Eine billige Nummer

Der neuste «Schweizer Journalist» ist eine Enttäuschung. Versinkt er bald in der Bedeutungslosigkeit?

Stolz kann David Sieber auf seine neuste Ausgabe des «Schweizer Journalisten» leider nicht sein. Die Hälfte seines Heftes hat er mit Texten ohne Bezug zur Schweiz gefüllt. Dazu ein nicht repräsentatives Ranking unkritisch hochstilisiert. Ein bisschen wenig für 15 Franken Einzelverkaufspreis. Doch der Reihe nach.

Ehrenpreis für einen legendären Sprecher

Ehre wem Ehre gebührt: Das hat sich Chefredaktor David Sieber gedacht, als er die Würdigung von Polizeisprecher Marco Cortesi ins Blatt rückte. «Kurzfristig haben wir den Preis für das Lebenswerk ins Leben gerufen», schreibt Sieber mit salbungsvollen Worten. Diesen Ehrenpreis bekommt Zürichs legendärer Polizeisprecher Cortesi, weil «wir gehört haben, dass er nächsten Februar in Pension geht». Da ist Sieber nicht allein. Die halbe Journalistenschweiz weiss seit Monaten, dass Marco Cortesi bald pensioniert wird. Und dass Cortesi Würdigungen, Nachrufe etc. erst im Dezember möchte. Für den «Schweizer Journalisten» gilt die Ausnahme, dass das PR-Ranking nur einmal im Jahr rauskommt.

Nach der Lektüre des Sieber-Artikels («Kommunikationsprofi mit Herz») über Cortesi muss man es sagen: Von einem Chefredaktor eines Branchenmagazin hätte man mehr erwartet. Natürlich ist Cortesi der Bündner Charme-Bolzen. Und er hat eine Würdigung auch voll verdient. Aber so unkritisch und ohne jegliche Vertiefung? Denn Cortesi kann auch anders. Der Schreibende erinnert sich an eine eigene Recherche, als er der Polizei nachweisen konnte, dass sie eine Art «Pfefferspray-Kärcher» gegen Kurdische Demonstranten einsetzte. Da wurde Cortesi richtig sauer und die Auskünfte waren ganz, ganz kurz und sehr, sehr unvollständig.

Harry Rosenbaum hin und weg

Damit zum Aufhänger des Heftes, zum Ranking «Unternehmenssprecherin des Jahres». «Die neue Überfliegerin» heisst es auf dem Titelblatt ein bisschen platt. Denn man nimmt Bezug auf Flughafensprecherin Manuela Staub, die «an die Spitze gestürmt» ist. Das mag man ihr und ihren drei Kolleginnen von Herzen gönnen. Auch das Tribut «Fab Four», das ihnen Autor Harry Rosenbaum verliehen hat. «Fab Four» (berühmte, fabelhafte Vier) nannte man zwar die Beatles und das ist länger her. Aber egal.

Ein bisschen weit hinten, erst auf Seite 68, folgt dann das Portrait der Siegerinnen. Lustig: Auch Harry Rosenbaum scheint viel mit der Flughafenmedienstelle zu tun zu haben. «Die Unternehmenskommunikation der FZAG macht eine super Arbeit, die sehr nachhaltig wirkt», schreibt der Journalist aus St. Gallen. Doch er hakt nach. Gibt es für den Sieg mehr Ferien, mehr Lohn oder eine grosse Party? «Der CEO meinte, über einen zusätzlichen Ferientag liesse sich verhandeln. Und natürlich haben wir angestossen, sagen die Frauen von der Flughafen-Medienstelle spontan.» So weichgespült ist leider der ganze Artikel.

Peter Minder ganz hinten

Hinter den Flughafen-Frauen folgen auf dem Podest Pro Natura und die Schweizerische Post. Das Schlusslicht bilden als 131. Peter Minder, Medienchef von Ueli Maurer und als 132. die Medienstelle der Politpartei BDP.

Mehr als zwei Drittel ungenügend

Wie lief das Ranking eigentlich ab? Laut Reglement des «Schweizer Journalisten» war die Bewertung vom 3. August bis 6. September online. Die Benotung passierte nach dem Schweizer Schulnotensystem. Die Flughafen-Damen gewannen den Wettbewerb mit der Note 4,52. Das bedeutet «genügend bis gut». Was für einen Sieger auf eine durchaus schlechte Beurteilung der Branche durch die Journalisten schliessen lässt. So hat die Coop-Mediensprecherin Rebecca Veiga (+ Team) als 33. nur die Note 3,95 erreicht. «Ungenügend». Fazit: Mehr als zwei Drittel der benoteten Sprecher und Firmen sind durchgefallen. Peter Minder etwa holte eine 2,85. «Sehr schwach bis schwach», heisst es im Schweizerischen Notenschlüssel dazu.

Nur 160 machten mit bei der Abstimmung

Doch es kommt noch schlimmer. Die Aussagen sind darum relativ, weil nur rund 160 News- und Fachjournalisten mitgemacht haben. 160 Leute. Aktuelle Statistiken gehen von gut 13’000 erwerbstätigen Journalisten und Redakteuren aus (verifizierte Zahlen von 2018: 14’500). Somit haben also lediglich etwas über 1 Prozent der Journis am Ranking mitgemacht. Für ein Fachblatt eine schwache Leistung.

Repräsentativ ist anders. Ja, eigentlich müsste die Headline lauten: Schlechte Noten für die Medienstellen. Bei den Journalisten herrscht grosse Unzufriedenheit.

«Zu wenig Ostdeutsche in den Redaktionen»

Und nun zur Gesamtbeurteilung des Heftes. Der erste Eindruck: Erinnerungen an die Südostschweiz am Wochenende kommen auf. Und zwar darum, weil 70 Prozent jener Zeitung nichts aber auch gar nichts mit Graubünden zu tun haben. Es kommt alles aus der Zentralredaktion in Aarau. Genau so beim «Schweizer Journalisten». Zu vieles ist von den Schwesterblättern (Der Österreichische Journalist, mediummagazin.de, Der Wirtschaftsjournalist) reinkopiert. Drei Seiten über «Bundesverkehrsminister Scheuer», drei Seiten über die TV-Serie «Piefke-Saga». Drei Seiten Analyse «Zu wenig Ostdeutsche in den Redaktionen». Dazu irritierenderweise auch lokale Inserate und Verlagshinweise. Eine Seite «30 unter 30. Die jungen PR Talente Deutschlands». Oder: «22. Österreichischer Journalistinnenkongress. Am 4. November in Wien».

Je länger man sich mit dem Heft beschäftigt, desto mehr kommt man ins Grübeln. Ist da gerade ein Branchenmagazin am Abserbeln?

Aber stopp. Die  drei Seiten über «Geld vom Staat – wofür?» sind ganz ok. Zu Wort kommt etwa der Deutsche Zeitungsverleger-Präsident Mathias Döpfner. Der Schweiz-bezogene Teil aber ist eine merkwürdige Doublette des Artikels von Dennis Bühler, einige Seiten vorher («Die Hälfte für die Kleinen, die Hälfte für die Grossen»). Dort immerhin erfährt man, dass der Bund bei der geplanten Onlineförderung dem Stadtzürcher Online-Portal tsüri.ch 84’000 Franken jährlich zahlen möchte. Das Online-Magazin «Republik» bekäme gar 1,34 Millionen Franken. Geschrieben hat dieser Artikel übrigens Dennis Bühler, selber Redaktor bei der «Republik».

Ein Lichtblick, der Sportjournalistenverband

Gibt es denn nichts Spannendes, Erfreuliches zu berichten nach der Heftlektüre? Doch. Der Artikel von Andreas W. Schmid über die Unruhe im Sportjournalistenverband ist ein Stück, das man gerne liest in einem Branchenmagazin. Viel Swissness, viel Neues. Etwa, wenn man vom Krach der ehemaligen SRF-Journalistin Jeanine Geigele mit dem internationalen Sportjournalistenverband erfährt. Geigele berichtet, dass es dort kaum um Inhalte, dafür umso mehr um teures Essen und repräsentative Hotels geht. Und dass der internationale Sportjournalisten-Kongress 2019 in Lausanne schlussendlich vom Katarischen Verband mitorganisiert und bezahlt wurde. Der Schweizer Verband weigerte sich, dieses korrupte System zu unterstützen. Warum gab’s nicht mehr solche Artikel?

Bald ein «Jubiläum»

Der nächste Schweizer Journalist erscheint schon am 4. November. Sonderthema: «Jubiläumsausgabe: 15 Jahre Schweizer Journalist». 15 Jahre ist nicht gerade eine runde Zahl. Aber man muss die Feste feiern, solange man noch lebt.

 

P.S. Im Editorial geht David Sieber mit keinem Wort auf die wirtschaftliche Situation des eigenen Blattes ein. Etwa, dass wegen der internen schlechten Finanzlage so viele Artikel übernommen werden mussten von Österreich und Deutschland und es hoffentlich wieder besser werde. 

 

2 Kommentare
  1. Peter Meier
    Peter Meier sagte:

    Wieso schreibt Herr Steinmann konsequent alle landesbezogenen Adjektive gross? Würde bei einem Medium, das a dere so harsch kritisiert, wenigstens eine korrekte und gepflegte Sprache erwarten.
    MfG, P. Meier

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