«Keystone-SDA ist nicht mehr zeitgemäss»

Der 20-Minuten-Chef über die Gründe, warum man Keystone-SDA den Rücken kehrt.

«Keystone-SDA bietet ein zu breites Angebot, dass für uns zu wenig unverwechselbar ist», sagt Gaudenz Looser im Medientalk. Salvador Atasoy hat den Wechsel, über den ZACKBUM.ch zuerst berichtet hat, zum Hauptthema der aktuellen SRF-Sendung gemacht. Leicht ehrfürchtig listet Atasoy auf, dass Keystone-SDA jeden Tag mehrere 100 Meldungen erstelle. «Das sorgt für ein Grundrauschen an Infos», so Attasoy. Die Agentur helfe, den Überblick zu bewahren. Gefühlt ist Keystone-SDA in jeder zweiten der monatlich ausgestrahlten Sendungen Hauptthema. Das wohl darum, weil SRF (neben Ringier) der letzte treue Gross-Kunde ist.

Doch für Looser, seit 2019 Chefredaktor von 20Minuten, ist klar: Wirtschaftlich sei es nicht attraktiv, wenn das Gleiche auf anderen Portalen wie Blick und Watson auch zu lesen sei. «Wir müssen uns besser unterscheiden. Der Konsument merkt das, wenn wir das gleiche bringen wie die anderen». Finanziell lohne sich das nicht.

Nun baut 20Minuten selber ein Team auf. «Bemerkenswert ist, dass wir damit Stellen schaffen statt abbauen» findet Looser. Dass so Keystone-SDA in ernste Gefahr kommt, davon später. Looser ist überzeugt: «Online stellt das Prinzip der Agenturen in Frage. Dazu kommt das Tempo.» Seit acht bis zehn Jahren ist Keystone-SDA nicht mehr am schnellsten.» Auf Twitter erfährt man wichtige Dinge 20 Minuten früher», so Looser. Und wenn etwas in Randregionen passiert? Wie weiss 20Minuten davon? Looser zählt auf seine «sehr aktiven Leser, die Ereignisse rasch rapportieren». Zudem sei 20Minuten das einzige nationale Medium neben SRF. 20Minuten hat Redaktionen in Gebieten wie St. Gallen und Luzern, daneben auch in Lugano und in Genf.

Nun rekrutiert 20Minuten 20 neue Leute für die interne Nachrichtenagentur. Sie stellen die Agenda sicher, etwas, was bis jetzt Keystone-SDA geliefert hat. Sprich: Was findet wann wo statt. Dazu kommt auch ein eigenes Fototeam, das nicht nur fotografiert, sondern auch filmt. 20Minuten-VJ’s also.

Interessant ist, dass 20Minuten grundsätzlich nicht mit Tamedia zusammenarbeitet. «Es gibt keinen gemeinsamen News-Desk», so Looser. Das macht unternehmerisch durchaus Sinn, denn 20Minuten und Tamedia sind innerhalb der TX Group eigenständige Unternehmenszweige. Ebenfalls will man nicht mit anderen Medien, etwa CHMedia, zusammenarbeiten. «Dann hätten wir ja wieder dieselben Inhalte wie andere Medien» findet Looser.

Eine spezielle Randbemerkung: Looser bestätigt, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen animiert werden, Fotos zu schiessen und so einen Grundstock an Symbolbildern anzuhäufen. Denn auch das Fotoarchiv von Keystone-SDA fällt weg. Ob damit die hohe Fotoqualität gehalten wird, ist eine andere Frage.

Aktuell halten Ringier und SRF am Angebot von Keystone-SDA fest. Der Walliser Bote etwa wechselt aber zum neuen Agentur-Angebot von CHMedia.

Und was sagt Keystone-SDA zum spürbaren Aderlass?

Die Lösung scheinen laut Salvador Atasoy Subventionen zu sein. Bekommt die Agentur aktuell 2 Millionen Franken vom Staat, sollen es ab 2021 gar 4 Millionen sein. Doch dazu soll die heutige AG in eine Stiftung überführt werden. So soll verhindert werden, dass allfällige Staatsgelder als Gewinne oder Dividenden abfliessen. Wie weit die Gespräche im Verwaltungsrat gediehen sind, darüber will COO Jann Jenatsch nichts sagen. Erschwerend ist, dass mit APA eine Österreichische Firma 30% der Aktien hält. Diese hat wenig Interesse, künftig auf eine Gewinnorientierung zu verzichten.

Jenatsch: «APA stieg als Technologiepartner ein. Jetzt werden Diskussionen geführt». Zur Dauer der Verhandlungen kann oder will Jenatsch ebenfalls wenig sagen. «Wir sind mit der Politik unterwegs. Das dauert. Es braucht einen langen Atem und eine gute Fokussierung».

Finanziell sieht es eher beunruhigend aus. Dabei hoffte man, dass massivem Stellenabbau bei Keystone-SDA sei etwas Ruhe eingekehrt. Das scheint nicht der Fall zu sein, so die Einschätzung von Salvador Atasoy.

Laut Jann Jenatsch ist man momentan dabei, eine Leistungsvereinbarung mit dem BAKOM abzuschliessen. Daran geknüpft ist dann der Geldsegen von 4 Millionen pro Jahr. «Wir sollten die Vereinbarung in diesen Tagen unterschrieben zurückbekommen», so Jenatsch am vergangenen Samstag im Medientalk. «Damit soll die Leistung aufrecht gehalten bleiben». Aber auch mit 4 Millionen reiche das Budget nicht ganz. Weitere Einsparungen seien nötig. Keine Frage: 2021 wird ein schwieriges Medienjahr. Doch vielleicht muss Keystone-SDA doch weniger darben als andere Medienhäuser, die keine oder weniger Staatsgelder bekommen. Dort geht’s ans Existenzielle.

 

 

 

 

10 Kommentare
  1. Robert Holzer
    Robert Holzer sagte:

    Fazit, der Bund (nein, nicht die Zeitung) leistet sich nicht nur die unkritische Berichterstattung in der Tagespresse und im Regierungsfernsehen. Jetzt muss es auch noch die Kontrolle über eine Nachrichtenagentur sein.
    Aus Berner Sicht nachvollziehbar wenn man sich an den obersten Gasableser in Deutschland erinnert. In seinem früheren Leben als Kanzler formuliert er: „Zum Regieren brauche ich Bild, Bams und Glotze“. Für hiesige Verhältnisse also Tx Media, SRF und Ringier.
    Zackbum eher weniger.

    Antworten
  2. Ray Sinniger
    Ray Sinniger sagte:

    Gaudenz Looser versteht die Aufgabe von Keystone-SDA kaum. Diese Agentur kann nicht einfach bloss click-populäre Themen für 20 Minuten abarbeiten. Es wird von Keystone allerdings erwartet, die relevanten Themen in der ganzen Schweiz bereitzustellen. Dies kann beispielsweise auch eine Lawine in St. Antönien GR sein mit «bloss» zwei Verletzten. Dieser Vorfall im Prättigau mag für den populistischen Boulevard à la Blick und 20 Minuten kein Reisser sein. Hellhörig werden diese erwähnten Medien ja erst, wenn es dabei sarkastischerweise Todesfälle gibt……….

    Zweifellos ist es keine dankbare Aufgabe, wenn eine nationale Agentur unaufgeregt, aber faktenkorrekt, den täglichen ALLTAG abbilden muss. Dies ist die ultimative Erwartung an sie. Looser’s Diagnose mit dem Begriff «zeitgemäss» ist somit ziemlich entlarvend in seiner Denkweise.

    Die Schweiz braucht nun mal eine nationale Presseagentur; schon wegen unseren vier Landessprachen. In Neuseeland wurde vor neun Jahren die nationale Presseagentur NZPA (New Zealand Press Association) eingestellt. Der journalistische Kompass ist seither völlig abhanden gekommen in dieser ruralen 5 Mio Einwohner Inselnation. Sowas darf in der Schweiz nie passieren.

    Zu Erwähnen ist auch das sehr umfassende Bildarchiv von Keystone. Die Bewirtschaftung dieses kostbaren Archives ist sehr teuer. Etliche private Bildarchive wurden letzthin dem Staat vermacht, beispielsweise die Bildagentur Comet an die ETH Zürich. Kürzlich habe ich in den Medien viele Bilder von Friedrich Dürrenmatt gesehen zu seinem 100. Geburtstag. Alle Bilder stammten vom ETH-Archiv. Staatlich finanzierte Bilder, die man nun gratis beziehen kann……… Der Ringier Bilderdienst hat sein defizitäres Archiv dem Kanton Aargau verschenkt. Auch hier muss der Kanton nun jährlich mit viel Geld geradestehen.

    Denke, dass die SRG pro Jahr um 8 Mio CHF an die Keystone-SDA umverteilen müsste, damit diese wichtige Stütze der Meinungsbildung nicht ausgehungert wird. Gewisse ambitionierte online-Projekte unter dem Mantel der SRG sind stattdessen nicht nötig. Eine Umwandlung der Keystone-SRG in eine Stiftung scheint mir folgerichtig zu sein, um die Zukunft sicherzustellen.

    Antworten
    • Eveline Maier
      Eveline Maier sagte:

      Plausible Darstellung der Situation Ray Sinniger, danke.

      Etliche Journalisten und Bildredaktorinnen haben übrigens ihre Karriere bei der SDA und der Keystone begonnen. Heute arbeiten all diese bei Tamedia, Ringier Axel Springer Media und SRF.

      Keystone-SDA ist somit auch noch eine wertvolle Ausbildungsstätte.

      Antworten
      • Victor Brunner
        Victor Brunner sagte:

        Leute die bei 20 Minuten arbeiten brauchen keine Ausbildung, da genügt ein Volontariat, wer Gaudenz Looser fehlerfrei schreiben kann ist engagiert!

        Antworten
    • Gerold Ott
      Gerold Ott sagte:

      Die Denkweise von Gaudenz Looser macht mir wirklich Angst. Glaubt er wirklich, dass sein bebildeter Müll staatstragend ist?

      Die Verwahrlosung der meist jungen Leserinnen und Leser manifestiert sich durch sein Produkt der niederen Instinkte.

      Antworten
      • Robert Holzer
        Robert Holzer sagte:

        Sein «bebildeter Müll», wie sie es nennen, muss nicht staaatstragend sein. Er soll Reichtweite und Klicks generieren. Daran wird der Erfolg gemessen.

        Vertreten sie echt die Meinung dass journalistische Endprodukte staastragend sein müssen?
        Möglicherweise entsand der Gedanke ja beim frühen Silvester warm up. 🙂

        Antworten
  3. Marcella Kunz
    Marcella Kunz sagte:

    Die Überführung in eine privatrechtliche Stiftung wird sehr schwierig bis unmöglich sein, solange die öffentliche Hand das Unternehmen (mit Millionen) subventioniert. Die Stiftung kennt – im Gegensatz zur AG – auch keinen Eigentümer. Auch eine öffentlich-rechtliche Stiftung kommt kaum infrage. Es gibt also noch sehr viel Klärungsbedarf.

    Antworten
  4. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Looser, seine «sehr aktiven Leser, die Ereignisse rasch rapportieren». Da können sich die Leute die sich 20 Minuten antun freuen, «News» aus allen Landesteilen von Leserrreportern geliefert, von Dilletanten und Zeilenaufpumper in der Redaktion aufbereitet. Da passt was Looser einmal gesagt hat:

    «Wir stellen uns die Frage, wie wir verhindern können, dass das Gesamtbild unseres Inhaltes die Stimmung der Leser herunterzieht».

    Fazit bei 20 Minuten: Die Stimmung steigt, das Niveau sinkt, dank Gaudenz Looser, der eigentlich nur das BLICK «Leserrreporter»-System kopiert. Trotz glattrasiertem Schädel kommt bei ihm nichts Neues raus und die «Leserreporter» sollten für ihre Leistung auf Vorauszahlung bestehen, die Zukunft des Blattes ist auch ohne Keystone SDA nicht gesichert!

    Antworten
    • Laura Pitini
      Laura Pitini sagte:

      Die Leserreporter bei BLICK und 20 Minuten scheinen völlig naiv zu sein. Ja, sie müssten sich organisieren und auf Vorauszahlung pochen. Die Honorarstruktur müsste bei diesen beiden Medien klar deklariert werden. Arbeiten wirklich alle staff bei Ringier TX Group gratis?

      Die «Geiz ist geil»-Philosophy von Gaudenz Looser muss ohnehin aufmerksam beobachtet werden.

      Mit seiner eigenen Fotopresseagentur dürfte er sein gewaltiges Marignano erleben.

      Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu Rolf Karrer Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert