Schwierige Recherchen um Verkehrstote
Nach tödlichen Unfällen nimmt die Auskunftsfreudigkeit beim Staat schnell ab.
Raserunfälle, umgefahrene Fussgänger, tote Velofahrer. Die Newsticker sind leider voll davon. Je nach Nachrichtenlage schaffen es Verkehrstote nach wie vor auf die letzte Seite des «Tages-Anzeigers» oder in die Nachrichten, etwa von «Tele Züri» oder Tele M1». Zwei Unfälle mit Todesfolge machten in letzter Zeit besonders Schlagzeilen.
«Noch am Unfallort verstorben»
Im Juni «kam es auf der Badenerstrasse in Zürich-Altstetten zu einer Kollision zwischen einem Lastwagen und einer Velofahrerin. Dabei wurde die Velofahrerin so schwer verletzt, dass sie noch am Unfallort verstarb». Noch Monate danach erinnerten viele Blumen und ein weiss angemaltes Velo an den Unfall. In den sozialen Medien war das Thema besonders präsent.
«Töfffahrer kollidierte mit Rennteilnehmer»
Im August «kam es zu einem tödlichen Unfall auf dem Oberalppass im Rahmen des sogenannten «Tortour-Rennens». Ein Töfffahrer kollidierte mit einem Rennteilnehmer. Er kam bei dem Unfall ums Leben.» Weil der verunfallte 38-jährige Velofahrer amtierender Schweizer Meister im Ultra-Cycling war, gab’s rund um den Unfall grosse Schlagzeilen.
Zwei Unfälle, zwei Schicksale. Doch was passierte nachher? Dass solche Unfälle von öffentlichem Interesse sind, beweisen die vielen Meldungen. Ebenso interessiert dann eigentlich, wie es weitergeht. Ist der Lastwagenfahrer an der Badenerstrasse zu schnell abgebogen? Wollte sich die Velofahrerin noch rasch vorbeizwängen? Fuhr der Rennvelofahrer auf der falschen Strassenseite? War der Töfffahrer ein «rücksichtsloser Raser», wie es online mehrheitlich hiess?
«Gegenstand von Untersuchungen»
Nachfragen bei den Polizeistellen ergeben wenig. Nur schon bei der Frage, wer den Unfall verursacht hat, bleiben die Medienstellen merkwürdig zurückhaltend. «Das ist Gegenstand der nun folgenden Untersuchung», heisst es jeweils. Es ist wohl eine Schutzbehauptung, um ja keine voreiligen Aussagen zu machen, die juristisch von Belang werden könnten. Weil die Untersuchungen die Staatsanwaltschaften durchführen, verweisen die Polizeistellen an jene Behörde. Dort ist es oft nur schon schwierig, eine Auskunftsperson zu finden.
«Wegen des laufenden Verfahrens können wir keine Informationen bekannt geben»
Beim Abbiege-Unfall in Zürich-Altstetten gab’s auf Anfrage vor einigen Tagen diese Antwort der Staatsanwaltschaft: «Im Nachgang zu diesem Unfall hat die Zürcher Staatsanwaltschaft ein Verfahren eröffnet. In diesem werden die genauen Umstände des Unfalls sowie die Frage eines allfälligen strafbaren Verhaltens des LKW-Fahrers geklärt. Wie immer gilt die Unschuldsvermutung. Wegen des laufenden Verfahrens können wir keine weiteren Informationen bekanntgeben. Zur Frage eines allfälligen Entzugs des Führerausweises können wir mangels Zuständigkeit keine Auskunft geben. Hierfür wäre das Strassenverkehrsamt zuständig.»
Auch Strassenverkehrsamt bleibt zugeknöpft
Dieses wiederum schreibt: «Aufgrund von Artikel 89g des Strassenverkehrsgesetzes dürfen wir keine Auskünfte zu Administrativmassnahmen erteilen. Besten Dank für ihr Verständnis.»
Beim Tortour-Unfall hatte «20 Minuten» im Oktober nachgefragt bei der Staatsanwaltschaft Graubünden. Die «Südostschweiz» berichtete ebenfalls darüber. «Die Staatsanwaltschaft Graubünden hat inzwischen ein Verfahren gegen den Töfffahrer eröffnet. Ihm wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. ‹Wir sind noch am Anfang des Verfahrens›, so ein Sprecher. Man warte noch auf den Polizeirapport, heisst es weiter. Erst am Schluss der Untersuchung könne entschieden werden, ob gegen die beschuldigte Person ein Strafbefehl erlassen werde oder nicht».
Staatsanwaltschaft Graubünden wartet auf Polizeirapport
Zwei Monate nach dem Unfall wartet die Staatsanwaltschaft also noch auf den Polizeirapport. Amtliche Mühlen mahlen langsam.
So ein Verfahren kann gut und gerne ein bis drei Jahre dauern. Das kann auch für die Beteiligten (Unfallverursacher, Verwandte und Hinterbliebene) sehr belastend sein.
Was bleibt für den Journalisten? Die angesetzten Gerichtstermine im Auge behalten. Immer wieder nachfragen bei den Staatsanwaltschaften. Beziehungen zu Angeklagten oder Hinterbliebenen spielen lassen. Oder ein schriftliches Gesuch um Akteneinsicht stellen. Grund: das öffentliche Interesse.
So oder so. Das ist kompliziert und braucht Geduld. Fazit: Warum gibt es so wenig Medienberichte rund um den Nachgang schwerer Unfälle? Weil es so kompliziert ist.
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