Probieren statt jammern
Strategie der Schweizer Medienhäuser: jammern, bis die Subvention kommt. Es geht auch anders.
Kuba macht’s seit 60 Jahren erfolgreich vor. Eigenes Versagen, unfähige Funktionäre, eine am Boden liegende Landwirtschaft, turmhohe Schulden? Moment bitte, daran ist nicht etwa das Regime schuld, sondern die grausame Handelsblockade der USA.
Diesem Vorbild eifern die Schweizer Medienhäuser nach. Zum Skelett runtergesparte Redaktionen, zusammengepfercht in Zentralredaktionen? Ins Internet abschwirrende Inserateplattformen für so ziemlich alles? Inhaltlich krankgeschrumpfte und papierdünn gesparte Printausgaben für stolze Preise? Das Zerschlagen der Lokalberichterstattung? All das eiskalt serviert als Straffung, Fokussierung, Verbesserung?
Wir sind nicht dran schuld
Da sind nicht wir daran schuld, jammert die Teppichetage, der Overhead, die teuer bezahlten Manager. Wer konnte denn ahnen, was das Internet alles auslöst? Wer konnte denn kommen sehen, dass wir uns von Google, Facebook & Co. die Butter vom Werbebrot nehmen lassen? Unvorhersehbar, dass die Ausgaben für Online-Marketing als einzige weiter steil ansteigen. Und dann noch Corona. Also wir sind nicht daran schuld.
Dann jammern sie weiter, dass man doch dies und das probiere. «20Minuten», weiterhin gratis, aber nun auch mit bewegten Bildern. «watson», das Millionengrab aus dem Hause Voigt, von einem Verleger weitergeführt, der sich nicht nachsagen lassen will, dass er zu alt für Innovation sei.
Dazu dies und das, pay per view, Tagespass, wenig gratis, viel Bezahl-Content, gelegentlich auch mal eine multimediale, interaktive Story. Da spürt man beim Lesen, wie sich die Macher vor Ehrfurcht selber auf die Schultern gehauen haben. Mehr geht halt nicht, was soll man machen? Ach ja, doch, vierte Gewalt, Kontrollinstanz, demokratierelevant, darf nicht absaufen. Also her mit den Subventionen.
Welche Subventionen für wen, und warum nicht?
Natürlich nicht für alle, nicht so, mehr für Print, mehr für die Grossen, nichts für Gratis-Plattformen, grosser Streit. Tamedia bleibt der Goldesel des Coninx-Clans. Ringier ist mitten im Umbau zum digitalen Gemischtwarenladen. CH Media verdaut immer noch den Zusammenschluss mit den NZZ-Zeitungen. Nur die NZZ setzt weiterhin unverbrüchlich auf journalistischen Content für die happy few.
Na und, sagen da die hochbezahlten Manager, meckern kann jeder. Was gibt es denn für Alternativen zu kassieren, jammern und um Subventionen betteln? Jede Menge gibt’s. Letzthin mal die Webseite von «The Guardian» angeschaut? Oder von «The Economist»? Letzthin mal einen Artikel in «Financial Times» gelesen und keine feuchten Augen bekommen? Gehört, dass die «Washington Post» ihren Newsroom weiter ausbaut? Auf 1010 Redaktoren?
Schon mal darüber nachgedacht, wieso ein eigentlich völlig aus der Zeit gefallenes Zeitungsmodell wie «Le canard enchaîné» dermassen erfolgreich ist? Oder «The New Yorker»? Selbst «Mother Jones», «The Atlantic», «Vanity Fair»? Ach, kann man alles nicht vergleichen? Englisch, viel grösseres Zielpublikum, Ausnahme, und was hat das mit neuen Formen im Internet zu tun?
Schon mal was von neuen Entwicklungen gehört?
Okay, dann schon mal was von Substack gehört? Nein? Der neuartigen Plattform, auf der unter anderem Glenn Greenwald, der Gefährte von Edward Snowden, und viele andere grosse Namen und hoffnungsvolle Newcomer publizieren? Schon mal davon gehört, dass die paar tausend auch in den USA entlassenen Journalisten nicht einfach jammern, sondern Blogs, Newslettern, One-Man-Shows zu neuer Blüte verhelfen?
Oder eben von Plattformen wie Substack unterstützt werden? Obwohl in den USA die Medienszene sich zwar auch quält, aber fröhlich steigende Online-Abonnements und Leserzuspruch verzeichnen kann? Weil auch Einzelnewsproduzenten natürlich davon träumen, die nächste Hufpost zu werden, aber mit 1000 Subskriptionen à 100 Dollar auch schon recht angenehm leben können?
Welches Medienhaus in der Schweiz behauptet nicht nur, in Content zu investieren und die Möglichkeiten des Internets voll auszuschöpfen? Indem der Verleger den Journalisten mit auf den Weg gibt, dass sie in Zukunft auch filmen und aufzeichnen sollen? Indem aus reinen Spargründen auch online und Print zusammengelegt werden, obwohl das eine mit dem anderen so viel zu tun hat wie eine Dampflok mit dem TGV?
Versuch und Irrtum, neuer Versuch, besserer Irrtum
Try and error, natürlich. Die englischsprachige Ausgabe von «De Correspondent» aus Holland flopte grandios, nach einem Jahr wurde der Stecker gezogen. Die Inhalte waren viel zu beliebig, mehr Welt- und Gesinnungsjournalismus, kein Grund für genügend Abonnenten, den Mitarbeitern bei der Selbstbefriedigung zuzuschauen. Aber es gibt «The Dispatch», es gibt weiterhin die erfolgreichen Grossblogs.
Vor allem: es wird agiert, nicht reagiert. Es wird probiert, nicht Bedenkenträgerei versprüht. Es wird Neuem eine Chance gegeben, aus dem Wissen heraus: jeder neue Erfolg im Content-Journalismus hilft allen. Und in der Schweiz? Flops und Millionengräber. Denn es ist ja nicht so, dass man hierzulande kein Geld zusammenkratzen könnte. Nur verröstet man es dann mit völlig am Markt und Zielpublikum vorbeigebastelten Organen. «TagesWoche», «bajour», «Republik», Trauerspiele. Mal schauen, ob es konservative Kreise besser können.
Super Beitrag, danke!
«Ach ja, doch, vierte Gewalt, Kontrollinstanz, demokratierelevant, darf nicht absaufen. Also her mit den Subventionen.»
Staatlich subventionierte Kontrollinstanz – ein Oxymoron erster Klasse. Auch hier zeigt sich die Heuchelei, vielleicht sogar Falschheit, Verlogenheit, der meisten Medienschaffenden.
«Vor allem: es wird agiert, nicht reagiert.»
In der USA und grundsätzlich bei den aufgeführten Beispielen sind marktwirtschaftlich orientierte Macher am Werk. In Europa haben wir es mit von sozialistischen Utopien lebenslang geprägten Träumern zu tun, deren wichtigstes Anliegen es nach wie vor ist, den tumben Leser zu einem besseren Menschen zu erziehen.
Ich warte schon auf den neuen Nebelspalter und bin auch bereit dafür zu bezahlen, wie ich auch für Zackbum bezahlen würde oder Die Ostschweiz. Aber für den Schwachsinn der staatlich bezahlten Medien ist jeder Franken zu viel. Darum mussten auch Zwangsgebühren oder Steuergelder her.