Tiefergelegtes Niveau beim Tagi

Nachdem die Chefredaktorin schwärmen durfte, holzt nun die nächste Journalistin.

Das kommt halt davon, wenn man sowohl stilistisch wie inhaltlich versucht, eine neuen Tiefenrekord aufzustellen. Das ist der Co-Chefredaktorin des Tages-Anzeigers zweifellos mit ihrem Schmachtfetzen über die designierte US-Vizepräsidentin gelungen.

Aber die Konkurrenz im Hause schläft nicht. Da geht doch noch was, dachte sich die Wirtschaftsredaktorin Isabell Strassheim. Sie wechselte vor einem Jahr von «20 Minuten» zur Zentralredaktion von Tamedia; Standort Basel, Thema Pharma.

Wenn es keine Kommentarmöglichkeit gäbe …

Inzwischen ist auch klar, was sie bei «20 Minuten» vermisste. Die Möglichkeit, allen Bescheid zu geigen. Zu kommentieren. Zu fordern und zu verbieten. Das darf sie nun endlich wieder, und als Pharma- sowie Wirtschaftsspezialistin mit langem Track-Record wird sie gleich apodiktisch im Titel:

«Gigantische Gewinne mit Covid-Impfstoffen sind ethisch unzulässig». Zack. Und falls da noch ein Auge trocken geblieben sein sollte, wofür gibt es einen Lead: «Die Pharmabranche muss in der Pandemie von ihrem Geschäftsmodell abrücken. Alles andere wäre Erpressung.»

Eigentlich wäre damit der Inhalt des Kommentars vollumfänglich beschrieben. Lediglich ergänzt durch einen Schuss Planwirtschaft: «Der Markt darf genau jetzt aber nicht spielen.» An der holprigen Formulierung kann man erahnen, dass es Strassberg selbst nicht ganz wohl ist bei dieser Forderung.

Tatsächlich üble Gesellen, aber …

Natürlich dürfen auch die «armen Staaten» nicht fehlen, die auf der Strecke blieben, wenn es richtig teuer wird. Und wie sage Boston Consulting so richtig: «In einer globalisierten Welt kann die Wirtschaft nur wiederhergestellt werden, wenn in allen Staaten die Pandemie besiegt wird.»

Das ist allerdings an Trivialität nicht zu überbieten, und hat eigentlich auch nichts mit der Preisgestaltung der Pharma-Konzerne zu tun. Das sind tatsächlich üble Gesellen, ohne Zweifel. Besser als der Altmeister John Le Carré in seinem Thriller «Der ewige Gärtner» hat das kaum einer beschrieben.

Und le Carré fügte hinzu, dass er nur eine sanfte Version seiner Recherchen veröffentlicht hätte, die eigentliche Wahrheit hätte ihm niemand geglaubt.

Es gibt also durchaus einige Gründe, Big Pharma ans Bein und in die Profite zu pinkeln. Auch hier könnte man bei einer Jungredaktorin mildernde Umstände walten lassen. Das geht aber bei einer erfahrenen Journalistin nicht.

Populistische Effekthascherei mit Stuss

Denn sie stellt radikal drei Forderungen und eine Behauptung auf. Gewinne sind okay, aber «gigantische Gewinne» wären unethisch. Wenn Big Pharma nicht von ihrem Geschäftsmodell abrücke, Produkte herzustellen und sie zu Marktpreisen zu verkaufen, dann wäre das sogar Erpressung. Also müsse der Markt ausser Kraft gesetzt werden.

Das ist nun, mit Verlaub, von A bis Z Stuss. Unsinn. Schönes Gelaber. Realitätsfern. Billige Effekthascherei. Denn mit diesem Thema beschäftigt sich Pharma schon seit Anbeginn: Wie kann man nur mit der Behandlung oder Rettung von Menschen Profit machen? Pfuibäh. Und wie kann man Medikamente nur so teuer machen, dass sie für die Armen dieser Welt unerschwinglich werden. Sie dazu noch mit Patenten schützen, damit nicht einmal ein Generikum erlaubt ist. Wir schütteln uns vor Abscheu.

Was passierte, befolgte jemand den Forderungen von Strassberg?

Nur, wenn man diese populistische Erregungsbewirtschaftung an der Realität zerschellen lässt: that’s the name oft he game. Pharmakonzerne sind überraschenderweise profitorientiert. Würde der CEO oder der VR-Präsident fröhlich ankündigen, dass man zwar wieder mal ein paar Milliarden für die Entwicklung eines neuen Medikaments ausgegeben habe, aber um nicht unethisch oder erpresserisch zu werden, habe er beschlossen, die Pille unter Selbstkosten abzugeben.

Oder einfacher gefragt: Was würde mit einem Pharmamanager passieren, wenn er die wohlfeilen Ratschläge von Strassheim befolgen würde? Richtig, er würde entweder zum Arzt geschickt oder gleich gefeuert. Letzte Frage: Und was passiert mit Strassheim?

 

 

2 Kommentare
  1. Adrian
    Adrian sagte:

    Sehr guter Artikel! Jaja, der liebe Tages-Anzeiger… 🙄
    Erwähnen darf man auch noch, dass eben nicht nur der CEO (der ist ja per se ein böser Abzocker!) den Hut nehmen müsste. Sondern die Firma pleite gehen könnte, womit alle Jobs flöten gingen. Die Kosten von 99 erfolglosen Versuchen müssen am Ende vom dem einen erfolgreichen getragen werden. Nicht so schwierig zu verstehen, würde ich meinen…

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Typisch für den TAmedia Mahnfingerjournalismus. Von Themen die sie wenig verstehen schreiben. Haben TA JournalistenInnen sich jemals gefragt ob es ethisch ist wenn ein Unternehmen Dividenden zahlt und gleichzeitig beim Bund um Geld bettelt? Oder hinterfragt bei TAmedia jemand die geplante Medienförderung, die neue Form von Dividendensicherung durch die Allgemeinheit? Da ist Schweigen verordnet, dafür mehr lauthalsen «Gesellschaftsjournalismus», mit der neuen Unterrubrik «Fertigmacherjournalismus». Beispiel heute, Susanne Kübler, «Man möchte nur noch weghören – und wegsehen», über Boticelli und Bartoli, sie hat das Genre nicht verstanden, aber schreibt darüber.

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