Ärgernis bajour. Reloaded

Wir können nichts dafür. Berichterstatterpflicht ist manchmal hart.

Bajour freut sich darüber, nun schon ein Jahr alt zu sein. Das ist wunderbar, und wir gratulieren zum ersten von maximal drei Geburtstagen.

Denn solange kriegt das Projekt jedes Jahr eine flotte Million in die Kasse gelegt. Das bedeutet, dass bajour jour für jour – wenn es tatsächlich aus eigenen Kräften weitere 120’000 kassiert hat – ziemlich genau Fr. 3068.50 durch die Kehle rinnen und im Abfluss verschwinden lässt.

Nun kann man für 3000 Eier doch eine gewisse Leistung erwarten; das entspricht schliesslich dem Tageshonorar eines ziemlich guten Kommunikationsspezialisten. Aus der Oberliga. Schauen wir mal an einem stinknormalen Dienstag, was bajour dafür bietet.

Was bekommt man für 3000 Spendenfranken am Tag?

Zunächst hat man, clever, clever, den roten Streifen oben links, der die spärlich tröpfelnden neuen «Member» misst, etwas umgebaut. Nun sind es «156 Dezember-Member». Wir kommen darauf zurück.

Die Tagesleistung. Da hätten wir mal «Vontobels Wachstumsschübe». Hier schreibt der Weltökonom Werner Vontobel, der sich schon an früheren Wirkungsstätten seinen Übernamen redlich verdient hat. Er fängt mit «Voll» an. Wir müssen das erwähnen, weil er ihm mal wieder alle Ehre macht.

Obwohl auch nicht mehr der Jüngste, wählt er einen echten Ranschmeisser-Titel für die junge Generation: «Lieber Staat, her mit dem Corona-Chlütter». Ist der Ruf erst ruiniert … Aber was meint er denn damit? Er will die «bange Frage» beantworten, ob denn der Staat noch genug Geld habe, um weitere Pandemie-Wellen abzufedern.

Verblüffende Doppelantwort: «Erstens Ja! Und zweitens ist das die falsche Frage.» Wir lernen schon hier dazu: Man kann auch eine falsche Frage mit ja beantworten. Allerdings nur dann, wenn man anschliessend Stuss erzählt. Voodoo-Ökonomen wären stolz darauf, so einen Wirtschaftsfachmann an der Seite zu haben.

Wenn Vontobel anfängt zu rechnen: Deckung suchen

Denn Vontobel macht eine saubere Rechnung auf. Corona und die staatliche Massnahmen hätten den Konsum «aufs Jahr gerechnet um 25 Milliarden Franken» einbrechen lassen. Das habe der Staat netterweise ersetzt. Aber Trottel bei der NZZ und anderswo würden behaupten, dass damit sogar kommende Generationen belastet würden.

Unsinn, donnert Vontobel, diese 25 Milliarden seien ja eingespart worden, lägen auf der hohen Kante, würden daher vererbt. Also alles im Lot, alles ausgeglichen. Dass sich die Kosten von Corona inzwischen auf über 130 Milliarden Franken belaufen, dass es einen gewaltigen Einbruch im BIP gegeben hat, dass flächendeckende Pleitewellen, Massenarbeitslosigkeit bei sinkenden Staatseinnahmen durch Steuern drohen, von solchen Kleinigkeiten wollen wir uns doch nicht die gute Laune und die Schübe verderben lassen.

Nach diesem Tiefflug durch Kannixverstan erfreut bajour Basel mit der Frage: «Was hat euch Corona gebracht, Dritte Stock Records?» Sicher ist es typisch Zürcher Überheblichkeit, dass mich das wirklich keinen Deut interessiert. Genauso wenig wie der recht späte «Wochenkommentar»: «Warum Basel nicht links ist».

Wenn man richtig rechnet: au weia

Aber, den Höhepunkt hat uns bajour aufgespart: «Und da waren’s 156 Dezember-Member». Illustriert ist das mit der ewig gleichen, übel gemechten Fotografie aller Mitarbeiter von bajour. Wobei, Achtung Brüller, die meisten Nikolauskappen tragen. Und was ist daran so speziell?

Wenn krampfhaft auf hip gemacht wird …

Nun, nachdem bajour bislang insgesamt rund 1850 Zahler behauptet, darunter eine Minderheit «Gönner» (120 Franken) und eine Mehrheit «Member» (40 Franken), hat man mal wieder in die Liste der Versprechen geschaut und gemerkt: «Ok, Leute, wir haben 2100 Member in den Businessplan geschrieben.» Obwohl man «gut unterwegs» sei, fehlen dann doch noch «248 Member bis Jahresende».

Ist auch dämlich, solche Businesspläne, da muss man den feuchten Finger in die Luft halten, hält ihn möglichst tief, aber dann wird man auf so einen Unsinn noch behaftet. Und jetzt muss man Gas geben, um «Das Wunder von Bajour» fortzusetzen.

Die «gehörte journalistische Stimme»

Denn mit diesen 248 neuen Members bis Jahresende kann bajour weiter «an unserem Ziel arbeiten: In den nächsten drei Jahren zu einer wirklich schlagkräftigen redaktionellen Truppe und zu einer gehörten journalistischen Stimme, direkt aus Basel zu werden».

Hoffentlich reicht die Schlagkraft aus, um wenigstens einen Texter anzustellen, der Deutsch kann und sich nicht durch Sätze holpert. Vontobel würde hier sicher sagen, dass alles im grünen Bereich sei und mit diesen 248 neuen Zahlern bajour sicherlich das Dreijahresziel erreiche.

Wir wollen ja hoffnungsfrohen Anfängern nicht den Mut nehmen oder Illusionen zerstören. Müssen aber doch zu bedenken geben: bei 2100 Zahlenden, davon grosszügig angenommen 500 Gönner, kommt Bajour auf Jahreseinnahmen von haargenau 124’000 Franken. Das ist zwar nicht Vontobel, aber Arithmetik. Nun lässt bajour bislang 1,12 Millionen pro Jahr runtergurgeln.

Wie viele Member braucht es, um auf eine Million zu kommen?

Gut, das ist von der «Republik» noch weit entfernt. Aber es stellt sich doch die Frage, wie bajour in zwei Jahren dann mit 124’000 Franken zu einer «gehörten journalistischen Stimme» wird. Ach, so kann man das nicht rechnen? Die Zahlen der Member werden doch explodieren? War bei der «Republik» leider nicht so. Aber nur mal spasseshalber, wie viele Member bräuchte es denn, um auf eine Million zu kommen?

Nun, 25’000. Schluck. Das wären ja gleichviel, wie die «Republik» mit Selbstmorddrohungen und Hängen und Würgen in drei Jahren hinkriegte. Nehmen wir mal fantasievoll an, dass bajour dannzumal 5000 Gönner hätte. Die würden 600’000 in die Kasse spülen. Dann bräuchte es nur noch 10’000 Member.

Geht doch, würde Vontobel hier sicher sagen. Aber wer auf den hört, ist sowieso verloren.

1 Antwort
  1. Grenacher
    Grenacher sagte:

    «Guten Morgen Christoph
    Uff, bist du mittlerweile auch so Corona-müde wie ich? Gestern wurden wir schon wieder mit einer Menge neuer Nachrichten zu den Massnahmen vom Bund und den Kantonen überflutet. Darum ist Corona auch im heutigen Briefing Schwerpunktthema. Zum Schluss liefere ich dir aber dafür nützliche Tipps, wie du besser mit der Informationsflut in Zeiten von Corona umgehen kannst.» Das schreibt mir heute morgen um 07:04 Uhr eine mir unbekannte Duzfreundin namens Adelina Gashi. Und dann leiert’s los, mit allem Stuss zu Corona, und irgendwann, in roter Schrift dazwischen:
    «📢 Hallo Christoph, gestern schon hat dir Samuel diese Frage gestellt – vielleicht hast du sie nicht gesehen oder aus anderen Gründen nicht mitgemacht. Ich probiers einfach nochmals, weil es ist wichtig für uns: Du liest das Briefing schon seit längerer Zeit, bist aber noch immer nicht Bajour-Member. Weshalb? (einfach auf die entsprechende Antwort klicken, das hilft uns bereits sehr).»

    Ich kannte schon Samuel nicht. Und ich will auch nichts lesen von einer Corona-müden Redaktorin. Und Vontobel brauch ich nicht. Aber trotzdem mag ich das Teil der unbekannten Duzfreunde irgendwie – weil die BaZ ja jetzt Tagi ist und, im Vergleich zur Somm-Zeit… Aber das wär wieder eine andere Geschichte.

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