Stinkt zum Himmel

Parteilichkeit? Na und, sagt sich da das Schweizer Farbfernsehen.

Seit der Wald dann doch nicht gestorben ist, suchen Grünbewegte verzweifelt nach anderen Themen. Klimaschutz ist gut, aber doch etwas allgemein und abstrakt. Scheint ausserdem eine Eintagsfliege zu sein, nicht nur wegen Corona sind die «Fridays for Future» eingeschlafen. Schade aber auch, war die genialste Begründung für Schulschwänzen aller Zeiten.

Also, was gibt es denn noch? Sozusagen näherliegend, zum Anfassen, zum Bebildern, und nicht mit abbrechenden Eisbergen in der Arktis. Grübel, kopfkratz. Heureka, gefunden. Nicht nur die Kühe furzen uns zu Tode, nein, schlimmer noch: die Fäkalien der Tiere, auch als Gülle bekannt, verseuchen unser Trinkwasser, verpesten unsere Umwelt. Verdammte Schweinerei. Ja, genau, vor allem Schweine sind gemeint.

Aber das ist noch nichts gegen die Pestizide. Ja, diese chemischen, künstlichen Schädlings- und Unkrautvernichtungsmittel. Dagegen sind gleich zwei Initiativen eingereicht worden, über die Mitte nächsten Jahres abgestimmt wird. Gut, ist noch ein Weilchen hin. Aber man kann ja mal in die Startlöcher gehen.

Schöne Kampagne zur Stimmungsmache

Wie die «SonntagsZeitung» diesen Sonntag schön aufzeigt, legt sich SRF schon mal in die Kurve. Als hätte das Schweizer Fernsehen bei Kampagnenmeistern gelernt, setzt es gleich zum Doppelschlag an. Zunächst zeigt sich der «Kassensturz» erschüttert. Diese Bauern wollen uns alles vermiesen. So fand man durch Laboruntersuchungen «wahre Cocktails mit bis zu neun verschiedenen oder gar verbotenen Pestiziden» in unserem Wein.

Schluck. Ist man gleich tot oder kriegt man nur ein Magengeschwür bei eifrigem Genuss unserer Schweizer Weine? Nun, zunächst: bei Bioweinen ist das nicht so. Da streichelt der Weinbauer noch jede Traube von Hand. Während, das lief im Hintergrund im «Kassensturz», von einem Helikopter aus gesprüht und flächendeckend eingenebelt wurde. Dass dieser Helikopter aber Mittel wie Kupfer, Algen und Milch verteilte, die auch im Bioanbau zugelassen sind, na und, es geht hier um die Symbolkraft.

Wenn schon, dann richtig draufhauen

Was braucht’s noch? Genau, natürlich den Fachmann. Da hört sich «ETH-Biochemiker» schon mal gut an. Nun kann auch der an der Tatsache nicht verbeirudern, dass die gemessenen Quantitäten von Pestiziden allesamt unter den Grenzwerten liegen, unbedenklich sind. Aber für solche Fälle hat der Experte natürlich auch das passende Wort im Gepäck: Es sei dennoch «problematisch».

Vielleicht würde seinem Ansehen als streng wissenschaftlicher ETH-Biochemiker etwas schaden, wenn der Zuschauer erfahren würde, dass er ein Interessenvertreter des Biolandbaus ist, der an der ETH studierte, merkt die SoZ spitz und genüsslich an.

Einmal draufhauen ist gut, zweimal ist besser.

Anwaltschaftlicher Journalismus?

Also darf auch «Netz Natur» liebenswürdige Biobauern gegen lärmende Traktoren und fliegende Helis ins Feld führen. Die SoZ macht da einen seltenen, aber lobenswerten Ausflug in Ironie: In der Heidi-Schweiz der Biobauern «krabbeln die Käfer, kriechen die Raupen, flattern die Schmetterlinge».

Da wird uns ganz nostalgisch und warm ums Herz. Das erkaltet aber schnell wieder, wenn man die Stellungnahme von SRF hört, wieso denn in den ganzen 45 Minuten weder ein Vertreter noch die harsch kritisierten konventionellen Bauernbetrieb zu Wort kamen: «Einzelne Beiträge müssen nicht zwingend ausgewogen sein, und» – jetzt kommt’s –

anwaltschaftlicher Journalismus sei Bestandteil der Programmautonomie von SRF,

sagt der SRF-Sprecher.

Anwaltlich, autonom, oder einfach: Wir machen, was wir wollen?

Die «Publizistischen Leitlinien» unseres Gebührenfernsehens umfassen immerhin 58 Seiten. Aber den Begriff «anwaltschaftlicher Journalismus» habe ich darin nicht gefunden. Hingegen, wenn wir eine Etage höher gehen, steht in der Bundesverfassung als Programmauftrag:

«Sie (die Sendungen) stellen die Ereignisse sachgerecht dar und bringen die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck.»

Damit ist selbstverständlich nicht gemeint, zahn- und kritiklos zu sein (obwohl das SRF gegenüber hohen Staatsvertretern meistens ist). Es ist auch nicht gemeint, dass auf jede Aussage einer Seite ein Kommentar der anderen Seite kommen muss. Aber was nicht geht: Zwei Sendungen lang werden die Biobauern gestreichelt und die konventionelle Landwirtschaft geprügelt. Vielleicht sogar zu Recht, keine Ahnung, ich bin kein Bauer. Aber dabei der anderen Seite null Sendezeit einzuräumen, das ist nassforsch.

Und das mit anwaltschaftlichem Journalismus zu begründen, würde voraussetzen, dass unser Staatsfernsehen nicht nur mächtig, sondern allmächtig wäre und genau wüsste, welche Positionen man anwaltlich zu vertreten habe. So wie damals die Sache des Waldes, der durch sauren Regen und andere Schweinereien schon bald verschwunden sein wird. Was er aber bisher unterliess.

2 Kommentare
  1. Jürg Fehr
    Jürg Fehr sagte:

    Hervorragend zusammengefasst.
    Der Begriff des „anwaltschaftlichen Journalismus“ wurde ja in den bewegten 68iger-Jahren geprägt. Der Staatssender hat ihn verinnerlicht und unwidersprochen umgesetzt. Heute ist er „Bestandteil der Programmautonomie von SRF.“ So weit haben wir es gebracht in diesem Land.

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  2. Simon Ronner
    Simon Ronner sagte:

    Interessant. Anwaltschaftlicher Journalismus als Bestandteil der Programmautonomie von SRF. «Programmautonomie» bedeutet anscheinend ein Handeln losgelöst vom- bzw. konträr zum Programmauftrag dieses Staatssenders.

    Fazit: Die SRF-Clique ist inzwischen so plump wie frech, gar nicht mehr erst zu verbergen, dass man parteiisch und aktivistisch unterwegs ist. Konsequenzen scheint es keine zu haben.

    «Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten» (Hanns Joachim Friedrichs)

    Darüber lachen die sich dort wohl krumm. Aber gut gibt’s Zackbum!

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