Alleskönner Praktikant bei Watson

Eine Praktikumsstelle bei Watson für journalistische Werbetexte lässt tief blicken.

Auf medienjobs.ch gibt es immer allerlei Wissenswertes zu entdecken. Es ist ein wenig der Indikator, wie es der Branche so geht. Aktuell sucht watson.ch «einen Praktikant Native Ad 100% (w/m)». Dass im Inserat der Akkusativ verloren ging, egal! Viel wichtiger ist das Jobprofil:

Du konzipierst und koordinierst die Abwicklung von Sonderwerbeformen.

Du arbeitest dabei an der Schnittstelle zwischen Redaktion, Verkauf und Innendienst.

Du übernimmst die Stellvertretung der «Redaktionsverantwortichen Native Ad» während ihren Ferienabwesenheiten.

Du ergänzt das Team aufgrund unserer Expansion in die Romandie.

Als bestandener Journalist und Redaktor muss man leer schlucken. Das sind doch einige recht anspruchsvolle Voraussetzungen. Vor allem Schnittstellenfunktionen setzen normalerweise eine gewisse Erfahrung voraus. Und dann dies: Ferienstellvertretungen der «Redaktionsverantwortlichen Native Ad». Zumindest für den Lebenslauf ist das natürlich toll: Schon als Praktikant Verantwortung übernommen und den Chef vertreten.

Für ZACKBUM-Leser (allenfalls) zur Info: Native Advertising (zu Deutsch «Werbung im bekannten Umfeld») ist eine Werbeform, die «nur schwer von redaktionellen Artikeln zu unterscheiden ist und die Aufmerksamkeit der Nutzer durch Tarnung auf sich zieht».

Watson wünscht sich von den Bewerbern «abgeschlossene Grundausbildung, idealerweise Grundstudium». Das ist mittlerweile fast schon normal, auch wenn gemäss Definition ein Praktikant das ist: «Arbeitnehmer, der sich einer bestimmten Tätigkeit und Ausbildung in einem Betrieb unterzieht, die Teil oder Vorstufe einer anderweit zu absolvierenden Ausbildung (z.B. Hochschulstudium) ist.»

Praktikum, Volontariat?

Zuerst Praktikum, dann Studium abschliessen. Sonst wäre es ein Volontariat. Das zum Beispiel macht aktuell Anielle Peterhans beim Tages-Anzeiger. Sie hat schon einige Lorbeeren eingeheimst, etwa den Titel «Journalistin des Jahres» mit der Crypto-Leaks-Recherche.

Aber wir sind ja «erst» beim Praktikum: Bei watson muss man für den Nativ Ad-Job «erste berufliche Erfahrungen im journalistischen Bereich» haben. Das ist darum speziell, weil gerade watson immer wieder betont, wie strikte Redaktion und Werbeabteilung getrennt seien. Oder sonst konstruiert watson eine eigenartige Parallelwelt. In einer Antwort an den Presserat schrieb watson 2017: «Um zu gewährleisten, dass die RedaktorInnen Inhalte nicht im Sinne der Werbepartner erstellen (…), wissen die AutorInnen nicht, wer der Kunde ist. Sie wissen zwar, dass es sich um ein NativeAd handelt, der Absender (…) ist ihnen aber so lange unbekannt, bis dieses von der Chefredaktion oder dem Chef vom Dienst publiziert wird.» Eine leicht schräge Argumentation, die in der Szene immer wieder Kopfschütteln oder zumindest ein Schmunzeln auslöst.

2000 Franken für einen «Vollwert-Job»?

Aber sei’s drum. Immerhin bekommt man bei watson.ch mit 2000 Franken relativ viel Lohn für ein Praktikum. Dafür ist man aber, zumindest wenn man den Job als «Praktikant Nativ Ad» bekommt, sofort eine vollwertige Arbeitskraft. «Learning by doing», heisst das wohl. Die Abteilung Nativ Ad ist ein wichtiges finanzielles Standbein von watson. Mindestens 20 – 25 % des watson-Umsatzes stammt aus dem Erlös von NativeAds.

Der Verband «Junge Journalistinnen und Journalisten Schweiz» hat eine Umfrage gemacht zu Praktikantenstellen und Löhnen. Die Umfrage stammt zwar von 2017, aber es ist nicht anzunehmen, das man heute mehr Geld bekommt. Eher, dass man mehr leisten muss, siehe watson.

 

 

 

 

 

3 Kommentare
  1. Rudolf Penzinger
    Rudolf Penzinger sagte:

    Früher nannte man das Ausbeutung. Bezeichnend für den Journalismus ist der Umstand, dass sich die Opfer hier sogar um den Job reissen – und damit ihrerseits mithelfen, den Beruf noch weiter in Verruf zu bringen.

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  2. Tim Meier
    Tim Meier sagte:

    «Du übernimmst selbständig CNN/NYT/WP Artikel mittels Copy & Paste» fehlt noch im Jobprofil. Google Translate nicht vergessen!
    Die Generation Praktikum hangelt sich für ein Butterbrot von Stelle zu Stelle. Und merkt anfangs 30ig, dass sie nicht wirklich Fuss fassen, geschweige denn eine Familie gründen kann. Die Pandemie wird den Spreu noch mehr vom Weizen trennen. Da werden einige Wunschberufe schlicht obsolet und die Zeiten der Quereinsteiger sind definitiv vorbei.

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    • Rolf Karrer
      Rolf Karrer sagte:

      Früher nannte man diese Einsteiger «Stagiaire» (Praktikant). Zeitdauer in einer Unternehmung war meist für eine absehbare Zeit von einigen Monaten. Heute sind die Erwartungen gewaltig gestiegen (siehe Jobprofil oben bei Watson) Etliche meinen, dass eine Arbeit im «Journalismus» bei 20 Minuten und Watson SPRUNGBRETT sein könnte, für höhere Aufgaben.

      Die Praktikumsseuche ist leider weit verbreitet. Ein sehr angesagtes international tätiges Architekturbüro in Basel stellt auch etliche Praktikanten an. Arbeiten halb gratis dort, nur um diese Tätigkeit bei Linkedin ausweisen zu können. Auch Jungköche arbeiten billig, um in angesagten Restaurants arbeiten zu dürfen.

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