Keystone-SDA verliert Millionenbetrag und weiteren Grosskunden
Frust in der Branche wächst
Entgegen der landläufigen Meinung war die Übernahme der Bildagentur Keystone der wohl beste Schachzug der Nachrichtenagentur SDA in den letzten 20 Jahren. Obwohl sich damit die Agentur eine österreichische Mitbeteiligung einhandelte (30%), hält sie seit drei Jahren einen Trumpfkarte bei den Verhandlungen: einen Bilderschatz, der täglich grösser wird.
Wie ZACKBUM in Erfahrung bringen konnte, sind die wichtigsten Verhandlungen nun unter Dach und Fach. Mehrere Verlage wollten eigentlich auf 2021 ganz aus den Verträgen aussteigen, da sie von den Textnachrichten von Keystone-SDA zu wenig profitierten.
«Arrogante Verkäufer»
Das wichtigste Pfand in den Verhandlungen soll die Bilderagentur gewesen sein. Ohne diese sprudelnden Bilderquelle müssten die meisten Verlage mit Symbolbildern arbeiten. Das zeigt sich auch in der Zusammensetzung der Kosten. wie ein Beteiligter sagte: «30 Prozent bezahlen wir für die Texte, 70 Prozent für die Bilder.» Hinzu kommt, dass bereits eingekaufte Bilder bei einer Vertragskündigung mühselig aus den Artikeln entfernt werden müssten.
In den Verhandlungen Ende Jahr wurde hart gefeilscht. Früher galt noch: Die Nachrichtenagentur bestimmt den Preis. Mit dem Ausscheren verschiedener Medien hat sich das geändert. Laut Aussagen mehrerer Medienvertretern sollen die Verkäufer von Keystone-SDA aber anfangs «arrogant bis zum Gehtnichtmehr» aufgetreten sein. Im Verlaufe der Preisverhandlungen sollen sie sich dann über ihre eigene Geschäftsleitung beklagt haben, die ihnen kein Handelsspielräume erlaubten.
Am Ende gingen die Preise dann erstaunlich doch runter, und zwar zwischen 10 und 20 Prozent. ZACKBUM weiss von einem Nachrichtenmedium aus den Top Ten der Schweiz, welches 2022 ganz aus Keystone-SDA aussteigen will, und damit dem Beispiel von «20 Minuten» folgen wird. Es wird dann sehr eng für Keystone-SDA.
2 Millionen Franken gehen wegen «20 Minuten» flöten
«20 Minuten» wagt nun die Selbstständigkeit von der Agentur schon für nächstes Jahr. Um das zu stemmen, stellt es 20 Journalisten ein. «Und das zu tieferen Gesamtkosten», wie eine Medienverantwortliche gegenüber ZACKBUM sagte. Im Klartext: Ein Jahresabo bei der Nachrichtenagentur Keystone-SDA ist für «20 Minuten» teurer als der finanzielle Aufwand für 20 Vollzeitstellen. Dieser dürfte bei über 2 Millionen Franken liegen. Keystone-SDA wollte sich zu den Verhandlungen nicht äussern. Es gelte weiterhin das Ziel, eine Branchenlösung für die Verlage zu sein. Und: Bild und Text seien «unabhängig voneinander buchbar.»
Die Keystone hat professionelle Top-Fotografen angestellt. Bin oftmals berührt, über diese hochstehende Bildsprache der Extraklasse dieser Profis. Dies hat halt seinen Preis. Looser’s «20 Minuten» mit seinem zukünftigen 20-Personen-JEKAMI-Team wird wohl noch auf die Welt kommen, eine Thematik fototechnisch hochstehend umzusetzen. Wie ich persönlich weiss, hat auch die CH Media vor mehreren Jahren einmal den Vertrag mit Keystone gekündigt. Man sah unmittelbar danach die enorme Qualitätseinbusse der Zeitung bezüglich Bildqualität in ihren Publikationen. Etliche Bilder mussten von der Bildredaktion der Aargauer Zeitung legal/halblegal/illegal aus zwiespältigen Quellen bereitgestellt werden. Zwei Nachteile, die diese Theoretiker damals schlichtwegs nie verstehen wollten: 1. Massive Qualitätseinbusse 2. Die aufwendige und personalintensive Suche der AZ-Bildredaktion für Gratis- und Billigstbilder wurde schlussendlich gar noch teurer………… Nach einer gewissen Zeit der Selbstfindung ist der blauäugige Peter Wanner wieder sehr dankbar zu Keystone zurückgekehrt.
Ähnlich wie die ProLitteris, der schweizerischen Urheberrechtsgesellschaft für Literatur und Kunst, sollte der Klau von Bildern scharf geahndet werden. Unfassbar, was heute alles im Netz geklaut wird. Viele hart arbeitende freie Fotografen und von Agenturen werden immer dreister urheberrechtlich ausgebeutet. Die ProLitteris scheut sich nicht Millionenbeträge einzufordern.
Fazit: Ob Looser oder Wanner, alle unterschätzen die äusserst kostenintensive Arbeit von Keystone als Chronisten der Schweiz. Konnte selber einmal Einblick nehmen an der Grubenstrasse in Zürich, wie Millionen von Bildern hochexakt indexiert werden müssen, damit man diese digitalisierten Bilder auch in 50 Jahren wieder ohne Zeitverlust finden kann. Auch das qualitativ hochstehende Scannen und Digitalisieren von Bildern (und Glasplatten aus alten Tagen) ist ein hoher Kostenfaktor.
Glaube somit kaum, dass hier «sprudelnde» Einnahmen auszumachen sind, wie es Beni Frenkel zu glauben weiss.
Sie täuschen sich in einem Punkt: Für das Gratismedium 20 Minuten ist die Qualität der Fotos kein Argument. Die Zeitung wird aus den Boxen genommen, weil sie nichts kostet, nicht wegen ihrer Bildsprache. Zahlenden Abonnenten hingegen kann man verwackelte Handybilder nicht vorsetzen.
Auch bei der 20 Minuten-Leserschaft passiert im Unterbewusstsein einiges. Ob Inserenten oder Konsumenten: Es wird mit dem Auge gelesen. Verwackelte Bilder müssen gut begründet sein………..
Die damalige Pendlerzeitung «Metropol» wurde im Jahre 2002 aufgegeben. Die dürftige Papierqualität (besseres Toilettenpapier) und die völlig uninspirierte redaktionelle Arbeit gaben den Rest.
Auch 20 Minuten wird diese Marktgesetze zu Kenntnis nehmen müssen.
Diese Trash-Pendlerpublikation kann man leider nicht verbieten. Nimmt mich allerdings wunder, was für diese Standorte der 20 Minuten-Zeitungsboxen geldmässig abverlangt werden? Auch die Entsorgung dieses Gratisblattes aus Tram, Bus und SBB wird wohl nie vollumfänglich entgolten.
Denke, die 20 Minuten-Printausgabe müsste gesetzesmässig kostenpflichtig werden. Nur was etwas kostet, bekommt die entsprechende Wertschätzung. Einen Stutz CHF wäre das Minimum.
Eine gute Idee, die auch erzieherisch richtig wäre. Die fatale Entwicklung von Gratispublikationen ist ein staatspolitischer und ökologischer Unfug.
Bereits jetzt ist die Verblödung in der Schweiz weit fortgeschritten. Mit 20 Minuten werden in der Schweiz bestimmt keine mündigen Bürgerinnen und Bürger herangezogen.