Neues aus Entenhausen
Was haben die Schweizer Medien damit zu tun? Na, alles, eigentlich.
Jung und Alt können sich bis heute an den lustigen Taschenbüchern mit Donald Duck, Daisy Duck, Dagobert Duck, den drei Neffen, Düsentrieb, den Panzerknackern, Gustav Gans und so weiter begeistern.
Warum? Weil man sich so schön zu Hause fühlt. Warum das? Weil alle Charaktere so heimelig gleich bleiben. Dagobert ist reich und geizig, Donald der ewige Verlierer, Gans der Glückspilz, usw. Jede Story muss sich an diese Rahmenbedingungen halten, einfach neue Varianten entwickeln, humorvoll sein, auch sprachlich herausragend, solange Dr. Erika Fuchs kongenial für die deutsche Übersetzung zuständig war.
Natürlich gibt es auch Zeitungen in Entenhausen, allerdings monopolartig in den Händen von Dagobert Duck oder Klaas Klever. Also eigentlich wie in der Schweiz.
Das passiert dem Schweizer Leser eher selten …
Aber humorvoll, sprachlich anspruchsvoll? Das kann man dem Schweizer Journalismus im Allgemeinen nicht vorwerfen. Varianten vom Ewigleichen, das schon. Nehmen wir nur ein Thema, das sich neben Corona einigermassen behauptet. Die Denunziation von Rassismus in jeder Form.
Scheisswetter verhindert den Kampf im Freien
Zugegeben, so wankelmütig ist der Mensch, die Zeiten, wo jeder Mohrenkopf mit Tod und Boykott bedroht wurde, ansonsten zurechnungsfähige Menschen niederknieten, zumindest den Kopf senkten, und «Black Lives Matter» grölten, um ihrem tiefen Schuldgefühl Ausdruck zu verleihen, sind vorbei. Ist ja auch ein Scheisswetter für den Kampf gegen Rassismus im Freien.
Aber, das geht, gut beheizt im coronafreien Home Office, da kann man seine Erbschuld, als Weisser (oder Weisse!) geboren zu sein, abtragen. Allerdings, wie meist, wenn sich Intellektuelle vertieft Gedanken machen, wird’s recht schnell kompliziert.
Denn, oh Graus, dürfen Weisse überhaupt über Rassismus gegen Schwarze schreiben? Oder reden? Eher nicht, sind Antirassisten überzeugt. Logisch, um Rassismus gegen Schwarze zu erfahren, muss man schwarz sein. Kann doch nicht so schwer sein.
Rassismus, struktureller Rassismus, positiver Rassismus
Zudem gibt es ja noch den strukturellen Rassismus. Was ist das? Nun, wenn ein Weisser sagt: «Alle Schwarzen sind blöd», dann ist das offensichtlich Rassismus. Allerdings von einem sehr einfältigen Rassisten. Es gibt aber auch raffinierte und ganz clevere. Denen kann man ihren Rassismus nicht so einfach aufspüren und denunzieren. Also handelt es sich hier einwandfrei um strukturellen oder institutionellen Rassismus.
1967 von Stokeley Carmichael und Charles V. Hamilton im Buch «Black Power» in die Debatte eingeführt. Aber wer weiss das heute schon noch. Deshalb verwendet man diesen Begriff nur noch für: «Ich kann’s nicht festmachen oder belegen, aber es ist einwandfrei Rassismus.»
Um all den oberschlauen Rassisten auch das letzte Schlupfloch zu stopfen, gibt es dann auch noch den «positiven Rassismus». Denn wenn einer positive Sachen über Schwarze sagt, dann kann das selbstverständlich auch rassistisch sein. Wie das? Nun, jetzt wird’s einen Moment kompliziert. Zum Beispiel die Aussage «Schwarze tanzen gut» könnte oberflächlich betrachtet ein Lob sein. Ganz falsch. Das ist diskriminierend, ausgrenzend, reduzierend. Das soll Assoziationen zu in Baströcken tanzenden Schwarzen auslösen, die – anstatt was Anständiges zu arbeiten – den lieben, langen Tag zu wildem Getrommel tanzen.
Keiner zu klein, Mikrogruppe zu sein
Mindestens so wichtig ist die Granulierung der Betroffenen. Damit ist gemeint, dass natürlich ein schwarzer Homosexueller ganz andere Diskriminierungen als ein weisser erlebt. Hier muss man weiter differenzieren, ob es sich um einen afrikanischen, in Europa lebenden, sozial prekären oder wohlhabenden schwulen Schwarzen handelt; nicht zu vergessen den Unterschied zwischen Stadt und Land.
Wir versuchen, zusammenzufassen. Es ist immer fragwürdig, wenn Weisse über Schwarze reden. Da die Rolle zwischen Herr und Knecht über Jahrhunderte verteilt war, ist es hingegen völlig okay, wenn Schwarze über Weisse reden. Allerdings wäre es wünschenswert, wenn nur städtische, schwule, schwarze Zahnärzte über die Probleme ihrer Leidensgenossen sprechen würden.
Wer darf denn über Diskriminierungen von Frauen sprechen?
Ganz verschärft (Pardon) gilt das natürlich für Geschlechterfragen. Es ist doch nur Ausdruck jahrtausendealter männlicher Unterdrückung der Frau, dass es bis heute Männer wagen, überhaupt über Frauendiskriminierung, Feminismus, gendergerechte Sprache und Ähnliches zu reden. Als ob sie sich in eine Frau hineindenken könnten. Auch hier gibt es alle Spielarten von struktureller oder positiver Diskrimination.
Richtig geraten, eine heterosexuelle, weisse Frau kann nicht über die Probleme von schwarzen, lesbischen Frauen sprechen, ohne kulturimperialistisch sich diese Fähigkeit anzumassen.
Eigentlich darf niemand über keinen reden
Genauer betrachtet gilt das eigentlich für alle. Dicke nicht über Dünne, Laien nicht über Fachleute, Ingenieure nicht über Köche, des Lesens Mächtige nicht über Analphabeten, Chinesen nicht über Indianer, Japaner nicht über Afrikaner, und Weisse sowieso eigentlich über nichts, vor allem, wenn es alte, privilegierte Weisse sind.
Damit ist zwar jeder Meinungsaustausch, jede Kommunikation verunmöglicht. Aber dafür ist endlich alles politisch korrekt. Da ich die ganze Zeit hier über Themen geschrieben habe, von denen ich nichts verstehe, ausser über die Erbschuld des privilegierten weissen Mannes, muss ich aus Respekt auch verstummen.
Ist doch ganz einfach, wird uns weiszumachen versucht: das «gefühlte» Geschlecht kann täglich aus dem Strauss von angeblich 65 Geschlechtern ausgesucht werden. Fehlt noch die Auswahl der gewünschten Hautfarbe. So wird «Hineindenken» ziemlich überflüssig. Fazit: obsoleter Gender-Gaga.