«Es zeigt sich das Versagen der alten Herren»

«Kleine und mittelgrosse Verlage inklusive CH Media sollten sich besser aus der Geiselhaft der Konzerne befreien» findet Kaspar Surber (40) von der WoZ im Vorfeld der Dreikönigstagung des Verlegerverbandes.

Die Dreikönigstagung des Verlegerverbandes Schweizer Medien (VSM) gilt schon länger als Kongress der Dampflokomotiven-Hersteller. Immerhin wird sich am 6. Januar 2021 nicht mehr in einem piekfeinen Fünfstern-Hotel zugeprostet wie sonst meist. Doch das neunköpfige Präsidium präsentiert sich wie aus der Zeit gefallen. Alles gesetzte Herren mit den Dinosaurier Hanspeter Lebrument (79) und Hans Heinrich Coninx als Alters-Ehrenpräsidenten. Wo gibt’s das sonst noch? Auch die online einsehbare Liste der Mitglieder ist nicht ganz à jour. Es fehlt Ringier, obwohl die Verlagsnummer 2 der Schweiz wieder dabei ist. Und Bernhard Maissen wird immer noch als Chefredaktor von Keystone-SDA geführt, obwohl er seit zwei Jahren BAKOM-Chef ist. Doch genug gemäkelt. Fragen wir doch Kaspar Surber, Redaktionsleiter der «Wochenzeitung WoZ» , was er vom Verlegerverband hält. Surber (40) hat vor vier Jahren Schlagzeilen gemacht, weil er fürs Präsidium des Verlegerverbandes kandidierte. Natürlich erfolglos.

Kaspar Surber, 2016 kandidierten Sie fürs Präsidium. Warum versuchen Sie es nicht nochmals?
Leider ist meine Kandidatur damals am Machtkartell im Verlegerverband gescheitert. Im VSM gibt es ja ein Zensuswahlrecht. Dabei hatte ich eine flammende Rede auf die Medien und die Demokratie gehalten.

Sogar Liliana Lebrument, die Gattin des damaligen Verlegerpräsidenten, hat mir dazu gratuliert.

Weil man unsere Dienste nicht in Anspruch nehmen wollte, sind wir danach aus dem VSM ausgetreten. Wir haben den Verband «Medien mit Zukunft» mitgegründet, der sich seither sehr erfolgreich entwickelt.

Eine Unruhe im Präsidium des VSM täte dem Gremium aber schon gut, oder?
Mir scheint gerade, dass die Mitglieder des VSM schon genug Unruhe unter sich haben. Bei der Diskussion über die Medienförderung hörte man vom Präsidium ziemlich widersprüchliche Signale: Die Interessen der Konzerne und der kleineren Verlage lassen sich offensichtlich immer weniger unter einen Hut bringen.

Der Hardcore-Sanierer Pietro Supino als Verlegerpräsident. Ist das nicht stossend wegen seiner Doppelfunktion?
Dass einer der Verleger gleichzeitig der Präsident sein muss, ist schon logisch. Stossend finde ich viel eher, dass  Supino sich und dem Coninx-Clan über Jahre eine Millionendividende auszahlte und gleichzeitig beim Journalismus sparte. Kann so ein Präsident ein Vorbild für die ganze Branche sein?

Repräsentiert das 9-köpfige Präsidium die sich verändernde Medienwelt genügend?
Ich habe extra nochmals nachgeschaut: Es sitzen tatsächlich neun Männer und keine Frau im Präsidium. Das ist 2021 doch alles andere als zeitgemäss.

Und wie ich schon antönte: Die kleinen und mittelgrossen Verlage, dazu zähle ich auch Peter Wanners CH Media, sollten sich besser aus der Geiselhaft der Konzerne befreien.

Sie können sich auch gerne dem Verband der Medien mit Zukunft anschliessen: Wir freuen uns über alle neuen Mitglieder, die im Journalismus ihr Kerngeschäft sehen.

Die Tamedia kassierte allein bis September 4,2 Millionen Kurzarbeits-Gelder. Was sagen Sie dazu?
2020 gab es soviel zu berichten wie nie.

Wie man da Journalistinnen und Journalisten auf Kurzarbeit setzen kann, kann ich nicht nachvollziehen.

Selbstverständlich will ich die Werbekrise in unserer Branche nicht kleinreden. Aber die starke Nachfrage nach qualitativ guten Berichten zeigt, dass der leserfinanzierte Journalismus durchaus eine Chance hat. Diesen muss man vorantreiben.

Keystone-SDA ist in arger Schieflage. Was halten Sie von der Stützung durch den Staat von 4 Millionen Franken für 2021?
Das finde ich eine äusserst sinnvolle Form der staatlichen Medienförderung: für die SDA, für die Regionalzeitungen, für alle. Richtig wäre es als nächster Schritt, die SDA zu vergemeinschaften und wie die SRG zum Service Public zu machen.

Auch hier zeigt sich das Versagen der alten Herren aus dem VSM: Sie konkurrieren die Nachrichtenagentur, an der sie selbst als Aktionäre beteiligt sind, mit eigenen Angeboten.

Der Bund sollte ihre Aktien übernehmen und die SDA in eine unabhängige Genossenschaft überführen, damit das Trauerspiel endlich ein Ende hat, gerade für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SDA.

Noch eine Frage zur Republik: Was halten Sie von der bisherigen journalistischen Leistung des Teams, gerade verglichen mit der WoZ.
Die Republik macht journalistisch gute Arbeit und setzt auf ein nachhaltiges Finanzierungsmodell. Wir freuen uns, dass wir einen Partner haben, der in eine ähnliche Richtung arbeitet wie die WOZ. Was gibt es Besseres, als sich am Morgen bisweilen über eine Geschichte zu ärgern, weil man sie auch gerne im Blatt gehabt hätte? Konkurrenz belebt das Geschäft – sofern sie auf Journalismus setzt und nicht auf Contentproduktion.

Das Gespräch wurde schriftlich geführt.

Wer teilnehmen will an der Dreikönigstagung des  Verlegerverbandes Schweizer Medien, kann dies kostenlos tun. Der Kongress findet erstmals online statt: Hier geht’s zur Anmeldung.

Und wer sich selber ein Bild machen will vom VSM, hier der Link zum aktuellen Jahresbericht des Verlegerverbandes.

3 Kommentare
  1. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    Alte Plumpheiten aus der gammligen roten Bubble. Keystone-SDA soll also mit Steuergeldern der arbeitenden Bevölkerung alimentiert werden, bzw. der Bund soll ihre Aktien übernehmen. Das sei nämlich eine «äusserst sinnvolle Form der staatlichen Medienförderung». Schon klar. Aus linker Sicht ist Staatspropaganda zentral, um Gleichschaltung herzustellen.

    Dazu undifferenziertes Konzern-Bashing, ohne aber zu verraten, wie die «kleinen und mittelgrossen Verlage» sich selbst überlassen bestehen können. Wobei, jetzt fällt es auch mir ein: Kapitalismus abschaffen! Medien verstaatlichen!

    «Es sitzen tatsächlich neun Männer und keine Frau im Präsidium. Das ist 2021 doch alles andere als zeitgemäss.»

    Tatsächlich! Ist ganz fest schlimm! Aber er hat doch selbst für das Präsidium kandidiert? Und was ist mit dem Personal in «Präsidium und Vorstandschaft» seines Verbandes «Medien mit Zukunft»? Genau: Mehrheitlich männlich, Ü40 (auch Hansi Voigt ist dabei), dazu viel zu weiss. Fazit: Typisch linke Heuchelei.

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  2. Andreas Willy Rothenbühler
    Andreas Willy Rothenbühler sagte:

    Die Frage des Tages !
    Zackbum ist das MEDIUM MIT ZUKUNFT !
    Seit ihr also Mitglied von diesem Verband «Medien mit Zukunft»
    ? ? ?
    Und wo ist Euer Platz? ( zwischen Bajour und Republik )

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  3. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Das Präsidium des VSM ist ein Kabinett des kollektiven und individuellen Scheiterns, daher ist es auch keine Dreikönigstagung, sondern eher eine Almosenbezügertagung. Hauptthema: wie kommen wir noch vermehrt an die Honigtöpfe der SteuerzahlerInnen, oder wie jammern wir uns zum Erfolg? Ohne uns qualitativ zu verbessern. Ohne copy-paste- und Mainstreamjournalismus.

    Dazu passt der CoC. des VSM:
    https://www.schweizermedien.ch/uber-uns/code-of-conduct

    Da wird von voller Transparenz geschwafelt obwohl alle Medienhäuser Blackboxes sind, Fragen zu Hilfen des Bundes, sprich der SteuerzahlerInnen, Zwangsabonnenten, werden nicht oder nur ungenau und ausweichend beantwortet! Transparenz ist gefürchtet.

    Dass von dem 9köpfigen grauen Männerpräsidium keine wesentlichen und zukunftsgerichteten Inputs zu erwarten sind versteht sich. Das einzige was die Herren unterscheidet, der oberste Greis trägt Fliege, 4 tragen Krawatten und 4 weder noch, vielleicht können sie den Hals nicht vollkriegen.

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