Streitpunkte entfernt

Wenn’s mal fetzt im Schweizer Farbfernsehen, dann werden die Standpunkte rausgeschnitten. Zum Beispiel, wenn sich Reto Brennwald und Markus Somm nicht mehr mögen.

Das Sendegefäss «Standpunkte» wird von diversen Schweizer Medien bespielt. Darunter auch die «Sonntagszeitung». Man kann nicht unbedingt sagen, dass die Diskussionsrunde zum Strassenfeger taugt, aber sie hat auch Vorteile.

Wenn Reto Brennwald der Moderator ist, lässt man sich normalerweise aussprechen, und als alter «Arena»-Hase ist es sich Brennwald gewohnt, die Diskussion laufen zu lassen, aber dann einzugreifen, wenn man sich ineinander verbeisst oder jemand das Wort gar nicht mehr loslassen will.

Also wagte er sich letzten Sonntag an das nicht gerade taufrische Thema «Rahmenabkommen CH – EU: und jetzt?» Zum Austausch bekannter Positionen hatten sich politisch und gendermässig korrekt (wenn man Brennwald als moderierendes Neutrum sieht) der Euro-Turbo (oder müsste man heute Turbine sagen?) FDP-NR Christa Markwalder, sekundiert von Tiana Angelina Moser (GLP-Nationalrätin) als Befürworterinnen und Philip Erzinger, Geschäftsführer der «Allianz Kompass Europa» und als «Stammgast» Markus Somm, Historiker und Autor, versammelt.

Es entwickelte sich schnell ein munterer Schlagabtausch, in dem Markwalder die elder stateswoman zu spielen versuchte, Moser deutlich erhitzt mehrfach von Brennwald das Wort entrungen werde musste, Erzinger beachtlich souverän, sachlich, telegen den ablehnenden Standpunkt seiner Gruppierung zu Gehör brachte, und Somm schon bei seiner ersten Wortmeldung sanft-rabaukig mit schneidender Stimme eingriff.

Munterer Boxkampf, aber mit altbekannten Schlägen

Leider muss man zusammenfassend sagen, fast 60 Minuten, Erkenntnisgewinn nahe null. Man meinte zu sehen, wie bei allen teilnehmenden Profis im Hirn die schon x-mal verwendeten Tonbänder kurz sortiert wurden und dann abgespielt. Auch die üblichen Blutgrätschen – einer redet und macht den Fehler, kurz Luft zu holen, «ich möchte nur noch das sagen», «folgende vier Punkte möchte ich» oder «lassen Sie mich da eine direkte Frage stellen» – wurden von den debattengestählten Teilnehmern mehr oder minder elegant vorgeführt.

Soweit, so gähn. Aber, als der Moderator Somm das nächste Mal das Wort erteilen wollte, sogar eigentlich mit carte blanche und der Bemerkung, dass Somm nun schon länger nicht mehr drangekommen sei, kassierte Brennwald die schnippische Antwort:

«Sie wollen ja gar nicht, dass ich rede»,

mit der Somm am perplexen Moderator vorbei sein Wort an Moser weiterreichte, die sich nicht lange bitten liess.

Daraus wird sich keine wunderbaren Freundschaft entwickeln: Markus Somm (o.), Reto Brennwald.

Bei der Abmoderation und Bedankung wandte sich Brennwald natürlich zuletzt an seinen Stammgast, Schnitt, dann sagte Brennwald «Merci», offenbar auf eine Antwort, die der Zuschauer nicht mitbekam, und während des Abspanns konnte man sehen, wie Somm entgegen jeder Höflichkeitsregel als Einziger aufstand und grusslos hinausmarschierte.

Und tschüss: Markus Somm hat das Gebäude verlassen.

Seit Ueli Maurer mal im «Sonntalk» sogar mitten in der Sendung «kä Luscht» mehr hatte und zum Erstaunen der anderen Teilnehmer grusslos aus dem Bild verschwand, gab es solche Szenen eigentlich nie mehr.

Sozusagen erschwerend kommt hier hinzu, dass Somm deswegen «Stammgast» ist, weil er auch eine regelmässige Kolumne in der SoZ schreibt. Wie’s damit weitergeht, wenn wie angekündigt ab Mitte März sein neues Projekt «Nebelspalter» online geht, wäre auch eine spannende Frage.

Viele Talks werden zwar live aufgezeichnet, also ohne Schnitte, aber nicht gleichzeitig ausgestrahlt

Aber was ist denn hier passiert? Zunächst muss man wissen, dass nicht immer, aber fast Talks nicht live ausgestrahlt werden. Normalerweise nicht, um noch zensurieren zu können, sondern aus ganz pragmatischen Gründen. Zum Beispiel bei der «Arena», damit noch jeder Teilnehmer mit dem Zug nach Hause kommt und sich SRF so Hotelkosten spart.

Verfügbarkeit der Teilnehmer, des Aufnahmestudios und so weiter können auch eine Rolle spielen. Aber man redet dann von «zeitverschoben live». Also die Debatte wird so ausgestrahlt, wie sie aufgenommen wurde. Mit allen Versprechern, ähs oder auch Ausrastern.

Wie nun CH Media enthüllte, habe der Moderator nach der Sendung eine Mail an alle Teilnehmer geschickt, dass eine Szene herausgenommen worden sei, weil Somm und er darin «keine gute Falle» gemacht hätten.

Markwalder benützt natürlich die Gelegenheit, das scharf zu kritisieren und als bekannte Feministin zu fragen, ob das auch gemacht worden wäre, hätten sich zwei Frauen gefetzt. CH Media will zudem gehört haben, dass Somm bei seinem Abgang noch sagte, dass sich Brennwald nun einen neuen Stammgast suchen solle.

Was ist passiert, welche Freundlichkeiten wurden ausgetauscht?

War das ein kalkulierter Eclat? Wer hat die Entscheidung getroffen, hier mit der Schere einzugreifen? So dynamisch-eloquent die beiden Streithähne auch vor Kamera und Mikrophon sind, hier werden sie, höflich formuliert, sehr schmallippig. Somm reagiert nicht auf eine Anfrage, Brennwald verweist an die Medienstelle von Tamedia.

Die waltet ihres Amtes: In der Sendung sei es zu einer kurzen Auseinandersetzung zwischen den beiden gekommen, die «unangemessen» vom eigentlichen Thema abgelenkt hätte, es «wurde entschieden», die «irrelevante Sequenz» zu entfernen. Natürlich als «absoluter Ausnahmefall». Auf die wiederholte Nachfrage, wer das entschieden habe, gab’s keine Auskunft.*

Kam es zu einer wüsten Beschimpfung?

Sicher ist: die beiden müssen ziemlich zur Sache gegangen sein, wenn die Ausstrahlung so stark vom Rest abgelenkt hätte. Wurden Schimpfwörter ausgetauscht? «Nussknackergesicht» gegen «Vollmondfresse»? «Mietmoderator» gegen «Nebelspalter-Clown»? Man weiss es nicht; zu Handgreiflichkeiten kam es offenbar nicht, da beide Herren auch nach der geschnittenen Sequenz nicht derangiert aussahen.

Also müssen wir darauf warten, bis ein ungetreuer Mitarbeiter der Produktionsfirma die Schnipsel nachliefert; kleine Empfehlung: einfach auf YouTube stellen. Oder ZACKBUM.ch schicken.

 

*Anmerkung der Redaktion: Anderthalb Stunden nach Erscheinen des Artikels ging noch eine Stellungnahme von Reto Brennwald ein, der zuvor an die Medienstelle verwiesen hatte: «Die Programmverantwortung liegt bei mir. Da die kurze Auseinandersetzung mit Markus Somm nichts mit dem Thema zu tun hatte, schlug ich vor, sie wegzulassen, womit Markus Somm einverstanden war.» Am Donnerstagmorgen antwortete Markus Somm, dass es nichts zu sagen gebe.

3 Kommentare
  1. Martin Schwizer
    Martin Schwizer sagte:

    Schweizer Farbfernsehen? Das ist eher Schweizer Schwarz-/Weiss-Fernsehen. Hier die Guten, da die Bösen. Zieht sich durch das Volkerziehungsfernsehen wie die Nabelschnur zum Fötus. Jüngstes Beispiel: Rundschau gestern, ein «Beitrag» über Coronaskeptiker unter Aerzten. Noch nicht mal das haben sie im Newsroom geschnallt, dass das keine Coronaskeptiker sind, sondern Masssnahmenskeptiker. Und wenn Herr Schregel sogar darauf hinweist, man bleibt bei der Diffamierung. Wird Zeit, diesem Fernsehen definitiv den Stecker zu ziehen. Die Bürger haben von Staatspropaganda direkt aus Bersetien definitiv genug gesehen.

    Antworten
  2. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    Moderator Brennwald hat ganz am Schluss der Sendung Somm gedemütigt, quittiert mit Gelächter der Frauen gegenüber. Ein No-Go.

    Antworten
  3. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    War eine witzige Runde die da zusammen kam. Die beiden Frauen, Kasachstan-Markwalder und TA Moser-Aebischer die immer noch behaupten die EU sei ein demokratisches Gebilde und scheinbar nicht mitbekommen haben wie von der Leyen «demokratisch» zur EU-Präsidentin bestimmt wurde, wo sie heute das gleiche Desaster anrichtet wie im deutschen Verteidigungsministerium. Wie die Visegrad-Staaten Reformen oder gemeinsames Vorgehen blockieren. Da sind beide Frauen gleich bescheuert oder lügen.

    Philip Erzinger, früher CEO des St.Gallen Symposiums und Chief of Staff von CEO Tidjane Thiam bei der Credit Suisse. Nachdem TT gefeuert wurde bei «Allianz Kompass Europa» untergekommen ist und
    natürlich Stammgast Markus der eh Mühe mit Frauen hat und wenn sie aus der linken Ecke, links fängt bei ihm Mitte FDP an, kommen schnellt sein Puls raketenartig in die Höhe.

    Und da ist das Problem von Somm, eine Frau die argumentieren kann geht noch, zwei Frauen die argumentieren können ist für den Stammgast zuviel, Sobald er die Deutungshohheit verliert schwindet seine Contenance und er wird zickig. Dabei hätte er leichtes Spiel gehabt, das Rahmenabkommen in der heutigen Form ist nicht mehrheitsfähig, hat sogar FDP BR KKS, gemerkt, Erzinger hat das kapiert und war darum auch entspannt. Somm läuft immer dann zur Höchstform auf wenn er als einziger die Rampensau machen und Gegenpositionen vertreten kann. Wenn er nicht permanent zu Wort kommt, «däubelet» er oder schwafelt wie Tina Angelina drein. Erzinger war da besser und argumentativer.
    Laut Gerüchten hat Somm gesagt «Standpunkte» müsse einen neuen Stammgast suchen, das Beste was er gesagt hat aber geschnitten wurde. Hoffentlich steht er zu seinem Wort.

    Die Sendung war als Ganzes kein Gewinn, da ähnelt sie der ARENA. Die immer gleich langweiligen Gesichter vertreten immer die gleichen Positionen. Dass die Parteizentralen bestimmen wer in der ARENA teilnimmt ist nachvollziehbar, dass in einer «privaten» Sendung die Auswahlkriterien ähnlich sind ist peinlich.

    Brennwald hat wie immer tröge aber aufmerksam moderiert, bis am Schluss als Somm ausflippte weil er wegen den beiden unbedarften Ladyes nicht genügend zu Worte kam. Da gab es ein Highlight und Action, Somm versus Brennwald.

    Und was macht TA Media? Sie zensuriert. Die Leiterin Kommunikation Tamedia, Nicole Bänninger, macht den Dmitri Sergejewitsch Peskow, Pressesprecher von Putin. Sie redet Zensur schön, «unangemessen», «wurde entschieden», «irrelevante Sequenz», «absoluter Ausnahmefall». Wer und auf welchen Wunsch entschieden wurde, Keine Transparenz, Schweigen. Ein Fall für das Recherche Desk von TA, wenn sie dürfen!

    Einmal mehr, TA Media hält ihre LeserInnen nicht für mündig und fähig einzuordnen, für doof. Sie manipuliert das Geschehen, zensuriert nach Innen und Aussen wie in Putins Reich. Folge der internen Zensur, mangels Arbeit müssen wieder Teile der TA Redaktion in Kurzarbeit gehen, kann man lesen nur nicht bei TA!

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu Victor Brunner Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert