Sparzwang bei Tamedia

TX will um 70 Millionen abspecken.

«Mehr als die nächste Schlagzeile», mit diesem eher unverständlichen Spruch präsentiert sich Tamedia und behauptet, man gestalte «die Themen und Debatten des Landes mit».

Schliesslich habe man «das stärkste Redaktionsnetzwerk der Schweiz». Nun, da werden in den nächsten drei Jahren die Maschen noch weiter gedehnt als ohnehin schon. Nach viel Managerblabla kommt die Geschäftsleitung endlich auf den Punkt: «Die dafür nötigen Massnahmen sollen in den nächsten Monaten mit den betroffenen Bereichen und unter Einbezug der Sozialpartner erarbeitet werden.»

Mehr als die nächste Schlagzeile ist in diesem Fall der nächste Kahlschlag. Wenig Hoffnung für innovative Lösungen gibt der Präsident und Verleger Pietro Supino. Sein Konzern hat im ersten Halbjahr 2020 rund 110 Millionen Miese gemacht.

Abschreiber auf überbewerteten Segmenten

Bemerkenswert: 85 Millionen umfasst ein Abschreiber auf «Goodwill». Damit bezeichnen Konzerne den sogenannten immateriellen Wert von Zukäufen. Oder auf Deutsch: Wir haben was viel zu teuer gekauft und lassen nun die Luft raus.

Das hätte es auch bei dem Wortballon gebraucht, mit dem Supino das magere Ergebnis seiner Tätigkeit beschreibt. Natürlich startete die «neu aufgestellte TX Group gut» ins Jahr 2020. Aber dann, oh je, «überschattete» die Corona-Krise alles. Also «Herausforderungen», «Strukturwandel», «unerwartete Krisensituation».

Muss man also verzagen? Aber nein, «hervorragende Marktposition», «solide Bilanz», «profitieren von Opportunitäten», «gestärkt hervorgehen», und der Klassiker darf auch nicht fehlen: «Krise als Chance verstehen».

Dramatischer Einbruch

Das EBIT der Untergruppe Tamedia ist um schlappe 133 Prozent abgesackt. Statt Gewinn vor Steuern und Abschreibungen hat es einen Verlust reingehagelt. Selbst beim Goldesel «20Minuten» sind die Zahlen dunkelrot.

Richtig ist, dass auch TX Group, der aus einem einsamen T entstandenen neuen Struktur des Verlagshauses, nichts einfällt, wie den einbrechenden Inserateeinnahmen begegnet werden könnte. Wie das Kaninchen vor der Schlange starrt das Management auf die Big Boys im Internet, auf Google, Facebook und Co. Die räumen im einzigen Wachstumsmarkt, dem Online-Marketing, sagenhafte 90 Prozent der Einnahmen ab.

Die verbleibenden Krümel greifen die Schweizer Medien ab. Was fiel dem hochbezahlten und hochwichtigen Management bislang dazu ein? Genau, wolkige Sprüche, ernste Mienen und – sparen, sparen, sparen. Bis es quietscht und kracht.

Mehr Geld für weniger Angebot

Wenn sich der zahlende Leser fragt, wieso er steigende Preise für zum Skelett abgemagerte Angebote akzeptieren soll, dann erschallt das Loblied auf Qualitätsjournalismus, Service public und unabdingbar nötige vierte Gewalt im Staate.

Das erinnert fatal an die Durchhalteparolen für den deutschen Landser im Zweiten Weltkrieg, als sich die Niederlage wieder einmal abzeichnete: Vorwärts, Kameraden, wir ziehen uns zurück.

Es gibt wohl keine andere Branche in der jüngeren Geschichte, deren Management einem technologisch getriebenen Strukturwandel dermassen lange dermassen hilflos und tatenlos zuschaute.

Dezimierte Indianer

Aber während die Indianer über die Klinge springen müssen, die Leser die papierdünnen Lügen durchschauen, dass Zentralredaktionen und Zusammenlegungen ganzer Ressorts keine Verschlechterung des Angebots seien, sondern eine Verbesserung, lassen es sich die Häuptlinge gut ergehen.

Denn im sogenannten Overhead, also den Führungsetagen, wird nicht mal der Champagner rationiert. Damit das mit dem Nachschub auch klappt, krähen die Verleger nun immer lauter nach Staatshilfe, Steuergeldern, vornehmer Subventionen.

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

In den Zeiten, als der Besitz einer Druckmaschine der Lizenz zum Gelddrucken gleichkam, verdiente sich der Coninx-Clan beim damaligen «Tages-Anzeiger» dick und dämlich. Stellenanzeiger, Wohnungsanzeiger, Konsuminserate, Autoimporteure, eine damalige Ausgabe wiegt problemlos eine ganze Woche Tagi in aktuellen Zeiten auf.

Weniger Angebot für mehr Geld, den Gürtel der anderen enger schnallen, sparen bis es quietscht, flehen nach Staatshilfe. Mehr fällt der Führungscrew von TX nicht ein. Das ist wirklich ärmlich.

7 Kommentare
  1. Victor Brunner
    Victor Brunner sagte:

    Aussage von TAmedia: ««das stärkste Redaktionsnetzwerk der Schweiz». Was in der Aussage fehlt: das ineffizientieste. Bestes Beispiel TA Print heute. Da schreiben 4 JournalistenInnen gemeinsam einen Artikel: «Über 20’000 Leute sollen ins Stadion». Besser kann Ineffizienz nicht dokumentiert werden. Das Gegenteil in der gleichen Ausgabe. Der alte Hase und ehemalige Sportjournalist beim TA Fredy Wettstein schreibt einen gleich langen Nachruf zum Tod von Paul Wolfisberg. Bund Zürich, Kanton, heute, 2 3/4 Seiten für den wirtschaftlich und nach Bevölkerung grössten Kanton der Schweiz. Unter Supino, Strehle, Rutishauser, Wittwer hiess/heisst die Losung «Masse statt Klasse». Viel Durchschnitt in der Redaktion aber mindestens phil 1 und MAZ. Talent und Befähigung keine Voraussetzung mehr. Dafür Zukauf von Artikeln den kompente Leute in München geschrieben haben. Dafür wurde ja auch Frau Wittwer zur SZ weggelobt damit Texte aus München schneller in Zürich sind. Diese werden dann auch ohne seriöse Quellenangabe im TA publiziert. Sinkende Werbeeinnahmen und Corona dokumentieren den qualitativen Niedergang des TA. Anstelle von Artikeln aus Politik Schweiz, Wirtschaft, Forschung viel Nonsens. Da wird Werbung gemacht für Damenunterwäsche aus den frühen Fünfziger Jahren, Rollkofferbenützer der Verbiederung bezichtigt, SUP als Weicheier beschrieben, hämisch über Italien geschrieben, oder wie gestern der Artikel «Warum die Grippeimpfung bei Kindern sinnvoll ist». Ein Artikel den das BAG oder die Pharma geschrieben haben könnte. Kritiklos, aus Corona Fehlmeldungen nichts gelernt. Macht der TA so weiter werden die Sparmassnahmen von 70 Mio nicht genügen, denn LeserInnen die bezahlen haben Ansprüche und wollen nicht mit Billigware abgespeist werden und die Wellnessoase Werdstrasse finanzieren.

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    • Rolf Karrer
      Rolf Karrer sagte:

      Viele Gedanken richtig. Gute Journalisten mit bester Allgemeinbildung werden rar.

      Die besten Redaktoren hatten früher eine Lehre als Schriftsetzer gemacht. Die eitlen Phil 1 – Schönwetter – Journis sind nicht geerdet genug.

      Beim Paul Wolfisberg bin ich nachsichtig. Beim Blick schrieb auch der nun 80 jährige Mario Widmer (ex Sportchef) den Nachruf.

      Die heutigen jungen Sportjournalisten kennen diesen Mann ja bloss vom Hörensagen.

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  2. Hans von Atzigen
    Hans von Atzigen sagte:

    Einmal mehr, selber schuld.
    Logo das Schicksal der kleinen Indianer geht einem da schon ans Gemüht.
    Für den Gesamtkuchen hält sich das Mitleid sehr in Grenzen, denn Redaktionell wurde die Wirtschaftspolitik, mit „Nebenschauplätzen» die zu diesem Ergebnis führte,
    teilweise exorbitant und massiv gepuscht..
    Logo die kleinen Indianer müssen nach der Pfeife der grossen Indianer tanzen.
    Die einen aus Überzeugung andere der Not gehorchend.
    Beides, letztlich nicht zum Besten, die Sache degeneriert und geht zum bitteren Ende den Bachrunter .

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  3. Ray Sinniger
    Ray Sinniger sagte:

    TX Group mutiert wohl zukünftig vorallem in Richtung der Finanzberatung. Moneypark, Lykke sowie Monito (Handelsplattform für Kryptowährungen) und die Beteiligung an Neon.

    Gut möglich also, dass sich TX Group auch bald einmal massgebend bei Swissquote beteiligt?

    Nimmt mich wunder, ob die Publikation «Schweizer Familie» auch bald verkauft wird, weil dieses ältere Leserschafts-Segment auch immer schmäler wird (ähnlich wie bei SRF, wo kaum Junge Konsumenten sind). Jetzt könnte man noch einen akzeptablen Preis generieren.

    Die wirtschaftliche Situation bei der NZZ, CH Media und Ringier scheint mir prekärer. Bloss TX Media ist börsenquotiert und muss folgedessen den monetären Bilanz-Striptease machen……..

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    • Rolf Karrer
      Rolf Karrer sagte:

      „Die Tierwelt“ mit der „Schweizer Familie“ wäre eine sinnvolle Verbindung.

      Die TX-Group könnte wirklich eine Digitalbank werden. Der Printbereich würde in eine neue Firma ausgegliedert werden. Die Süddeutsche und der Tagesanzeiger werden wohl ohnehin bald fusionieren.

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    • Eveline Maier
      Eveline Maier sagte:

      Nicht vergessen, dass ricardo.ch auch zur TX-Group gehört.

      Der Tagesanzeiger fungiert wohl zukünfig in der Unternehmung bloss noch als Steckenpferd. Das Motto würde folgedessen lauten: «nice to have».

      Könnte wirklich so werden, dass TX-Group eine Plattform im Bereich PR und Finanzdienstleistung wird.

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    • Peter Dodd
      Peter Dodd sagte:

      Die Unbenennung dieser börsenquotierten Unternehmung in TX-Group sagt eigentlich alles aus.

      Mit Tamedia wäre man gebunden ans herkömmliche Geschäft.

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