Die Meinung ist frei

Und sie darf auch frei geäussert werden. Eine Zensur findet nicht statt, heisst es markig in der Bundesverfassung. Über Bezahlung steht da nichts.

Nehmen wir einen heutzutage völlig normalen Vorgang. Ein gewisser Michael Hermann führt eine Kolumne im «Tages-Anzeiger», somit im ganzen Tamedia-Kopfblattimperium. Damit kann er ungefähr die Hälfte aller Deutschschweizer Tageszeitungsleser beschallen.

Seine Meinung ist frei und klar: «Die Kritik an der Impfstoffstrategie von Bundesrat und BAG ist billig». In seiner Kolumne kritisiert Hermann alle, die es im Nachhinein besser wissen wollen, die mit dem Vorteil der Perspektive von heute ungerecht damalige Entscheidungen kritisieren: «Ohne Fehlertoleranz jedoch werden wir an Krisen wie diesen nicht wachsen.»

Unbezahlte Meinung hinter Bezahlschranke.

Das ist sicher ein wahrer Satz. Vielleicht hätte es dem unschuldigen Leser des Qualitätsjournalismus aus dem Hause Tamedia geholfen, wenn auch bei Kommentatoren gewisse Interessensbindungen offengelegt würden. Das schränkt ja die Meinungsfreiheit keinesfalls ein, hilft aber dem Empfänger bei der Einordnung der Meinung.

Michael Hermann, der Nachfolger des Mannes mit der Fliege, ist nämlich in erster Linie Geschäftsführer der «Forschungsstelle Sotomo». Die widmet sich den Themen «Meinungsforschung, Politikstudien und -evaluation» und anderen Untersuchungen.

Ohne billige Kritik geht’s wieder bergauf.

Auch das ist nichts Ehrenrühriges, denn auch Hermann muss ja schauen, dass der Schornstein raucht. Mit seinen politischen Spinnenprofilen und politischen Landkarten gehört der Politikwissenschaftler zum festen Personal der «Fachleute», die in Funk, Fernsehen und auch im Print gerne herbeigezogen werden.

Vor allem von privaten Medienhäusern, bei denen die «Expertenmeinung» häufig den Höhepunkt der Recherche darstellt, die sonst per copy/paste, skype und Google durchgeführt wird.

Was dem einen sein Uhl, ist dem anderen seine Nachtigall

Stellen wir eine hypothetische Frage. Was würde Tamedia wohl dazu sagen, wenn in der «Weltwoche» eine Verteidigungsschrift zum Risk Management der CS erschiene? Und sich herausstellen würde, dass der Autor zu den Lieferanten oder Mandatsträgern der CS gehörte? Ohne dass das dem Leser offengelegt würde? Genau, ein Riesengebrüll würde Tamedia erheben, vom Ende der journalistischen Sitten, gekauften Meinungen, von Leserbeschiss wäre die Rede.

Von Doppelspiel, Unredlichkeit und was einem sonst noch so an Beleidigungen einfällt. Womit Tamedia allerdings völlig recht hätte. Es ist im Fall Hermann allerdings so, dass auch die Credit Suisse zu seinen Auftraggebern gehört. Macht ja nix, darüber schreibt er nicht.

Zu seinen regelmässigen Auftraggebern gehören auch Ämter, die SRG, die Bundesverwaltung und – das BAG. Hermann nimmt hier also eine Behörde in Schutz, auf deren Honorarliste er oder seine Firma steht. Hermann äussert sich hier also positiv zu den Leistungen von Behörden und des Bundesrats, wobei staatliche oder halbstaatliche Institutionen den Grossteil seiner ausgewiesenen Brötchengeber ausmachen.

Immerhin zeigt er auf seiner Webseite Transparenz und führt stolz eine ganze Liste von aktuellen und vergangenen Projekten auf; jeweils mit Thema und Auftraggeber. Das diese Dienstleistungen, inklusive Meinungsumfragen, weder gratis erbracht werden, noch sehr billig sind, versteht sich von selbst.

Auszug aus der Kundenliste.

Wir wollen Hermann auch keinesfalls unterstellen, dass er eine Mietmeinung sei, so wie der Bankenprofessor Peter V. Kunz, bei dem man ein «Gutachten» bestellen kann, das nötige Kleingeld vorausgesetzt.

Wir wollen aber diese mangelnde Transparenz im Hause Tamedia mit angeblich eisernen Regeln und Transparenz, der Basis für das Vertrauen, das der Leser seinen Produkten entgegenbringen soll, scharf kritisieren.

Hermann nimmt Stellung, Tamedia nicht

Hermann nimmt die Möglichkeit wahr, Stellung zu beziehen: «Ich finde Ihre Fragen bezüglich meiner Aufträge durchaus legitim.» Psychologisch geschickter Einstieg;

«wenn der Massstab wäre, alle Akteure in meiner Kolumne zu deklarieren, bei denen ich  schon Aufträge hatte, müsste ich dies bei praktisch jeder tun».

Hier lässt er etwas nach, denn: warum nicht? Aber schon kommt er wieder hinten hoch: «Gerade die Tatsache, dass wir ein so breites Kundenfeld haben, führt zugleich dazu, dass wir gegenüber keinem Kunden in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen.»

Zudem sei das Hauptgeschäft Meinungsumfragen, keine strategische Beratung, zu der er sich in seiner Kolumne äussere. Immerhin, netter Versuch.

Tamedia hingegen ignorierte eine gleichlautende Anfrage; Arthur Rutishauser beauftragte nicht einmal die Medienstelle, per copy/paste zu schreiben: Diese Vorwürfe sind falsch.

Wieso überrascht das nicht?

 

 

 

 

https://sotomo.ch/site/projekte/

7 Kommentare
  1. Martin Schwizer
    Martin Schwizer sagte:

    Ich habe Tamedia-Kampfblatt-Imperium gelesen. Ein herrlicher freudscher absolut treffender Versprecher oder eben Verleser.

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  2. .Victor Brunner
    .Victor Brunner sagte:

    Michael Hermann ist Beleg dafür dass in Schweizer Ämtern, SRF und Tamedia nicht Meinungsvielfal sondern Meinungseinfalt gefördert wird. Hermann stört das nicht, er freut sich, bei ihm wird das Bankkonto zuverlässig gefüllt von den ZwangsgebührenzahlerInnen, SteuerzahlerInnen, von den Zeitungsabonnenten. Zurückhaltung würde seiner Glaubwürdigkeit gut tun!

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  3. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Dieser Art. in der CH-Bundesverfassung ist, ohne wenn, und aber richtig.
    Die Meinungsfreiheit ist der alles entscheidende Kerngedanke, das erste Gebot, des Liberalen Weltbildes.
    Das gilt ausnahmslos für alle Menschen, ob Leien Wissenschaftler oder Experten.
    Das schliesst eine Moralisch-Etische Gewichtung einer Meinung nicht aus.
    Von Menschen mit besonderer Qualifikation, oder besonderer Stellung und Einfluss, soll und muss man im interesse des Gemeinwohls, besondere Sorgfalt, nach Treu und Glauben erwarten und einfordern.
    Freiheit ohne Pflichten, zerstört in der Endwirkung unausweichlich die Freiheit.
    Aktuell ist das Gebaren gewisser Experten mit Loge entsprechender Qualifikation
    Ausbildung und Titel, besonders kritisch zu beobachten, zu hinterfragen.
    Aktuell geben die Virologen und Epidemiologen den Takt vor.
    Jeder der das Geschehen, die Meinungen dieser Fachleute, etwas aufmerksamer Beobachtet muss leider feststellen, diese Experten präsentieren sich leider mehrheitlich, als wild durcheinander spekulierender und agierender, mit Verlaub Sauhaufen.
    Wissenschaft heisst, das sollte der Anspruch die Moralische Pflicht sein, Wissen generieren / schaffen.
    Dieser Anspruch wird aktuell in bedenklichem Ausmass mit Füssen getreten.
    Fazit:
    Empfehlungen und Massnahmen von Wissenschaftlern und Experten mit erheblichen „Nebenwirkungen / Begleiterscheinungen» sollten nur noch vor allem von den Politischen Entscheidungsträgern akzeptiert werden, wenn diese auf einer möglichst soliden Datengrundlage basieren und ergänzenden Querabgleichen standhalten.
    Wissenschaftler die wiederholt oder in Serie mit groben Fehlaussagen und Prognosen daneben liegen haben in einem Entscheidungsprozess nichts verloren.
    Die können ihr gutes RECHT weiter ihre Meinung kundtun das Recht oder die Legitimation zur verbindlichen „ Beratung / Mitbestimmung»sollte als vewirkt gehandhabt werden!
    Der Ball liegt bei den Letzt Verantwortlichen Politischen Entscheidungsträgern.
    Das mit den entsprechend agierenden Medien ist Sache der Leser und Konsumenten. Meinungsfreiheit ist die eine Seite der Sache, dieser steht die Freiheit der Akzeptanz oder Ablehnung gegenüber.

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  4. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    Ein weiteres Beispiel der typischen Tagi-Heuchelei. Räumt endlich mal euren Saustall auf, anstatt ständig zeigefingerfuchtelnd, die Moralkeule schwingend von allen anderen das einzufordern was ihr selbst nicht bietet!

    Bei einem spontanen Geplauder, wartend auf den Zug, bezeichnete sich Herrmann mir gegenüber übrigens als «natürlich linksliberal». Ja, natürlich. Passt ja auch, als Nachfolger von Longchamp, diesem ideologischen EU-Turbo und Zurechtbieger von Umfrageergebnissen.

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  5. Mathias Wyss
    Mathias Wyss sagte:

    Wie schon sein Vorgänger ist Hermann der Inbegriff des Systemlings. Komfortabel eingebettet ins politische, mediale und bürokratische Establishment. Der abgebildete kleine Auszug aus der Kundenliste zeigt die skandalöse Verschleuderung von Steuergeld für Voll-Gaga-Umfragen. Abgesehen vom Mangel an Relevanz sind sie etwa so wenig repräsentativ wie die Tagi-Umfragen, wo man sich registrieren muss, bevor man teilnehmen kann. Never!

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  6. Jürg Streuli
    Jürg Streuli sagte:

    Michael Herrmann ist ein smarter Geschäftsmann. Sein gekünsteltes Image als „Experte“ überzeugt jedoch niemanden. Doch für den Tagi spielt er den Hofnarren, welcher die „Fachurteile“ absondert, die von der rot-grünen-feministischen Redaktion erwartet werden. Die stets ideologisch gefärbten Kommentare von Michael Herrmann bieten nicht den geringsten intellektuellen Mehrwert und sind bestenfalls belustigend.

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