobils vollzog sich schrittweise, darum sind die Britten beim Linksverkehr geblieben. Im übrigen Europa insbesondere Paris wurden die Strassen grosszügiger angelegt, die feinen Herrschaften riskierten nicht StreicheI-Einheiten mit den Peitschen der Kutscher.
    Oh je, die Zeitgenössischen Schreiberlinge haben eben das handfest Praktische rationale Denken nie gelernt.
    Das allermeiste hat einen logisch rationalen Hintergrund das vorliegende ist nur ein Pinatz- Beispiel es gibt NOCH deutlich relevanteres an Hanebüchenem Unsinn, den die Schulgedrillten Schreiberlinge (Kindersoldaten 😊😊😊) hinausblasen.

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