Atasoys Sololauf

Salvador Atasoys «Medientalk» fällt auf, weil er bald die letzte Medienkritik ist. In der aktuellen Ausgabe setzte Atasoy aber zu sehr auf Theoretiker.

Der Medienkritik-Blog vom «Tages-Anzeiger»: auf Eis gelegt. Die Medienseite der «NZZ»: auf der Abschussliste. Die «Medienwoche»: mit immer weniger Beiträgen. «Persönlich»: zu 90 Prozent Verlautbarungstexte der Medienkonzerne, «Kleinreport»: ebenfalls viele Verlautbarungstexte.

Da fällt der «Medientalk» auf SRF 4 News durchaus positiv auf. Die jeweils gut 30-minütige Sendung wird immer am letzten Samstagmorgen im Monat ausgestrahlt, nachher gibt’s ihn als Podcast. Salvador Atasoy ist Produzent, Moderator und wohl auch treibende Kraft innerhalb von SRF für das Format. Es ist sein Sololauf. Entsprechend oft haben immer wieder die üblichen Verdächtigen ihren Auftritt, etwa Hansi Voigt. Trotzdem bringt das Format doch recht häufig spannende Erkenntnisse. Vor einem Monat waren es zwei jungen Journalistinnen, die frisch und scheinbar ohne Angst vor Sanktionen ihrer Arbeitgeber über die Männerdominanz in den Schweizer Redaktionsstuben berichteten. Andrea Fopp, Autorin bei Bajour und Nora Bader, Autorin bei 20 Minuten. Die beiden haben kürzlich das Buch «Frauen Macht Medien» herausgegeben.

Zehn Jahre nach Kurt Imhofs Premiere

Am vergangenen Samstag ging es nun um die neueste Qualitätsstudie MQR 2020. Sie erscheint alle zwei Jahre. Die erste Studie veröffentlichte 2010 der damalige Publizistikwissenschaftler Kurt Imhof (1956-2015). Damals war das Echo in den Medien gross, was sicher auch mit dem charismatischen und streitbaren Auftreten Imhofs zu tun hatte. 2020 ist das anders.

Laut Salvador Atasoy wurde fast gar nicht über die grossangelegte Studie berichtet. Das wollte der «Medientalk» nun nachholen. Doch warum lud Atasoy keinen Praktiker ein? Sagten alle Journalisten der in der Studie kritisierten Verlage «Tages-Anzeiger» und «CH Media» ab?

Zu Wort kamen bei Atasoy lediglich der eher farblose Wissenschaftler Daniel Vogler vom fög (Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich), sowie der ehemalige Journalist und heutige PR-Manager Andreas Durisch (Dynamics Group) vom herausgebenden Stifterverein. Die Einschätzung von Vogler und Durisch: Medien nutzen die Ergebnisse fürs eigene Marketing – wenn sie gut abgeschnitten haben. So habe Blick online das Ergebnis freudig vermeldet. Bei CH Media (mit der Aargauer Zeitung) und der TX Group (mit dem Tages-Anzeiger) wurde nichts vermeldet, was für Durisch «bedauerlich» ist. Durisch hat noch etwas beobachtet: «Die Medienberichterstattung ist total zurück gegangen.» Für Durisch einer der Gründe: «Medienjournalisten müssen die Hauspolitik des Verlags vertreten.» Darum nehme sie viel weniger Platz ein als früher. Das trifft sich mit der eingangs formulierten Beobachtung von ZACKBUM.ch. Die Medienkritik bekommt immer weniger Raum.

Boulevardisierung bei der Regionalberichterstattung

Und wo können die Verlage noch mehr sparen? Das Potenzial liege in der Regionalberichterstattung. Sie werde ausgedünnt und es erfolge eine Boulevardisierung. Grund: Unfälle und Verbrechen generieren viel Klicks, was bei der Strategie «online first» entscheidend sei.  Berichte über KMU’s und die regionale Politik laufen viel weniger. Zudem werden die Redaktionen weiter zentralisiert und Aussenstellen abgebaut, findet Andreas Durisch.

Damit bleibt auch weiterhin genügend Arbeit, um in zwei Jahren wieder eine Qualitätsstudie herauszugeben.

Der Umkehrschluss: Nicht Online ist besser geworden, sondern der Print schlechter

Zum Schluss noch dies: Eine der Hauptaussagen der Qualitätsstudie MQR 2020 ist, dass die Online-Medien mittlerweile so gut sind wie ihr Pendant im Print. «Ein grosser Schritt, denn bisher schnitt Online immer schlechter ab wie Print», so die Studie. Kurt Imhof selig würde nun nach kurz-legendärem Kichern sagen: «Man könnte die Studie auch anders interpretieren. Der Print ist so viel schlechter geworden, dass er sich dem Online angepasst hat». Dann würde nochmals sein diebisches Kichern folgen. Hier zu Ehren von Kurt Imhof der Link zu einer Trauerrede an seiner Beerdigung am 6. März 2015.

1 Antwort
  1. Pascal Turin
    Pascal Turin sagte:

    Die Frage ist immer, wie Qualität bewertet wird. Und Online muss ja nicht per se schlechter oder besser als Print bedeuten. Gibt es bei den grossen Zeitungen überhaupt noch welche, die «nur» für den Print schreiben? Stichwort Medienkonvergenz?

    Antworten

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreiben Sie einen Kommentar zu Pascal Turin Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert