Wie beginnt man ein Interview? (Teil 2)

Interviews sind die Billy-Regale des Journalismus.

«Einfach und schnell zusammengebaut, wenig Fachkenntnisse erforderlich, kein bleibender Wert», schrieb Beni Frenkel auf ZACKBUM vor Monaten. Die wenigen Interview-Perlen erkenne man an der Einstiegsfrage. Hier scheitern die meisten Journalisten, zum Teil kolossal. Die erste Frage sei deswegen so schwierig, weil der Interviewer eine ganze Menge reinpacken muss: Interesse, Distanziertheit, Vorwissen, Neugierde. Der Leser muss gleich zu Beginn gefesselt werden. «Die erste Frage ist so wichtig wie die Anmachfrage in einem Club», weiss Womanizer Frenkel.

Im Teil 2 geht es um eine Text-Bild-Schere, um das Geliebt-Werden und um die Krux schriftlich gestellter Fragen.

Packungsbeilage: die in loser Folge präsentierten guten und schlechten Fragen gelten als Beispiele. Nie geht es darum, Journalisten an den Pranger zu stellen. Für Beispiele in beiden Richtungen sind wir dankbar: redaktion@zackbum.ch.

 

Einschleimen I

Quelle: Weltwoche (4. Februar 2021)

Journalist: Thomas Renggli

Gesprächspartnerin: Heinz Tännler (Regierungsrat Zug)

Einstiegsfrage:

Herr Tännler, kommen Sie noch zum Schlafen?

Kritik: Diese Allerweltsfrage kann man natürlich jeder einigermassen engagierten Person stellen. Aber man punktet beim Interviewten, weil er weiss, dass es nun ein Wohlfühlinterview gibt. Doch nicht wenige Leser steigen schon aus.

Was beim Text noch auffällt: Nirgendwo geht Thomas Renggli im Gespräch auf das spezielle Portraitfoto mit dem Tennisschläger ein – abgehandelt wird das Thema in der kurzen Fotolegende «Harter Aufschlag: Regierungsrat Tännler». Ist Tännler ein zweiter Nick Kyrgios, der die Schläger gerne zerstört? Möchte Tännler manchmal das Krisenmanagement des Bundes mit einem As ausstechen? Wäre er lieber ein zweiter Roger Federer anstatt ein Regierungsrat? Man wird es nie erfahren.

Einschleimen II

Quelle: Lokalinfo (15. Januar 2021)

Journalist: Lorenz Steinmann

Gesprächspartner: Marco Cortesi (Ende Januar pensionierter Polizeisprecher)

Marco Cortesi, drehen wir das Rad ins 1986 zurück. Sie waren bei der Stadtpolizei als Streifenwagenfahrer im Kreis 4 im Einsatz. Was ist Ihnen von damals geblieben?

Auch so eine Wohlfühlfrage, die nicht wertet. Es ist eine Frage, die sofort in den Erzählmodus lenkt. Aber soll man zum Abschluss einer Karriere mit der Tür ins Haus fallen? Auffällig war, dass auch sonst bei keinem Interview ein richtig kritisches Wort fiel. Die Ausnahme war die SRF-Doku. Dort kritisierte ein Gemeinderat der Grünen Cortesis Hang zur Selbstdarstellung. Doch auch diese Aussage war eingebettet in eine 40-minütige Huldigung.

Gefragt ist gefragt

Quelle: ZACKBUM (2. Februar 2021)

Journalist: Lorenz Steinmann

Gesprächspartnerin: Beat Glogger (Wisenschaftsjournalist, Unternehmer)

Einstiegsfrage:

Im Doppelpunkt bei Roger Schawinski zeichneten Sie die Zukunft Ihrer Firma eher düster. Zudem erfolgte ein ziemlich negativer Artikel in der NZZaS mit dem Titel «Glogger bald am Ende». Wie waren die Reaktionen darauf? 

Ich habe bei Schawinski nicht über meine Firma gesprochen. Sie verwechseln da wohl was.

Kritik: Die längliche Frage prallt an Beat Glogger ab. Auch wenn es bewiesen ist, dass Glogger im Doppelpunkt über seine Firma gesprochen hat. Weil das Interview schriftlich geführt wurde, kann man nicht nachträglich nochmals anfragen, umschreiben, herumstreiten. Schriftliche Interviews können bequem sein für den Interviewer und in Arbeit für den Interviewten ausarten. Doch ein mündliches Interview können sie selten toppen.

Fortsetzung folgt

(Anmerkung zur Leserbindung: ZACKBUM.ch freut sich über positive wie negative Beispiele, wobei keine Garantie besteht, dass diese auch erwähnt werden)

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