Wie Infantino zweimal sein Schweigen brach
Gleicher Titel, gleicher Interviewpartner, gleiche dämliche Fragen – aber keine Absprache.
Der 19. Oktober war ein historischer Tag. Für die Schweiz, für die Welt, für den Fussball. Der «Blick» konnte am Montagabend endlich Gianni Infantino knacken: «Fifa-Präsident Gianni Infantino bricht sein Schweigen» Wenn so ein hohes Tier in die Redaktionsräume kommt, wird natürlich nicht Praktikantin Melanie (19) vorgeschickt. Das ist dann Chefsache. Also etwas für Chefredaktor Christian Dorer (45).
Dorer will von Infantino wissen: «Sie treffen regelmässig Donald Trump im Oval Office. Sind Sie vor solchen Treffen nervös?» Eine herzige Frage. Dazu muss man wissen, dass Dorer einmal eine Blick-Ausgabe von Trump unterschreiben lassen durfte. Zwei Jahre später ignorierte ihn aber Trump. Dorer war dann ziemlich sauer.
Die anderen Fragen, die Infantino beantworten durfte, waren auch eher leichte Kost: «Was wollen Sie noch erreichen?» Schwerpunkt der Fragestunde war sein Treffen mit dem damaligen Bundesanwalt Michael Lauber. Für Infantino ein harmloses Spielchen. Die Fragen standen schon so lange im Raum, dass er sich monatelang darauf vorbereiten konnte. Überraschendes wurde ihm nicht vorgelegt, zumindest wissen wir das nicht, denn das Interview wurden von Infantino gegengelesen. Das schreibt die Medienstelle und fügt an:«Inhaltlich hat er kaum etwas verändert.» Wir wollen es glauben.
Am Dienstag, den 20. Oktober, geschah wieder etwas Historisches. «Fifa-Chef bricht sein Schweigen». Die CH-Medien hatten ebenfalls das Glück, mit Gianni Infantino zu sprechen. Schon wieder? War das abgesprochen mit dem Blick? «Nein», sagt die Medienstelle. Wir wollen es glauben.
Auch bei CH-Media wird beim Fifa-Boss nicht der Anzeigenverkäufer mit dem Fragekatalog beladen. Das ist auch in Aarau Chefsache. Patrik Müller heisst der Mann. Wenn man seine Fragen liest, erfährt man ein Déjà-vu-Erlebnis. Viele Fragen standen auch im Blick:
«Wittern Sie eine Verschwörung?» (CH Media)
«Vermuten Sie eine linke Verschwörung?» (Blick)«Warum haben Sie den Walliser Staatsanwalt Rinaldo Arnold zu den Treffen mit Lauber mitgenommen?» (CH Media)
«Ein Fehler war, dass Sie Ihren Kumpel, den Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold, zu den Treffen mit dem Bundesanwalt mitgenommen haben.» (Blick)«Haben Sie nichts protokolliert?» (CH Media)
«Warum wurden die Gespräche nicht protokolliert?» (Blick)
Gab es zwischen Blick und CH Media vielleicht doch eine Absprache bezüglich Fragen oder Erscheinungsdatum (beide Interviews erschienen am gleichen Tag)? «Nein», sagt Ringier, «Nein», sagt CH Media. Wir wollen es, nun ja, wieder glauben.
Natürlich ist Infantino ein Aal, nicht zu fassen. Für die alten FIFA Korruptionen trägt er keine Verantwortung. Und gegen seine Person ist (noch) kein hängiges Strafverfahren bekannt. Die Gespräche mit der Bundesanwaltschaft hat er ja nie bestritten. Nur war es die alleinige Aufgabe von BA Lauber, diese Gespräche zu protokollieren. Da ist Infantino fein raus. Und schweigen darf er.
Infantino sass auch einem Gredig gegenüber und antwortete ebenso launig auf harmlose Fragen, manchmal waren auch einige «aufgesetzte Sorgenfalten» sichtbar. Die von der FIFA für Infantino organisierte Medientour ist ein weiteres Beispiel für den Mainstream im Schweizer Medienkuchen. Gredig, Dorer, Müller, verkörpern den Kriecherjournalismus wenn es um «Grosse», da haben sie Tage vor dem Interview schon feuchte Hände!