Die Tages-Anzeigerin*

Schon Karl Kraus wusste: Wer Sprachverbrechen verübt, ist zu allem fähig.

Der «Tages-Anzeiger», früher mal ein stramm progressives und gar nicht mal schlecht gemachtes Blatt, ist heute als Skelett seiner selbst noch ein stramm progressives Blättchen.

Damit die (noch) überlebenden Redaktoren nicht in tiefe Depression verfallen, wenn sie eine Kündigungswelle nach der anderen sehen müssen und sich dazu das dumme Gequatsche der Chefetage anhören, dass das keinesfalls ein inhaltlicher Abbau sei, im Gegenteil: Synergie, Straffung, Blabla, bekommen sie Spielwiesen, auf denen sie sich wenigstens etwas selbstverwirklichen können, schräge Hobbys pflegen, Zeichen setzen, gegen und für.

Ein besonders beliebter Kinderspielplatz ist die Geschlechterfrage. Um da mitspielen zu dürfen, sind die Hürden ganz niedrig gelegt. Frausein reicht. Gender divers reicht auch. Weitere Kenntnisse sind nicht gefragt.

Die deutsche Sprache, das Männerluder

Dann braucht es noch den unbedingten Willen, mal wieder ein Zeichen zu setzen. Wenn die Knie noch wehtun, und die Kehle auch, weil unablässig «black lives matter» gegrölt wurde, was einem das wohlige Gefühl der Schuld, der eingestandenen Schuld auslöste, braucht es ein etwas weniger anstrengendes Fanal.

Da kommt die deutsche Sprache, dieses Männerluder, gerade recht. Schon Legionen von Sprachwissenschaftlern – und Sprachwissenschaftlerinnen – haben leider vergeblich zu erklären versucht, dass zwischen dem grammatikalischen Genus und dem menschlichen Geschlecht eigentlich kein Zusammenhang besteht. Die häufige Pluralbildung im Maskulin ist einfach aus der Sprachgeschichte gewachsen.

Weder die mühsame Verdoppelung, noch der völlig falsche Einsatz des dafür nicht vorgesehenen Partizips Präsens (für nicht sattelfeste weibliche Leser: Sachen wie «Studierende») und erst recht nicht Vergewaltigungen wie ein Binnen-I oder ein Gender-Sternchen bewirken etwas anderes als Übelkeit beim Leser. Und Überdruss.

Ein Fanal gegen das Der

Aber zurück zur ehemaligen Qualitätszeitung Tagi. Gestatten, «Tages-Anzeiger», DER «Tages-Anzeiger». Der sensible Leser spürt: da riecht es schon streng nach Diskriminierung. Nach Ausschluss. Ausgrenzung. Nach schweissiger Männlichkeit. Göttin sei Dank gibt es da den Kinderspielplatz des täglichen Newsletters «Der Morgen». Ich muss wohl nicht nochmal darauf hinweisen: Der Tagi, mit DER Morgen.

So geht das natürlich nicht. Also greift Salome Müller, Redaktorin Meinungen und Debatte, meinungsstark, aber rechtschreibeschwach beherzt ein. Und wie setzt sie nun ein klares Zeichen? Mit ihrer Frisur, von der sich Trump noch eine Scheibe abschneiden könnte? Aber nein, ich werde diesen chauvinistischen Ausrutscher beim nächsten Meeting meiner Sensibilisierungsgruppe «Männer sind Schweine» zur Sprache bringen.

Müller setzt gleich ganz am Anfang ein unübersehbares Zeichen: Sie begrüsst mit einem freundlichen «Guten Morgen» – als wüsste sie nicht, dass Morgen eben maskulin ist – die «liebe Leserinnen*».

Öhm. Und für die bösen Leser kein Grusswort? Und warum zum Teufel (der Teufel, männlich) ist das Gender-Sternchen ganz nach hinten gerutscht? Oder schlichtweg: Was will uns begriffsstutzigen Männern die Redaktorin, diese Torin, damit sagen?

Fragen kostet ja nix

Fragen kostet nix, dachte ein erheiterter, aber doch nicht ganz froher Leser (der Leser, männlich) und fragte nach dem Warum. Wer fragt, dem wird geantwortet. Aber wenn uns das nicht als Ausdruck typisch männlicher Arroganz angekreidet wird: das hätte Müller vielleicht besser sein lassen.

Es gibt Schriftstücke, die kann man nur fassungslos für sich selbst sprechen lassen, auch wenn da der blanke Irrsinn (männlich) tobt:

Packungsbeilage: Vorsicht, hier reihert der Irrsinn

«Ich verstehe Ihre Irritation und will Ihnen gern erklären, was es mit dem Sternchen am Schluss von Leserinnen auf sich hat: Das Sternchen steht für all jene Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau fühlen. Dies respektiere ich, indem ich mittels Sternchen auch jene Personen anspreche.

Üblicherweise schreibt man dann: Leser*Innen. So macht man explizit, dass Männer angesprochen werden, dass Frauen angesprochen werden, und dass jene Menschen angesprochen werden, die sich als nonbinär empfinden.

In meinem Newsletter habe ich mir eine Abwandlung erlaubt: eben Leserinnen*. Da in den Medien noch sehr häufig das generische Maskulinum verwendet wird, nehme ich die Gegenposition ein. Ich verwende das generische Femininum. Auch, weil der «Leser» in der «Leserin» schon enthalten, der Leser also mitgemeint ist.»

Wir begrüssen die Überlebenden dieser Zeilen

Ich halte zu Gnaden (die Gnade, weiblich): als mich glaub’s binär empfindender Mann und Liebhaber (der, männlich) der deutschen Sprache (die, weiblich) muss ich sagen: Es gibt weder ein generisches noch ein binäres oder nonbinäres Femininum. Aber es gibt reinen Nonsens (der, maskulin), es gibt Fehler (auch maskulin) und es gibt Sprachverbrechen (das, sächlich). Die schlimmsten sind böse Vergewaltigungen (die, weiblich) für einen angeblich guten Zweck. Egal, ob der als «Gegenposition», «Zeichen setzen», oder als Kampf gegen die angeblich männerdominierte Sprache umschrieben wird.

Das alles ist nicht viel weniger dämlich (nein, das leitet sich nicht von Dame ab) als die widerliche Entschuldigung von Vergewaltigern, dass es das Opfer doch provoziert  habe. Aber hier kann sich das Opfer wenigstens wehren und Bestrafung des Täters veranlassen. Die Sprache hingegen leidet stumm.

6 Kommentare
  1. Rolf Karrer
    Rolf Karrer sagte:

    Dieser missionarische, indoktrinierende Kleingeist auf dieser Tages-Anzeiger Redaktion nur noch lächerlich.

    Salome Müller scheint dort gut aufgehoben zu sein. Sie erinnert mich ein wenig an diese Simone Meier (ex Frauenbeauftragte beim TA) und jetzt bei Watson.

    Ein Loblied auf die Frauen wie Claudia Blumer und Liliane Minor. Sie sind auf der Höhe der Aufgabe beim TA und punkten mit sehr solider journalistischer Arbeit. Würden sich auch nie vor einen einfältigen, plumpen ***-Karren spannen lassen.

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  2. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Ja die Salome Müller, Master in Deutscher Literatur und Philosophie, blüht im Gesellschaftsfrauengrüppli, Binswanger, Hiltmann, Kedves unter Priska Amstutz richtig auf. Nun widmet die halbe Philosophin und halbe Literatin Menschen die sich nicht für ein Geschlecht entscheiden wollen ein *. Warum nicht ein Symbol für Krebskranke die auch gerne in einem anderen Körper leben würden, oder ein Symbol für Randständige die gerne in einer schönen Wohnung leben würden und nicht unter Karton die Nacht verbringen. Zu wenig interessant und trendy. Sie schreibt auch über Birchermüesli und Pandemie, Freitag. 6.11.20. «Birchermüseli und Käsetoast gegen den Aufruhr», Da ist zu lesen «Es gab einmal eine Welt, in der man die Aufregung suchen musste im persönlichen Exzess, in aussergewöhnlichen Locations und zu Kunstwerken hergerichteten Speisen». In dem Satz spiegelt sich das langweilige Leben von SM vor Corona, vor Genderwahn, vor meToo. Jetzt ist alles spannender, da finden TrittbrettfahrerJournalistinnen Themen über die sie schreiben können und der TA füllt die Seiten. Im Birchermüesli-Artikel, 2/3 Seiten. Text, 1/3, Bild und Titel 2/3. Wahrscheinlich sind die grossen Bilder Referenz an Youth Lab, für Junge die nicht mehr lesen wollen, das grosse Anbiederungs-, und Überlebensprogramm des TA. «Du bist was du liest», wohl kaum». Mein Tipp an die Chefredaktion, macht das Sternchen immer zum Titel «Tages-Anzeiger*», ein Hinweis wenn der verlegerische und journalistische Sinkflug so weitergeht ist die Zeitung und ihre Leute bald bei den Sternen!

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    • Eveline Maier
      Eveline Maier sagte:

      Grossartig Victor Brunner. Denke auch, man müsste diesen Sternchen-Fetich im Titel einbauen. Vielleicht gar noch eindringlicher, damit jeder arme, benachteiligte Schlucker weiss, dass sie/er nicht vergessen gegangen sind.

      *T*a*g*e*s*A*n*z*e*i*g*e*r*™

      Dachte auch schon, dass diese Glarnerin Salome auf völligen Nebenschauplätzen grosse Worte spuckt. Will sie manifestieren, dass sie in der grossen Stadt angekommen ist? Jetzt durfte sie eine Gastro-Kritik machen und mit ihrem Mami zusammen ein Birchermüesli kosten. Hoffe sehr, dass sie ihren Platz findet, für die wahren Themen im Alltag.

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      • Gerold Ott
        Gerold Ott sagte:

        Musste schmunzeln über ihren Einfall, Frau Maier. Damit wirklich niemand vergessen geht, könnte man doch in der täglichen Ausgabe des TA per Zufallsgenerator Sternchen setzen. Überall, auch auf den Sportseiten. Ab 1. Advent bis zum Weihnachtstag gar noch zusätzlich mit goldenen Sternchen als Bonus. Philosophin Salome wird diesen Zufallsgenerator bestimmt mit den wohldefinierten Algorithmen füttern.

        Fairness gilt ja Allen – und Sternchen bringen Linderung.

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  3. Karli Marxli
    Karli Marxli sagte:

    Als weisser, heterosexueller, nicht ganz junger und nichtlinker Mann für das bunte Treiben der Tagi-Redaktion das Portemonnaie zu öffnen, hat mit Masochismus zu tun.

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