Auf die Fresse gehauen

Der Tages-Anzeiger, das Agglo-Blatt.

Die Karikatur im gestrigen Tages-Anzeiger war blutig. Felix Schaad zeichnete dem von einem Polizeiauto überfahrenen Zürcher Stadtrat Richard Wolff mindestens eine gebrochene Nase. Das Schleudertrauma meldet sich wohl später.  Kopfweh wird dem Stadtrat der linken Partei AL auch der Kommentar von Marius Huber bereiten. Er prügelt auf dem Tiefbauvorsteher herum, wie wenn es kein Morgen geben würde.

Ein Kommentar, der in den NZZ-Mief der 1990er-Jahre passt. Damals stand Andreas Honegger der NZZ-Lokalredaktion vor und sorgte für fast tägliche Attacken gegen ein Zürich, das heute trotzdem – ja zum Glück – prosperiert. Zürich als Bürozentrum, wohnen bitte ausserhalb, lautete damals die Devise nicht nur von der NZZ. Stadträtin Ursula Koch (SP) musste gegen die NZZ und gegen den Kanton Zürich kämpfen, damit in Neubaugebieten nicht nur Bürogebäude hochgezogen wurden. Heute, in der Coronakrise, wird noch klarer, wie recht Ursula Koch hatte und wie wichtig zentrales Wohnen ist. Und wie volatil die Nachfrage nach Büroraum ist. Experten gehen heute davon aus, dass gegen die Hälfte der heutigen Büroflächen nicht mehr gebraucht wird. Homeoffice wird oft Standard. Die Firmen werden so Milliarden an Betriebskosten sparen.

Doch zurück zu Richard Wolff. Man kann dem ehemaligen Linksaussen-Politiker eine gewisse Amtsmüdigkeit vorwerfen. Aber ihn verbal und visuell so vierzuteilen, ist mehr als antizyklisch. Es ist ein Kniefall vor der Goldküstenbevölkerung, die an der vierspurigen Einfallsachse Bellerivestrasse und Utoquai festhalten will. Dabei macht Marius Huber auf Toleranz, wenn er schulbuchmässig Punkte verteilt. Es sei nichts einzuwenden gegen mutige Politikerinnen und Politiker, die sich etwas trauen und konkrete Ideen lancieren, statt nur unverbindlich zu lavieren, vor lauter Angst, einen Fehler zu machen. Aber es gebe einen feinen Unterschied zwischen Mut und Übermut.

Übermut, 2021 den vierspurigen Utoquai und die Bellerivestrasse zu hinterfragen? Eine aus der Zeit gefallene Stadtautobahn, die bis zum Bellevue reicht und einen der schönsten Orte Zürichs fast so sehr teilt wie es die berühmtberüchtigte Rosengartenstrasse tut? Das Herumgehacke des Tagi auf Richard Wolff ist ein Vorgeschmack darauf, wenn die Fusion der Regionalredaktionen bei Tamedia (Tages-Anzeiger, Zürichsee-Zeitung, Zürcher Unterländer, Landbote) mal vollzogen ist. Der konservativere Leser der Zürichsee-Zeitung und des Unterländers muss bei Laune gehalten werden. Die ehemals links-liberale Haltung des Tages-Anzeigers ist passé.

2 Kommentare
  1. Peter Sueton
    Peter Sueton sagte:

    Linksliberal ist der Tagi nur dort wo die Interessen der Geldeliten an Goldküste und Züriberg nicht direkt betroffen sind. Ansonsten ist man stramm auf Linie der reichen Geldsäcke die in Stadt, Kanton und Land das wirkliche Sagen haben. Sei es bei der Zoo-Seilbahn (weniger Verkehr für den Zürichberg), der Quartierverdichtung ( Nicht beim Züriberg wg. der „Abwinde“), beim durchgehenden Uferweg am Zürichsee, oder eben bei der Goldküstenautobahn, die aus Bequemlichkeit mitten in Zürich ans Bellevue führen muss. Naiv von Wolff zu denken, mit einem Abbau kommt er durch. Feminismus, Velowege, Flüchlinge, Ausländer etc. sind nur die medialen TA-Beruhigungspflästerchen für die spiessig-kleinbürgerlichen Linken. Wehe die wesentlichen Interessen der Reichen in diesem Land werden angetastet. Da wird auch ein Linker wie Wolff vom Tagi medial konsequent hingerichtet.

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Die 2. Seite des gestrigen TA war die Seite des Marius Huber. Ich schlage ihn zum Mitarbeiter des Monats vor, sofern es wegen dem Feminismuswahn im TA nicht zwingend eine Mitarbeiterin sein muss. Der Leitartikel «Warum es guttut die Hoffnung aufzugeben» und seine Meinung «Und am Ende geht es nur ums Ego».

    Der Leitartikel ist die Sonntagspredigt von Pfarrer Marius, geschrieben natürlich im majestatis pluralis. Der Pfarrer weiss natürlich aus einer lebenslangen Erfahrung was «Wir» wollen. Da schreibt er: «Impfen wir also unser Bewusstsein – mit ermutigenden Gedanken, die helfen, unsere Sicht der Dinge zu verschieben». Genau das haben Fehr und Wolff gemacht, die Sicht zu verschieben, neue oder andere Lösungsansätze zu suchen um Probleme oder Aufgaben zu lösen.

    Für die eingeschränkte Sicht von Huber geht es da natürlich am Ende nur noch um das Ego der Beiden! Quere Ideen sind ihm ein Gräuel und der Status quo ist ihm lieber. Pandemie haben wir seit mehr als einem Jahr, die Kulturschaffenden sind systemrelevant werden aber vom Bund und Kantonen ignoriert, die Stadt regt sich langsam. Trotzdem gehen viele innovative KünstlerInnen langsam aber sicher vor die Hunde. Ausnahme die «Staatskünstler» von Opernhaus und Schauspielhaus. Da ein Grundeinkommen während der Krise zu fordern ist nicht falsch. Schliesslich wurde ihnen vom Staat ein Berufsverbot auferlegt. Fehr hat die Diskussion lanciert.

    Wolff kritisiert er wegen dem Projekt Spurabbau Bellerivestrasse, vernebelt seine Meinung zwar, indem er das Vorgehen kritisiert, wie bei Fehr, macht sich damit zum Fürsprecher von partikularen Interessen (vielleicht gibt es für den TA ein paar Autoinserate mehr) und beweist sein Provinzialität. Er sollte einmal nach Paris gehen und schauen was, aus den Schnellstrassen an der Seine geworden ist. Spurabbau. Privatverkehr reduziert, viele auf ÖV umgestiegen.

    Die Meinung von Huber ist eine private Abrechnung, wahrscheinlich mag er die Beiden nicht. Aber er ist einmal mehr eine dieser vielen falschen Trompeten von der Werdstrasse. Von PolitikerInnen fordern, wenn diese nach ihrer Ansicht nicht liefern, schlecht schreiben. Mainstreamjournalismus abhängig von der «Wetterlage». Huber sollte einmal über die Krise der Medien schreiben, über die schwindende Kompetenz der JournalistenInnen und das Vertrauen in diese! Auch darüber, dass wegen der Unfähigkeit der Verleger, JournalistenInnen das Volk blechen soll. Ein unglaublicher Vorgang, Zwangsgebühren für private Objekte.

    Im Leitartikel schreibt Huber unter «Viertens: Wir reifen als Persönlichkeiten…» und bezieht sich auf Jürg Wille. Was er nicht schreibt, nach dem Reifeprozess folgt der Fäulnisprozess. Huber ist angelangt, was Seite 2 beweist.

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