Geld oder Entschuldigung? Beides!

Seit Jahren verfolgt Jolanda Spiess-Hegglin Medien, die sich ihrer Meinung nach auf Kosten von Opfern bereichern.

Um sich an ihnen zu bereichern?

Schon längst ist sie zur verfolgenden Unschuld geworden. Mit dem Verein «Netzcourage» setzt sie sich nicht nur in eigener Sache ein. Droht nicht nur mit Anzeigen, sondern tut es auch.

Eines ihrer Opfer bittet um Verzeihung und darum, die Klage wegen Ehrverletzung gegen ihn fallenzulassen. Da bleibt Spiess-Hegglin unerbittlich: «Ihre Entschuldigung kann ich leider nicht so ernst nehmen», erwidert sie kühl. Allerdings, vielleicht gebe es doch eine Möglichkeit, nicht bis zu 1500 Franken an den Staat abdrücken zu müssen, «den Strafbefehl und den Registereintrag zu umgehen.» Nämlich mit einer Spende von 1000 Franken an den Verein «The Voice of Thousands».

Rücknahme einer Strafanzeige gegen Spende?

Das war 2016, und Spiess-Hegglin betrat damit mindestens eine Grauzone, um es höflich zu formulieren. Der Verein, der sich der Flüchtlingshilfe widmete, hat Ende Juli dieses Jahres übrigens seine Auflösung bekannt gegeben.

Aber in erster Linie kümmert sich Spiess-Hegglin um ihren eigenen Fall: «Ich möchte einfach, dass meine Ehre und mein Ruf wiederhergestellt werden, die durch Lügen stigmatisiert worden sind. Meine Absicht ist, dass ein weiterer Schreibtischtäter zur Verantwortung gezogen wird.» So begründete sie in «zentralplus» 2017 ihre Klage gegen den damaligen stellvertretenden Chefredaktor der «Weltwoche».

Hollenstein entschuldigt sich

Besonderen Wert legt Spiess-Hegglin darauf, dass sich Medienorgane bei ihr entschuldigen. Das tat schon damals der Publizistische Leiter der «Luzerner Zeitung» Pascal Hollenstein ausführlich: «Jenseits dieser juristischen Auseinandersetzungen kann man festhalten, dass sich einige Medien zu Vorverurteilungen, Ungenauigkeiten und zur Verbreitung zum Teil ungenügend verifizierter Informationen zu Ungunsten von Jolanda Spiess-Hegglin hinreissen lassen haben. Auch dieser Zeitung sind Fehler unterlaufen. Dafür möchten wir uns entschuldigen.»

Allerdings ist Spiess-Hegglin wählerisch, wessen Entschuldigung sie annimmt und von wem nicht. Hollenstein ist inzwischen zu ihrem Sprachrohr denaturiert, das exklusive Meinungshäppchen von Spiess-Hegglin veröffentlicht. Damit das auch richtig klappt, sogar unter Brechung einer gerichtlich angeordneten Sperrfrist für die Berichterstattung über ein neues Urteil in Sachen Spiess-Hegglin.

Spiess-Hegglin hat laut eigenen Aussagen schon mehrere Dutzend Anzeigen eingereicht; in eigener und in fremder Sache. Oftmals würden die dann mit einem Vergleich erledigt; gerne auch mit Spende an ihren oder an andere Vereine ihrer Wahl.

Persönlichkeitsverletzung durch den «Blick»

Besonderer Verfolgung durch Spiess-Hegglin ist der «Blick» ausgesetzt. Der nahm eine Meldung der «zentralschweiz» auf und brachte zur Weihnachtszeit 2014 das sexuelle Rencontre bei einer weinseligen Feier mit den Namen und Fotos der Beteiligten an die Öffentlichkeit. Mit der Frage: Wurde sie geschändet? Denn bei der Fortsetzung des Techtelmechtels in einem Separée könnten k.o.-Tropfen im Spiel gewesen sein.

Daran schlossen sich eine längere Reihe von weiteren Artikeln an, nicht nur im «Blick». Gegen diesen ersten Artikel im «Blick» strengte Spiess-Hegglin eine Klage an. Es handle sich um eine Persönlichkeitsverletzung. Dafür sei ihr eine Genugtuung in der Höhe von 25’000 Franken zu zahlen, zudem solle sich das Boulevardblatt in Form eines vorformulierten Textes auf der Frontseite bei ihr entschuldigen.

Weitere Forderungen auf Gewinnherausgabe behielt sich Spiess-Hegglin vor. Kürzlich entschied das Zuger Obergericht in zweiter Instanz in diesem Zivilprozess. Es bestätigte eine Persönlichkeitsverletzung. Unabhängig von der Richtigkeit der Darstellung im «Blick» gehörten die Ereignisse zur Privatsphäre der Klägerin, zudem habe es kein öffentliches Interesse an der Beschreibung dieses Vorfalls gegeben.

Keine Entschuldigung und gekürzte Genugtuung

Mit der Forderung nach einer Entschuldigung scheiterte die Klägerin allerdings; auch die Genugtuungssumme wurde nochmals gekürzt, auf noch 10’000 Franken. Zudem wurde die Klägerin an den Gerichtskosten beteiligt.

Als dieses Urteil vom Büttel von Spiess-Hegglin bereits 24 Stunden vor Ablauf der Sperrfrist verkündet wurde, liess sie sich so zitieren: «Wir haben nun eine perfekte Grundlage für alles, was noch kommen wird.»

Zunächst kam aber, nach Ablauf der Sperrfrist, eine «aufrichtige Entschuldigung» vom Ringier-CEO Marc Walder. Spiess-Hegglin sei durch die Berichterstattung verletzt worden, und das tue ihm leid. Zuvor hatte sich Spiess-Hegglin noch darüber beschwert, dass es nicht mal eine freiwillige Entschuldigung gebe.

Nun also Gewinnherausgabe

Was wird denn noch kommen? Spiess-Hegglin liess sich vom mehrfach gescheiterten Internet-Guru Hansi Voigt ausrechnen, wie viel Ringier angeblich an seiner Berichterstattung über sie verdient habe. Mit komplizierten Berechnungen, mit denen Voigt absolutes Neuland betrat, kam er auf die beeindruckende Summe von rund einer Million Franken. Zuvor hatte auch er sich bei Spiess-Hegglin entschuldigt, weil Voigt damals bei «20Minuten» natürlich auch an der Erregungsbewirtschaftung dieses Falls mitgemacht hatte. Aber inzwischen ist er offenbar vom Saulus zum Paulus und Frauenversteher gereift.

Das würde also bedeuten, dass Spiess-Hegglin eine Gewinnherausgabe in sechs- oder gar siebenstelliger Höhe fordern könnte. Walder schrieb in seiner freiwilligen Entschuldigung hellsichtig: «Jolanda Spiess-Hegglin wird die Klagen gegen Ringier weiterführen und aufgrund dieser Zeilen nicht fallen lassen.»

Zunächst macht sie sich über die Entschuldigung von Ringier lustig

Was meint Spiess-Hegglin denn zu seiner Entschuldigung, die sie von Anfang an gefordert hatte? Auf Twitter widmet sie Walder einen alten Song der «Toten Hosen». Darin macht sich die deutsche Politband über falsche Entschuldigungen lustig. Persifliert angebliche Entschuldigungen der Polizei und singt selber eine Entschuldigungsarie. Die Botschaft ist klar: Wie schon in der Vergangenheit in anderen Fällen nimmt Spiess-Hegglin dem Ringier-Verlag seine Entschuldigung nicht ab, macht sich sogar lustig darüber.

Während es bei ihren anderen Anzeigen jeweils nur um Kleckerbeträge geht, würde die Gewinnherausgabe im Fall Ringier hoffnungsfroh gewaltig einschenken. Deshalb hat Spiess-Hegglin bereits präventiv, bevor das Urteil des Zuger Obergerichts bekannt war, eine entsprechende Klage eingereicht.

Schon vor dem Urteil des Zuger Obergerichts weitere Klage eingereicht

Um welche Summen geht es da? Nun, um einen Streitwert von «mehreren CHF 100’000». Dabei wird nur die Gewinnherausgabe von 5 «Blick»-Artikeln gefordert, allerdings weitere «Schadenersatz- und Genugtuungssummen» ausdrücklich vorbehalten.

Auf entsprechende Anfragen reagiert ihr Büttel Hollenstein öffentlich. Statt dass Spiess-Hegglin oder er meine Fragen beantworten, publizierte er am Donnerstagabend einen sicherlich schon längst geschriebenen Artikel: Seine Schutzbefohlene «fordert von Ringier die Herausgabe des Gewinns». Angesichts dieser Klage wird auch klar, wieso Spiess-Hegglin versuchen will, die von ihr immer eingeforderte und inzwischen erfolgte Entschuldigung ins Lächerliche zu ziehen. Denn damit fällt eine Flanke ihres Feldzugs gegen Ringier in sich zusammen. Es bleibt nur noch das Finanzielle.

Wie soll die Ebbe in der Kasse behoben werden?

Nun ist durch dieses Urteil zur Persönlichkeitsverletzung, «das nicht eindeutiger sein könnte», wie es sich Spiess-Hegglin schönredet, ein Problem sogar verschärft worden. Spiess-Hegglin bekommt viel weniger Genugtuung als gefordert, auch die Entschädigung für ihre Anwältin fällt magerer aus, und die von ihr per Crowdfunding gesammelten 70’000 Franken sind auch schon längst aufgebraucht.

Selbst wenn Spiess-Hegglin da alles zusammenkratzt, dürfte sie weiterhin auf unbezahlten Rechnungen ihrer für eine forsche Honorarpolitik bekannten Anwältin in der Höhe von sicherlich mindestens 100’000 Franken sitzen.

Also sind sowohl Anwältin wie Mandantin sehr daran interessiert, mittels Gewinnherausgabe die Ebbe in der Kasse zu beheben. Aber auch das ist tricky. Um eine solche Summe wurde in der Schweiz noch nie gestritten. Und ob ein Gericht die abenteuerlichen Berechnungen von Voigt akzeptiert, ist eine weitere Frage.

Geht es ihr einfach nur um Geld?

Die verfolgende Unschuld Spiess-Hegglin ist in einer rechten Bredouille. Die Öffentlichkeit reagiert immer matter auf Neuigkeiten in dieser Affäre ohne Ende. Die Feststellung einer Persönlichkeitsverletzung hat finanziell nicht eingeschenkt. Die verlangte und freiwillig gemachte Entschuldigung von Ringier muss zuerst desavouiert und als unglaubwürdig ins Lächerliche gezogen werden.

Fordert Spiess-Hegglin nun eine enorme Geldsumme, läuft sie Gefahr, dass auch in ihrer Unterstützer-Filterblase der naheliegende Verdacht geäussert wird: Geht es ihr letztlich nicht doch einfach um Geld?

4 Kommentare
  1. Mutter Courage
    Mutter Courage sagte:

    Anwältin Réna Zulauf ist jetzt nicht DIE Adresse, zu der ich Mandanten schicken wüürde. Schon beim Prozess gegen die Weltwoche durfte sie nachträglich finanziell erben, was ein Kollege ihr vorbereitet hat: Den Strafantrag gege Philipp Gut. Und die Klage vor dem Bezirksgericht Zürich hatte Staatsanwalt Krättli selber vorgetragen (eine absolute Rarität bei reinen Ehrverletzungsdelikten!). Über die Fachkenntnisse dieser Dame habe ich spätestens seit einem Interview beim Persönlich.com über eine Persönlichkeitsverletzung von Alt-Nationalrat und CVP Präsident Darbellay meine grössten Zweifel: Sie taxierte seinen Seitensprug mit Folgen nicht als öffentlichkeitsrelevant. Ein Student im 1. Semester seines Jus-Studiums würde keinen solchen Unsinn schreiben, die promovierte Anwältin schon. Wie im Artikel richtig gesagt, ihre Honorare sind exorbitant: 380 Franken + Mehrwertsuer!

    So überrascht es nicht, dass eine Beschwerde für Spiess beim Presserat betr. Ringier mehr als 7’000 Franken an Honorar gekostet hat. Das würden wir für den halben Preis in einer Luxusausführung mit Goldrandpapier erstellen!

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  2. Marly Enzler
    Marly Enzler sagte:

    Verkehrte Welt: Der Blick prangerte ja mit seiner Suggestivfrage den SVP-Mann an («Schändung?»), der sogar in U-Haft genommen wurde. Und gerade nicht die Dramaqueen. Wieso nicht über den «Vorfall» berichtet werden durfte, ist absolut nicht nachvollziehbar, auch wenn dies das Gericht anders sieht. Der Anlass war öffentlich, ein Politiker in U-Haft, und obwohl nur der Politzirkus Zeuge war: Der Kanton ist klein, und fast jeder Einwohner kennt einen Politiker (m/f), der dabei war. Als erstes Medium berichtete übrigens mit Zentralplus eine Plattform, die den Links-Grünen nahesteht. Dumm gelaufen, aber man hofft dort auf eine Rückkehr der Ausgestossenen in den Schoss der Grünen. Es geht zwar um viel Geld, aber auch um ein Polit-Comeback der damaligen Hoffnungsträgerin.

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