Der Quengelton von der «Republik» zum Advent

So sicher wie Weihnachten: Ein langes Goodbye nach hinten und vorne.

Es fängt wie immer harmlos an: «Ladies, Gentlemen and everyone beyond». Und hört gefühlt eine ganze Weihnachtszeit lang nicht auf. Dabei sind es nur 8300 Buchstaben, eigentlich nix.

Erst noch pädagogisch geschickt aufgebaut. Zuerst ein Rückblick: Vor genau einem Jahr sei «der wichtigste Newsletter seit dem Start der «Republik»» rausgepustet worden. Leider habe der gar nicht zur besinnlichen Adventszeit gepasst.

Das stimmt, man erinnert sich mit Schrecken. Zum zweiten Mal zeigte die Riesencrew des Online-Magazins, dass sie zwar lang schreiben, aber nur eher kurz in die finanzielle Zukunft blicken kann. Da der sozusagen normale Quengelton schon für die letzte, überraschende Bettelrunde verbraucht worden war, ging’s nun richtig zur Sache: 19’000 Verleger, vulgo Zahler bis März 2020 müssen her.

Sonst, so sorry, müssen wir uns entleiben

Sonst, sorry, Ladys and Gentlemen, müssen wir uns entleiben; werden alle per Ende März gekündigt, die Räumlichkeiten besenrein zurückgegeben. Dumme Fragen, wieso denn bereits 19’000 reichen sollten, bei dem Riesenbudget, wieso denn die furchtlose und mutige Crew keine Sekunde daran denkt, vielleicht ihre üppigen Löhne etwas runterzufahren, wurden wortreich oder wortlos beantwortet.

Dumme Fragen nach dem undurchschaubaren Dschungel der Buchhaltungs- und Steuerersparniskünste der Holding mit AG und Genossenschaft, wurden mit strafendem Schweigen ignoriert.

Aber tempi passati, wie der Lateiner sagt; es geschah das weihnachtliche Wunder im und um das Rothaus. Die Zahl wurde erreicht; eine weitere Grossspende erledigte den Rest, Demokratie und Welt konnten aufatmen: Die «Republik» lebt weiter.

Ein historischer Moment in der Geschichte der «Republik»

Aber nicht nur das, triumphiert der aktuelle NL, die Anzahl der Abonnenten stieg und stieg und stieg. Auf 25’000; tatä, selbsttragend. Gar auf 27’000, «eine neue Etappe in der Geschichte der «Republik»», trötet der NL. Es gehe nicht mehr ums Überleben, sondern um Langfristigkeit.

Also Schampus für alle, dazu Weihnachts-Grati, 13. und 14. Monatslohn, plus allgemeine Lohnerhöhung? Jein. Denn nach all den guten Nachrichten kommt dann doch wieder die kalte Dusche. Immerhin, es wird (diesmal) nicht mit Selbstmord gedroht. Sondern der finstere Entschluss verkündet, 2021 nicht mehr unter 25’000 Verleger zu fallen.

Selbsttragend, you know. Und wie stehen dafür die Aussichten? Wunderprächtig, oder? Leider nein, «bei etwa: fünfzig-fünfzig. Es könnte hauchdünn werden – jede Verlängerung zählt.» Denn die «Republik» hat immerhin zur Kenntnis genommen, dass Abos mindestens einmal im Jahr verlängert werden müssen. Und dass das nicht alle Verleger tun.

Sondern nur «im Schnitt 75 Prozent». Das bedeutet, wir lassen die dazwischenliegende Quantenphysikrechnung aus, dass Ende März der «Puffer» nur mehr aus 300 Mitgliedschaften bestünde. Und schwups, schon wäre die «Republik» nicht mehr selbsttragend. Ausser, die Riesencrew würde bei den Löhnen oder bei den Stellen, aber das kommt ja nicht in Frage.

Transparenz, wie wir sie an der «Republik» lieben

«Unser Schicksal liegt weiter in Ihrer Hand», barmt die «Republik». Wobei allerdings nicht klar ist, wer «Ihr» genau sein soll. Denn die gute Nachricht ist schliesslich: Es ist völlig wurst, ob es diesen Puffer gibt oder nicht, 25’000 Abonnenten oder 27’000: selbstfinanziert ist die «Republik» niemals. Oder nur, wenn die armen Reichen, die schon Millionen hineingebuttert haben, ihre Darlehen auf null abschreiben. Was sowieso ein Zeichen von Intelligenz wäre.

Vor allem, wenn man sich – nur so als Beispiel – diese illustrative Grafik aus dem «Cockpit» anschaut, die eigentlich die Anzahl der anstehenden Verlängerungen in den nächsten drei Monaten transparent machen soll:

Alles klar, lieber Leser? Oder brauchen wir’s noch transparenter?

Ich gestehe; mit nur wenig Hilfe schaffe ich es, einen Geschäftsbericht der UBS oder der CS durchzuackern und zu verstehen. Aber hier scheitere ich. Aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich nicht auf dem intellektuellen Niveau eines «Republik»-Verlegers fliege.

Und wie steht es eigentlich ums Kerngeschäft?

Ach, und so nebenbei, gibt es auch publizistische Grosstaten zu berichten, aus diesem Jahr? Eigentlich nicht; der Versuch, vor einem Jahr Stimmung mit einer haltlosen Verleumdung des grössten Kita-Anbieters der Schweiz zu machen, ging wie üblich bei Skandalstorys der «Republik» in die Hose. Der Kita-Betreiber liess zudem alle Vorwürfe extern untersuchen: nichts, nada, nullo dran. An den anonymen Denunziationen ehemaliger Mitarbeiter. Das war der «Republik» dann aber keine Zeile wert.

Sie wolle auch in der Pandemie «möglichst nützlichen Journalismus liefern» behauptet sie. Nun ja, möglichst mageren würde es wohl besser treffen. Viel Meinung, viel Gesinnung, viel Gejodel in der Echokammer, viel Bestätigung eigener Vorurteile und derer des kleinen Zielpublikums.

Völlig den eigenen Verlegern ausgeliefert

Das kommt halt davon, wenn man tapfer auf jegliche Werbung als Einnahmequelle verzichtet. Dann ist man tatsächlich völlig seinen zahlenden Lesern ausgeliefert. Und wehe, man macht die mit störenden Widerworten muff. Dann entziehen sie sofort Liebe und Geld. Und wer braucht beides nicht; gerade in diesen Zeiten.

Dann freuen wir uns schon auf den NL im Frühling. Beide Varianten sind sicher bereits getextet.

1 Antwort
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    REPUBLIK ist genauso übel wie der Boulevard, denunzieren, KITA, aber nicht korrigieren und Fairness walten lassen. Der Lack bei den Edelfedern ist weg, ihr jährliches Gejammer peinlich. Binswanger & Co, wissen natürlich dass sie nirgendwo für wenig Leistung so hervorragend honoriert werden. Nächster Schritt, REPUBLIK bemüht sich um Ergänzungsleistungen für alle ihre MitarbeiterInnen.

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