Anschlag auf die Pressefreiheit

Will Spiess-Hegglin eine Fanfare erschallen lassen, ist Pascal Hollenstein immer zur Stelle.

Man sollte natürlich die dritte und vierte Gewalt im Staate respektieren. Ausser, die Justiz greift die Pressefreiheit an, und ein publizistischer Leiter findet das toll.

Worum geht’s? Wie am Freitag bekannt gemacht wurde, hat das Zuger Kantonsgericht den Inhalt einer superprovisorischen Verfügung gegen die Tamedia-Journalistin Michèle Binswanger bestätigt.

In dieser Verfügung wurde Binswanger untersagt, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, daher im Wortlaut:

«Ein Buch, einen Artikel oder eine andersartige Veröffentlichung zu publizieren, zu verkaufen oder zu vertreiben (lassen), in dem bzw. in der Handlungen der Gesuchstellerin anlässlich der Zuger Landammann-Feier vom 20. Dezember 2014

a) in Bezug auf M. H. (in der Verfügung ist sein voller Name erwähnt, Anm. R.Z.),

b) in Bezug auf andere an der Feier anwesenden Männer,

c) in Bezug auf das Mass des Alkoholkonsums der Gesuchstellerin und

d) in Bezug auf das Sexualverhalten der Gesuchstellerin thematisiert werden oder Spekulationen diesbezüglich geäussert werden.»

Aber hallo, da gibt es doch sicher schon einen Raubdruck dieses Werks? Und was stehen da für saftige Details in Bezug auf M. H., andere Männer, den Alkoholspiegel von Spiess-Hegglin oder ihr Sexualverhalten drin? Lechz, hechel.

Ein Geisterurteil gegen Nicht-Existentes

Aber nein, Entwarnung, es handelt sich hierbei um ein Projekt. Also etwas, das noch gar nicht geschrieben ist, weder dem Gericht noch sonst jemandem vorliegt. Eine superprovisorische Verfügung wird ohne Anhörung der Gegenseite erlassen. Wenn nur so ein unmittelbar drohender, schwerer Nachteil abgewendet werden kann.

Das war schon ein kühner Schritt in juristisches Neuland. Nun aber erhebt das Kantonsgericht diesen Schlag mitten in die Fresse der Pressefreiheit zum Urteil. Eigentlich unvorstellbar. Ein «Geisterurteil» nannte Kurt. W. Zimmermann schon die Superprovisorische. Nun wurde sie vom Kantonsgericht bestätigt.

Eine weitere Perversion des Rechts. Die Wiedereinführung der inquisitorischen Gedankenpolizei, die bereits mögliche zukünftige Rechtsbrüche ahndet, bevor sie geschehen. Als wäre der Science-Fiction-Knaller «Minority Report» Wirklichkeit geworden.

Hört man allenthalben Protestgeschrei?

Dagegen erhebt sich sicherlich lauter Protest in allen Medien, die unabhängig von ihrer Einstellung gegenüber Binswanger oder Spiess-Hegglin im Kampf gegen diesen präventiven Übergriff auf die Pressefreiheit eine Einheitsfront bilden?

Weil dieses Urteil im Klartext bedeutet: Wir buchten Sie mal für fünf Jahre ein. Denn wir haben Anlass zur Befürchtung, dass Sie einen Banküberfall planen könnten. Darüber haben Sie ja schon mal nachgedacht. Wer würde da nicht auf die Barrikaden gehen?

Nun, schon mal alle Medien nicht, die nicht einmal das letzte Urteil im Fall Spiess-Hegglin richtig lesen konnten. Und von einem «Sieg» für die Dame schwafelten, obwohl das Zuger Obergericht auch für Laien verständlich urteilte: «Das Obergericht weist die Berufung von Jolanda Spiess-Hegglin vollumfänglich ab.» Das ist eine vollumfängliche Niederlage, kein Sieg. Aber eben, lesen sollte man können.

Was sagt denn Tamedia dazu?

«Das Urteil des Zuger Kantonsgerichts verbietet einer Journalistin von Vornherein über ein Thema zu schreiben, das breit in der Öffentlichkeit diskutiert wurde und zu dem weit über 1’000 Artikel veröffentlicht wurden. Eine derart weitgehende Einschränkung der Medienfreiheit ist höchst bedenklich. Tamedia wird das Urteil anfechten.»

Pascal Hollenstein reitet mal wieder

Überraschungsfrei reagiert der publizistische Leiter in der Akklamationsberichterstattung, Spiess-Hegglins Büttel Pascal Hollenstein. Er begrüsst das Urteil, das ihm – von wem wohl – zugesteckt wurde: «Es sei, so das Gericht, «glaubhaft erstellt, dass Spiess-Hegglin eine ungerechtfertigte, potenziell besonders schwere Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte fürchtet und ihr aus dieser drohenden Verletzung ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht.»»

Seinen Bericht schmückt Hollenstein mit einer für Binswanger unvorteilhaften Illustration als «Tagi-Postergirl» aus, während Spiess-Hegglin exklusiv flöten darf: «Die Verteidigung meiner Rechte in dieser Sache hat mich die letzten Monate enorm absorbiert. Nun bin ich erleichtert.» Hollenstein zeigt schon im Titel wieder mal, dass er von Juristerei schlichtweg keine Ahnung hat: «Gericht verbietet «Tages-Anzeiger»-Journalistin Buch-Publikation», behauptet er forsch.

Werden schon ungeschriebene Bücher verboten?

Das hätten seine Quelle und er wohl gerne, aber das ist natürlich Quatsch. Es sind Binswanger vorläufig die vier Themenbereiche verboten, die in der superprovisorischen Verfügung eingefordert wurden. Was nun passiert: Die Anwältin von Spiess-Hegglin darf eine neue Honorarnote schreiben und muss für die Hauptverhandlung begründen, wieso diese Massnahme richtig sei. Tut sie das in einer engen Frist nicht, entfällt nämlich die Superprovisorische. Aber was interessieren solche Details einen einäugigen und parteiischen publizistischen Leiter.

Dann wird noch lobend erwähnt, dass im Verein «#NetzCourage» diverse wichtige Projekte anstünden, «mit denen wir nachhaltig sehr Gutes für die Gesellschaft tun werden», schaut Spiess-Hegglin in Zukunft. Während Binswanger, die sich als «Jeanne d’Arc der Pressefreiheit» bezeichne, das Urteil anfechten werde.

Die eine tut nachhaltig Gutes, die andere will weiter streiten. So die Message von Hollenstein. Dabei ist es so: Wenn dieses Geisterurteil Bestand haben sollte, ist einer Vermutungsjustiz Tür und Tor geöffnet, kann jedes Medienorgan, jeder Journalist damit eingeschüchtert werden, dass durch einen auch nur geplanten oder angedachten Artikel ganz sicher ein schwerer Nachteil für jemanden entstehen könne und der daher präventiv zu verbieten sei.

Hält das Urteil, ist das nichts weniger als das Ende der Pressefreiheit

Für ein solches Verbot würde schon ausreichen, dass der Journalist sich mit Fragen an das potenzielle Objekt oder dessen Umfeld seiner Berichterstattung wendet, dabei eine Recherche erwähnt und sich vielleicht schon früher mal kritisch über diese Person oder Firma geäussert hat.

Das wäre das Ende der Pressefreiheit, wie wir sie bislang in der Schweiz kennen. Dass Spiess-Hegglin das egal ist, sei dahingestellt. Dass ein publizistischer Leiter des wichtigsten Konzerns im Bereich Tageszeitungen das toll findet, ist so ungeheuerlich wie das Urteil selbst.

3 Kommentare
  1. Valentin Vieli
    Valentin Vieli sagte:

    Es ist beinahe schon lächerlich, wie die ganze linke Zunft mit Voigt, Sch(mutz)bach und Co. jetzt das Narrativ in die Welt setzt, der Entscheid vom 3. September 2020 des Zuger Kantonsgerichts sei für Michéle Binswanger KEIN Buchverbot sondern lediglich die Auflage, nicht persönlichkeitsverletzend zu schreiben. Sie lügen, bis sich die Balken biegen. Habe als Fachmann dieses Urteil im Detail gelesen. Wie auch René Zeyer richtig schreibt, ist es ohne Wenn und Aber ein einstweiliges VERBOT, ein Buch, einen Artikel oder anderweitige Veröffentlichungen zu publizieren, wo Handlungen der Gesuchstellerin anlässlich der Zuger Landammannfeier vom Dezember 2014 thematisiert oder Spekulationen diesbezüglich geäussert werden. Diesen Satz kann sogar ein 3. Klässler lesen und verstehen!

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  2. Michel Sigg
    Michel Sigg sagte:

    Sehr klar auf den Punkt gebracht. Wenn dieses Urteil endgültig ist, geht die Vielfalt flöten und die einseitig Tunnelblick ähnliche Propaganda stories erscheinen. Die sonst schon Einseitigkeit des Journalismus in der Medienlandschaft wird immer mehr zur Diktatur. Zackbum zeigt auf das es kritische Medien gibt und auch klare Worte findet gegen über allen. Danke

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  3. Vergissmeinnicht
    Vergissmeinnicht sagte:

    Spotlight gegen das Vergessen!
    _________________________________________________
    Offener Brief
    https://www.facebook.com/pages/Staatsanwaltschaft/145229982187349/
    https://www.facebook.com/pages/Obergericht%20des%20Kantons%20Zug/118600004863964/
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    Geehrte Damen und Herren der Zugerjustiz

    Hiermit bedanke ich mich herzlich für die feine Zugerkirschtorte die ich anlässlich einer gewonnenen Wette ehr und redlich verdient habe. Im Expresspaket das ich gestern von Zug erhalten habe waren beiliegend auch gleich noch die weissen Mohrenköpfe. So bin ich überzeugt, dass auch das befangene Obergericht der -bewussten Zensur- folgen wird. Also die Mike Shiva – Nummer ist genial so unterstreicht sie doch einmal mehr deutlich die längst verspielte Glaubwürdigkeit. Mit einer gewissen Genugtuung darf man auch gratulieren, dass Sie einem noch nicht erschienen Buch, zum Bestseller verholfen haben.

    Wie war das nochmal als Sie damals ohne jeglichen Nachweis geschweige Indiz (!) ein zu Unrecht Beschuldigten inhaftiert haben? In der Tat das haben Sie doch fein hingekriegt: so war doch die Zielsetzung, dass die Medien nun endlich namentlich identifiziert zur Causa berichten werden.

    Wo ist eigentlich im Internet -die von Ihnen gesetzte imaginäre Linie- rund um den Kanton Zug?

    Wie viele Strafanträge (über 30) werden Sie noch einstellen?

    Fazit: Dankbar nehme man zur Kenntnis, dass das Bundesgericht dann halt doch nicht in Zug ist…

    Wer weiss vielleicht werden Sie an den nächsten Ostern als Zückerli ein Paket mit Kinderüberraschungseier erhalten. Die Schoggi ist zwar mega grusig aber am Inhalt werden sie gewiss Freude haben. Natürlich wird es nur eine Packung sein, wir wollen doch sicherstellen, dass Sie die Spielsachen wie die zu -verzeichnende Befangenheit- artig teilen werden.

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