Ex-Press XIV
Blüten aus dem Pressesumpf.
Man muss schon sagen: «Das Magazin» wollte furchtbar originell sein. Denn, wofür gibt es entsprechende Kalender, am Montag dieser Woche jährte sich zum 30. Mal der Tod von Friedrich Dürrenmatt. Nach kurzer Videokonferenz kam die Redaktion zum Schluss, dass das unüberwindliche Hürden für ein Interview aufstellt, ausser, man würde vielleicht wieder Tom Kummer …
Aber der Gedanke wurde schnell verworfen. Nur, was tun, wenn eigentlich keiner über den entsprechenden Bildungsrucksack verfügt, dass er aus dem Stand ein paar intelligente Sachen über Dürrenmatt sagen könnte? Eine andere Geistesgrösse etwas darüber sagen lassen? Ja schon, aber Peter von Matt ist sich durchaus bewusst, was er wert ist. Und das kollidiert dann doch mit dem Sparzwang. Oder vielleicht ist auch von Matt im «Magazin» kein Begriff.
Wer sucht, der findet auch ein Gratis-Stück
Aber dem Redakteur ist bekanntlich nichts zu schwör. Denn er fängt an, Elendsjournalismus zu betreiben. Da gibt es doch diesen Sven Michaelsen. Der hat damals noch für den «stern» eines der letzten Interviews mit Dürrenmatt geführt. Und, man muss halt auch Glück haben, Michaelsen arbeitet schon viele Jahre für die «Süddeutsche Zeitung». Und mit der kooperiert doch Tamedia. Heureka, dieser Tausendsassa Michaelson wollte nicht einfach sein damaliges Interview rezyklieren.
Hätte vielleicht in Deutschland auch Ärger mit dem «stern» geben können. Also macht er eine «Collage». Ein fiktives Interview, mit echten Interviewbrocken und hineingestreuten Zitaten aus den Werken. Wunderbar, noch kurz durch den Mixer jagen, und die SZ hat sich der Pflichtübung entledigt, was zum 30. Todestag von Dürrenmatt zu sagen.
Fast nur private Fragen an einen, der Privates hasste
Und «Das Magazin» hat ein Problem weniger; anderer Titel drüber, kleine Einleitung, nochmal gemixt und gekürzt, und schwups. Geht doch. Geht eben nicht. Denn Michaelsen kaprizierte sich darauf, fast ausschliesslich Themen aus Dürrenmatts Privatleben herauszugreifen. Seine Kindheit, seine Jugend, seine Frauen, seine Seitensprünge, seine Zuckerkrankheit. Dabei weiss jeder, wirklich jeder, der jemals mit Dürrenmatt zu tun hatte, dass ihm das öffentliche Ausbreiten von Privatem zutiefst zuwider war. Er sagte nicht nur im Scherz, dass er sich den bevorstehenden Feierlichkeiten zu seinem 70. durch eine Weltreise entziehen werde.
Die Frage nach seinem Verhältnis zu seinem Tod beantwortete er völlig emotionslos, und mit der klaren Haltung: das reicht jetzt aber mit persönlichen Fragen. Michaelsen entlockte ihm bei einem Essen mit Weinen einiges mehr. Aber das ist halt der Vorteil, wenn man ein Interview bringen kann, das der Interviewte nicht mehr autorisieren konnte.
Eine Schande, was das «Magazin» hier angestellt hat
Ganz abgesehen davon ist es einfach eine Schande, dem wohl bedeutendsten Dichter und Stückeschreiber der Schweiz des letzten Jahrhunderts so billig Reverenz erweisen zu wollen. Er selbst hätte es sicherlich als grotesk und absurd empfunden, dass man ihm so in die Eier tritt.
Ausserdem: die meisten guten Fragen und Antworten, darunter die ganze Anfangspassage, hat das «Magazin» mit sicherem Griff in den Klo gespült.
Schlechte Gebräuche im Journalismus – und in der NZZaS
Abschreiben ist das neue Recherchieren im Journalismus. Macht ja nix, alle haben immer furchtbar viel zu tun, und man kann ja schlecht über einem Ei gackern, wenn man nicht behauptet, es selbst gelegt zu haben.
Hühner tun das eher nicht, Journalisten oft und fleissig. Auch in den vornehmsten Gazetten. Zum Beispiel in der NZZamSonntag. Unser Trüffelsucher Beni Frenkel hat exklusiv herausgefunden, dass Keystone-SDA immer mehr Abnehmer wegbrechen, zum Beispiel «20 Minuten».
Das ist eine News wert, und auch eine MM. Wir haben da einen ziemlich spezifischen Verteiler von rund 50 Adressen. Darunter alleine drei im Hause NZZ. Okay, wir geben zu, Rainer Stadler steht noch drauf. Aber doch zwei bleiben, darunter der Chef von NZZaS.
Raus ging die MM am 4. November. Einen Monat später vermeldete ein Recherchierteam der NZZaS: SDA verliert «20 Minuten als Kunde». Wunderbar, dass man es dort auch gemerkt hat. Weniger wunderbar, was Beni Frenkel geantwortet wurde, als er auf seine insgesamt drei Primeurs über die harten Verhandlungen von SDA mit den Schweizer Medienhäusern verwies und fragte, ob es nicht Brauch sei, wenigstens die Quelle zu nennen.
Statt Entschuldigung schnippische Zurechtweisung
Bei solchen Anfragen – und nach einer Überprüfung – gibt es eigentlich nur eins: sorry, ist uns durch die Latten, werden wir bei nächster Gelegenheit richtigstellen, okay? So würde, sollte, müsste man antworten, wenn man nicht die Arroganz besässe zu meinen, dass gleich zwei Redaktoren des Hauses NZZ ja wohl kaum Nachhilfe brauchen.
Also wird man schnippisch und weist Frenkel streng zurecht, dass man halt leider noch nicht zu den LeserInnen (Original-Orthografie) gehöre und auch eine MM nicht den Weg in das Eingangskörbli gefunden habe. Man ist auch um gute Ratschläge nicht verlegen; zukünftig sollten doch solche Mails an die persönlichen Mailadressen der beiden Recherchiergenies geschickt werden.
Die zwar über Medienthemen schreiben, aber offensichtlich weder ZACKBUM.ch noch die «Medienwoche» lesen; da stand’s nämlich auch drin. Das ist die eine, schon ziemlich üble Möglichkeit. Die andere ist noch übler.
Primeur II
Wir wollen wirklich nicht jammern, und es geht uns inzwischen schwer an einem bestimmten Körperteil vorbei. Primeurs, das erste Gespräch mit NZZ-Feuilletonchef René Scheu, mit Markus Somm, Recherchen über die Kurzarbeit-Politik der grossen Medienhäuser, die sonst keiner machte. Die Primeurs über SDA, die Hintergründe zum Knatsch beim Zürcher Oberländer. Neben einem dummen Latz zu diesem und jenem, besser gesagt neben fundierter und belegter Kritik, leistet ZACKBUM.ch in seinen ersten Lebensmonaten doch schon einiges.
Und nun haben wir auch «with a little help from our friends» das erste Videointerview präsentiert. Immerhin mit Rainer Stadler, langjähriger und ehemaliger NZZ-Medienjournalist. Das hielten wir für eine weitere MM würdig. Sie wurde genauso ignoriert wie ihre Vorgänger.
Professionell, souverän, aber nutzlos
Es gibt Branchenblätter, auf denen dürfen sich aus Geldmangel Gesinnungsblasenbläser aufpumpen. Auf anderen wird vermeldet, wenn ein Advisor zum Senior Advisor befördert wurde und deshalb sein Büro zweimal wöchentlich gereinigt wird. Oder es wird gleich jeder Anspruch auf Qualität, Aktualität oder gar Kritik aufgegeben.
Die einzigen Kontakte von lieben Kollegen, nach der Premiere von ZACKBUM.ch, bestanden ausschliesslich darin, dass sie eine Chance witterten, uns in die Pfanne zu hauen. Auch das ist erlaubt, selbst wenn es nicht gelingt. Wir wollen und brauchen ja nicht, dass wir täglich mindestens einmal mit blumigen Komplimenten überschüttet oder abgeknutscht werden. Beides wäre uns sehr unangenehm. Aber einfach gar nicht erst ignorieren, gehen mir auf den Sack? Sehr professionell, sehr souverän, sehr nutzlos.
Aber immerhin: Weil der Leidensdruck so hoch ist, melden sich immer wieder Whistleblower bei uns.
Kratzbürste
Zu unseren unverrückbaren Prinzipien gehört, dass wir immer Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Mit konkreten Fragen, mit einer konkreten Zeitangabe. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich. Sie reichen von beleidigtem Schweigen über schmallippige Kurzantworten bis hin zu ausführlichen Reaktionen.
Letzteres freut uns immer, und vom dehnbaren Internet profitierend, bauen wir die auch so weit wie möglich ein. Zudem bieten wir immer an, wenn sich einer nicht richtig gewürdigt fühlt, wenn er meint, seine Position sei immer noch nicht richtig dargestellt, dann kann er eine Widerrede formulieren und einreichen. Beinhaltet sie keine Verbalinjurien oder offensichtliche Falschaussagen, bringen wir das gerne.
Normalerweise erfolgen negative Antworten in der handelsüblichen Kurzform: «Kein Kommentar». Darauf kann es allerdings ein begabter Schwätzer und Scheiterer nicht beruhen lassen. Offensichtlich angefasst davon, dass wir die Schneise der Zerstörung, die er bereits hinterliess, thematisierten, und noch mehr angefasst dadurch, dass er auch mit der Lupe keinen Ansatz fand, um gegen uns vorzugehen, lässt er nun seinen Frust anders ab.
Ein paar sinnvolle Fragen, ein paar sinnlose Verbalinjurien
Im Zusammenhang mit der üblen Gewohnheit von bajour.ch, trotz vielen wohlbezahlten Mitarbeitern einen sehr schmächtigen Ausstoss zu basteln und sogar zum Mittel zu greifen, ältere Artikel «zu aktualisieren», womit sie, ohne sichtbare Veränderungen, zu neuen Artikeln werden, wollten wir von Hansi Voigt wissen, wie er das erklärt.
Das wollte oder konnte er nicht, aber stattdessen keifte er los: «Einem parajournalistischen PR-Produkt mit intransparenter Finanzierung geben wir prinzipiell keine Antwort. Das würde ja suggerieren, Zackbum wäre ein journalistisches Produkt, das die Rechte und Pflichten des Journalismus berücksichtigt.»
Selten so gelacht. Parajournalistisch, intransparent? Das sagt der Chef einer Internet-Plattform, deren transparente Finanzierung aus 3 Millionen Mäzenatentum besteht? Ohne die es bajour nie gegeben hätte und auch nicht geben würde? Und Rechte und Pflichten; wir – wie wohl jedes Medienorgan – antworten auf jede uns ernsthaft gestellte Frage. Selbstverständlich, wir schreiben für die Öffentlichkeit, wir stehen in der Öffentlichkeit.
Was sich Voigt, der immer Wert auf ein anständiges Gehalt für seine Millionenverluste legte, sich halt unmöglich vorstellen kann: ZACKBUM.ch finanzieren wir. Wir drei. Aus dem eigenen Sack. Und mit Gratis-Arbeit. Weil’s Spass macht, weil’s nötig ist.
Apropos: ob Voigt eigentlich im Berufsregister eingetragen ist, so von wegen Rechte und Pflichten? Man weiss auch da nichts Genaues. Da er nicht mit uns reden will, kann man ihn auch schlecht fragen.
Primeur III
Was tut man nicht alles für einen Klicks generierenden Titel. Zum Beispiel das: «Die Geldmenge explodiert – und keinem fällt’s auf». Das verkündet Mathias Binswanger in der früher angesehenen Rubrik des Tagi «Never mind the markets». Ihm ist aufgefallen, dass in den USA die Geldmenge gewaltig ausgeweitet wurde. Das posaunt er am 12. Dezember raus. Auf den Titel sollte er allerdings kein Copyright erheben. «Geldmenge M1 explodiert – Nobody cares», das vermeldete «Inside Paradeplatz» schon am 8. Dezember.
Das ist schon ziemlich frech. Aber beim Tagi geht’s ja immer noch einen Schritt weiter – nach unten. In einem höflichen Kommentar versuchte ich, Autor und Leser auf dieses Missgeschick aufmerksam zu machen. Der Kommentar erschien nicht. Viel tiefer geht’s wirklich nicht mehr.
Primeur IV:
heute im TA das «Interview» von Marius Huber mit RR Rickli:
«Wir haben keine Zeit mehr».
Ein Wellness-Interview sondergleichen, wahrscheinlich schriftlich während des Zähne putzen geführt. Kein Nachhaken. Frau Rickli fordert den BR auf am Freitag zu handeln, unter anderem Gastronomie schliessen. Die logische Frage wäre gewesen, «Warum handelt der Zürcher RR nicht, Kantonsregierungen aus der Westschweiz,Graubünden haben auch gehandelt und die Gastronomie geschlossen?». Bestimmt lag Huber die Frage auch auf der Zunge, er hat den Schwanz eingezogen.
Auch heute im TA ein Kommentar von Büttner zum Interview von Jennifer Covo, RTS, die es gewagt BR Berset kritische Fragen zu stellen. Der Unterschied von Huber zu Covo. Huber hat schon Swiss Press Award bekommen, das macht natürlich stolz und fett. Covo muss noch hart arbeiten und hat noch den Mut Fragen zu stellen, Huber fragt nach was er fragen darf!
Wie wahr.
«Abschreiben ist das neue Recherchieren im Journalismus».