USA: Demokratie geht anders

Welche Analyse liefern die Qualitätsmedien zu den USA?

Keine Bange. Ich werde weder mein Befremden über das Verhalten von Donald Trump ausdrücken. Noch meine gedämpften Hoffnungen, was Joe Biden betrifft. Und schon gar nicht in Lobeshymnen über die erste nicht-weisse Vizepräsidentin ausbrechen.

Das haben alle Qualitätsmedien bereits rauf und runter und quer und schräg durchgenudelt. Zu mehr als einer Mischung aus Schadenfreude und leichter Besorgnis, was man von Trump noch alles erwarten kann, zu mehr hat’s nicht gereicht. Nirgends.

Daher ein paar erschütternde Zahlen. Der gesamte Wahlkampf soll nach vorläufigen Schätzungen 14 Milliarden Dollar gekostet haben. Eine schier unvorstellbare Summe. Das brachte immerhin eine Wahlbeteiligung von knapp 67 Prozent. Das heisst andersrum, dass jedem dritten Stimmbürger diese historische Wahl, dieser Kampf zwischen Gut und Böse, schlichtweg an einem gewissen Körperteil vorbeiging.

The winner takes it all

Andererseits ist es wohl so, dass Joe Biden tatsächlich sogar das absolute Mehr der Stimmen geholt hat. Das spielt in den USA aber eigentlich gar nicht so eine grosse Rolle. Denn Hillary Clinton hatte auch mehr Stimmen als Trump vor vier Jahren erhalten. Aber das merkwürdige Wahlmänner-System der USA, wo der Kandidat mit 50,1 Prozent der Stimmen alle Wahlmänner eines Bundesstaat kriegt, sorgt dafür, dass die Stimmenmehrheit nicht entscheidend ist.

Und da gilt «the winner takes it all», versucht Trump nun noch verzweifelt, die Legitimität einzelner Ergebnisse in Frage zu stellen. Er stellt dabei die originelle Theorie auf, dass es legale Stimmen gebe, und nach denen habe er gewonnen, aber auch illegale, und mit denen wollen ihm die Demokraten den sicheren Sieg stehlen.

Zu den Absonderlichkeiten des US-Wahlsystems gehört auch, dass nicht etwa eine oberste Wahlbehörde das Ergebnis verkündet, sondern die grossen TV-Stationen arbeiten fieberhaft an Auswertungen, Hochrechnungen und Kaffeesatzlesereien, um möglichst als Erste den Gewinner der Wahlen zu verkünden.

Merkwürdigkeiten zuhauf

Das führt immer mal wieder zu bedauerlichen Fehlansagen:

Der gewählte Präsident Truman zeigt ein voreilige Schlagzeile.

Diesmal kann Biden allerdings stolz verkünden, dass er mit über 75 Millionen Stimmen so viele Wähler begeistern konnte wie noch kein Präsident vor ihm. Allerdings, mal wieder völlig im Gegensatz zu allen gewichtigen Prognosen der Qualitätsmedien, war es keinesfalls ein Erdrutschsieg, sondern auch Trump vereinte so viele Stimmen auf sich wie nur wenige gewählte Präsidenten.

Im Repräsentantenhaus verloren die Demokraten Sitze, und im Senat sieht es nicht danach aus, dass sie die Mehrheit der Republikaner knacken könnten. Aber abgesehen davon: Die US-Stimmbürger hatten sich zwischen einem offensichtlich nur schon charakterlich nicht für dieses Amt geeigneten Präsidenten und einem bei Amtsantritt 78-jährigen Greis zu entscheiden, dessen Wahlkampfteam sich am meisten davor fürchtete, dass er zu viele seiner berüchtigten Aussetzer hat.

Wahlprogramme? Was ist das?

Wenn die erste Euphorie der Trumpgegner und die Wutausbrüche der Trump-Anhänger verraucht sind, wird sich wieder herausstellen, dass es vielleicht nicht noch schlimmer wird, aber auch nicht viel besser.

Wenn das das Personal ist, das die beiden grossen, traditionellen Parteien der USA für das Amt des mächtigsten Mannes der Welt aufstellen können, dann kann man nur sagen: armes Amerika.

Was Biden genau will, ist eigentlich genauso unerforschlich wie Trumps Pläne. Oder hat jemand irgendein Parteiprogramm, eine Auflistung der wichtigsten Anliegen gesehen oder gelesen? In der Form unterscheiden sich beide sicherlich, aber im Inhalt? Schwer zu sagen, mangels Inhalt.

Das Schlamassel wäre vermeidbar gewesen

Was hingegen die Fähigkeiten der Berater betrifft, muss man sich vor allem bei Biden Sorgen machen. Er hätte diesen ganzen Schlamassel einfach vermeiden können, wenn er wie Obama Florida gewonnen hätte. Das hat er versemmelt, indem er Verhandlungen mit Kuba in Aussicht stellte.

Während Trump genau wusste, was die Exilkubaner hören wollen und  weitere Sanktionen versprach. Resultat: über 70 Prozent der Hispanics in Florida wählten Trump.

Und haben wir schon das mittelalterliche Auszählungssystem erwähnt? Die in wildem Gezerre zwischen Demokraten und Republikanern immer wieder umgeänderten Wahlbezirke, die teilweise wie von einem Irren geschnitzt aussehen? Schon mal von gerrymandering gehört? Zu Ehren des ersten Politikers, der das machte: die Wahlbezirke so umgrenzen, wie es für seine Partei am günstigsten, für die andere am schlechtesten ist. Was solange hält, bis die andere Partei wieder am Gerät ist. Das führt dann zu solch absurden Wahldistrikten:

Kein Witz, sondern US-Wahlbezirke.

Und haben wir erwähnt, dass sich jeder Stimmbürger zuerst in die Wahllisten eintragen muss, was für viele Amis, mangels Ausweis, mangels Kenntnissen, schon mal nicht so einfach ist. Also Demokratie geht irgendwie anders.

 

1 Antwort
  1. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Das USA Wahlsystem hat sich aus der Entwicklungsgeschichte ergeben.
    Die USA Bundesstaaten, haben offenbar vielen nicht bekannt, eine hohe Autonomie und Eigenständigkeit.
    Das mit den Wahllisten hat auch seinen Grund.
    Die USA Aussengrenze ist weitestgehend unter Kontrolle.
    Innerhalb der USA wissen die jeweiligen Behörden kaum bis gar nicht wer wo ist und haust.
    In den USA ist es recht einfach auch sein ganzes Leben Illegal zu verbringen.
    So ist das mit den USA zwischen Anspruch und Wahrnehmung von aussen und der vor allem inneren Realität klafft eine Riesnlücke.
    Die USA sind ein Land mit einigen wenigen Hochtechnoiogie „Insein» dazu gibt es weltweit operierende Grosskonzerne und Superreiche mit Stammsitz in den USA , DIE Patenonkel der hochgejubelten Globalisierung= Weltweit freie Bahn, die Linke hat freudig mitgezogen mit dem Traum der Verbrüderung der ganzen Menschheit, die grösste unheilige Allianz der Menscheitsgeschichte.Ein gemeinsames Ziel mit voll gegensätzlichen Beweggründen, DARUM ist die aktuelle sog. Globalisierung ein gescheitertes Auslaufmodell, so kann und wird das nicht nachhaltig funktionieren.
    In der inneren Fläche sind die USA innzwischen auch wenn das viele nicht glauben oder wollen,
    ein fast Schrotthaufen.
    ( Reiste persönlich 1980 im PKW quer durch die USA, grins auch über Feldwege.)
    Da ist die Weltleitwährung US—Dollar, das Nuklearwaffenarsenal‚ dazu die weltgrösste weltweit operierende Trägerflotte und damit wars das mit der Weltmacht No.1.
    Nicht umsonst sind die USA auch als Riese auf Thon-Füssen bekannt.
    Tja der „Böse“ Trump und seine Reden, basieren auf ein paar unbequemen Erkenntnissen die er nicht offen hinausposaunen durfte,das mit den die USA wieder gross machen hat seinen Hintergrund.
    Sicher der Trump ist KEIN Genie, offenbar hat der jedoch erkannt das die USA nur noch sehr bedingt Supermacht sind.
    Die Zeit in der die USA 50% der Weitrealwirtschaftsleistung stellten sind längst Geschichte. Das hat sich innzwischen nach Asien verlagert, China—Sükorea—Japan.
    Zu viele übersehen nicht Geld generiert Wohlstand NUR Realwirtschaftsleistung basierend
    auf entsprechender pro Kopf-Produktivität.

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu Hans von Atzigen Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert