Die Pandemie: Listicles und Rankings

Zwei hässliche Gesichter des Elendsjournalismus von heute.

In Restaurants, so sie noch existieren, ist es guter Brauch, aus den Resten von gestern die Tagessuppe von heute zu brauen. Kann gut sein, muss aber nicht. Ist auf jeden Fall besser, als es in die Tonne zu schmeissen.

Im Journalismus sind die Ergebnisse leider nicht wohlschmeckend, nicht mal geniessbar. Die allerunterste Form ist das sogenannte Listicle. Das kommt, wie so vieles, aus dem angelsächsischen Raum und ist ein Zusammenzug von Liste und Artikel. Wobei Artikel schon der euphemistische Teil ist.

Es sind einfach Listen über dies und das und alles. Weltmeister aller Klassen ist in der Schweiz «watson». Wenn es keine Nachrichtenagenturen und keine Listen gäbe, würde das Online-Magazin viel Geld unsichtbar verbrennen. So aber tut es das, indem es den Leser quält.

Tiefer geht’s nimmer

Eine beliebige Auswahl eines beliebigen Tages: «Bundesrat stellt eine Milliarde für Härtefälle bereit – diese 7 Dingen musst du wissen». Dabei reicht es zu wissen, dass «watson» zwar ein Härtefall ist, aber dennoch nix bekommt.

Noch einfacher geht eine Liste von Fotos: «22 herzergreifende Bilder zum Thema Freundschaft». Oder einfach: «26 Bilder, die einfach beunruhigend sind.» Aber es gibt auch echte Lebenshilfe: «17 Bilder, die zeigen, dass das Leben als Hausmann ganz easy ist». Ein letztes Beispiel, denn tiefer geht’s nimmer. Hier kommt auch noch versuchter Mord am Humor dazu:

Humor ist, wenn es weh tut?

 

Eine gehobene Form des Listicles ist das Ranking. Auch dazu braucht man eigentlich nur zwei Dinge: einen Superlativ und eine Zahl. Und schwups, schon hat man «die 10 besten», «die 5 grössten», «die 20 wichtigsten», «die drei billigsten» gebastelt.

Auch bei Rankings gibt es Qualitätsunterschiede

Auch hier gibt es natürlich Qualitätsunterschiede. Man kann diese Reihenfolge einfach nach Gutdünken – oder nach Bedeutung der Werbekunden in diesem Bereich – aufstellen. Oder man macht einfach das, was auch Reiseplattformen machen (als es noch Reisen gab). Man mixt aus anderen Rankings ein neues zusammen. Oder man überlässt es dem lieben Leser oder User.

Der Weltmeister in der Schweiz ist die «Bilanz». Ihr Flaggschiff-Ranking ist natürlich die jährliche Liste «Die 300 Reichsten der Schweiz». Dafür werden alle erhältlichen Angaben ausgewertet; berücksichtigt, dass sich manche sehr betupft fühlen, sollten sie Plätze verlieren. Andere grossen Wert darauf legen, hier gar nicht vorzukommen, von wegen Einladung an dunkles Gelichter.

Aber das Jahr ist länger als nur ein Monat. Also müssen weitere Rankings her. Aktuell gerade Die «Top Steuerexperten und Treuhänder 2021». Da wurde natürlich nicht mit dem feuchten Finger in der Luft gefuchtelt. Sondern mit der Statistik-Plattform statista und «le Temps» zusammengearbeitet. Das ermöglicht es auch, zunächst hochwissenschaftlich «die Methodik» zu erläutern.

Was ist besser als ein Ranking?

Die besteht natürlich auch darin, der Devise zu folgen: Was ist besser als ein Ranking? Genau, viele Rankings. Einfach das Bewerberfeld an verschiedenen Kriterien messen, und schon kommt’s noch wissenschaftlicher – und vor allem länger – daher.

Die Resultate sind allerdings eher überraschungsfrei. So über alles, also bei den «Universal-Anbietern», belegen die «Big 4» die ersten Plätze. In den Reigen von PWC, EY, KPMG und Deloitte hat sich lediglich BDO geschoben, die in der Schweiz besonders viel Gas gibt.

Ranking ist risky, alles ziemlich volatil

Wie allerdings die jüngere Vergangenheit zeigt, Stichwort Wirecard-Skandal, kann es leicht passieren, dass eine der grossen Prüfgesellschaften recht schnell von «grosse Kunst, grosse Kompetenz, muss man haben» zur Lachnummer absteigt. Die bei ihrer tiefschürfenden (und sackteuren) Überprüfung nicht einmal merkt, dass in bescheidenen Häuschen oder leerstehenden Werkstätten wohl kaum Multimillionenumsätze mit elektronischen Zahlungsverkehr stattfinden.

Hat also alles so seine Vorteile – füllt den Platz – und Nachteile – was oben ist, kann runterkommen. Demgegenüber haben banale Listicles einen unschlagbaren Vorteil. Wie die zustande kommen, interessiert niemanden. Ebenso wenig die Reihenfolge. Und für alle gilt: gesehen, gelesen, vergessen.

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